Papst: Arbeit muss menschlich sein
Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt
In seiner Ansprache zeichnete Papst Franziskus ein umfassendes Bild der Herausforderungen beim Thema menschenwürdige Arbeit. Ausführlich ging er auch auf die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie ein, die vielerorts die Wirtschaft geschwächt und die Lage der Arbeiterinnen und Arbeiter verschlechtert habe. Der Papst hat Verständnis, dass die Wirtschaft nun schnell wieder in Schwung kommen soll. Er mahnt jedoch, die Gelegenheit zum Wandel zu nutzen. Bisher hat laut Franziskus nämlich zu oft Nationalismus, Einzelkämpfertum sowie „blinder Konsumismus" regiert. Menschen am Rande der Gesellschaft würden als „Abfallprodukte" angesehen und diskriminiert. Das müsse sich nun wirklich endlich ändern, so Papst Franziskus:
„Lasst uns im Gegenteil Lösungen suchen, die helfen, eine neue Zukunft der Arbeit zu schaffen, die auf anständigen und würdigen Bedingungen basiert, die einer gemeinsamen Abmachung entspringen und die das Gemeinwohl fördern. Es braucht eine Basis, welche die Arbeit zu einem essentiellen Bestandteil unserer Fürsorge der Gesellschaft und der Schöpfung macht. In diesem Sinn ist die Arbeit wahrhaftig und im Wesentlichen menschlich. Darum geht es: dass Arbeit menschlich ist."
Besonders betonte der Papst, dass das Ziel der Internationalen Arbeitsorganisation schon seit mehr als 100 Jahren sei, die Arbeitsbedingungen weltweit zu verbessern, besonders verletzliche Menschen und alle Personen in prekären Situationen nicht zu vergessen und sich gerade auch für diese einzusetzen. Konkret nannte Franziskus hier etwa Migranten, Tagelöhner und Gelegenheitsjobber, denen Ausbildungen und Abschlüsse fehlen - kurz all jene, die „gefährliche, schmutzige und entwürdigende" Arbeiten übernehmen.
„Zusammen mit ihren Familien sind sie üblicherweise ausgeschlossen von den örtlichen Gesundheitsleistungen sowie von Finanzhilfen und psychosozialen Diensten. Und dies ist nur eines der zahlreichen Beispiele für die Philosophie der ,Menschen als Abfallprodukte`, die wir inzwischen in unseren Gesellschaften gewohnt sind", lautet das bittere Fazit des Papstes.
Diese Menschen litten gerade auch angesichts der aktuellen Gesundheitskrise besonders, die sowieso schon weltweit zu mehr Armut, Jugendarbeitslosigkeit, Kinderarbeit, Lebensmittelunsicherheit, Menschenhandel und zum verstärkten Risiko besonders unter alten und gesundheitlich schwachen Menschen führte, sich mit dem Virus zu infizieren. Politik, Wirtschaft sowie alle Teilnehmer der 109. Internationalen Arbeitskonferenz ruft Franziskus daher zum Handeln auf. Die ILO als institutionalisierter Akteur in der Arbeitswelt habe nun eine „große Chance, die bereits begonnenen Veränderungsprozesse zu beeinflussen. Ihre Verantwortung ist groß, aber noch größer ist das Gute, das Sie erreichen können", so Franziskus an die internationalen Verantwortlichen gerichtet. Der Papst gibt konkrete Tipps, um aus der Krise zu kommen:
Benachteiligte, Religionen, Regierungen, Unternehmer und Arbeiter sind gefragt
„Keiner sollte vom Dialog für ein Gemeinwohl ausgeschlossen werden, dessen Ziel besonders der Aufbau und die Stärkung von Frieden und Vertrauen unter allen ist. Die besonders verletzlichen - junge Leute, Migranten, indigene Gemeinschaften, die Armen - dürfen nicht außen vor gelassen werden im Dialog, der auch die Regierungen, Unternehmer und Arbeiter an einen Tisch bringen sollte. Ebenso essentiell ist es, dass alle Religionen sich gemeinsam einbringen."
Der Heilige Stuhl unterstütze zudem bereits seit der ersten Sitzung der Internationalen Arbeitsorganisation im Jahr 1919 das Bestreben der ILO, allgemeingültige Regeln zum Schutz der Arbeiter umzusetzen, die sämtlichen Aspekten Rechnung tragen. Es brauche jedoch auch rechtliche Regelungen, um „das Wachstum der Beschäftigungsverhältnisse, würdevolle Arbeit und die Rechte und Pflichten aller Menschen" zu stärken, mahnt der Papst. Programme für würdevolle Arbeit müssten zudem sämtliche Formen der Arbeit bedenken - es gelte besonders auch inoffizielle und prekäre Arbeitsverhältnisse nicht zu vergessen, wie beispielsweise Haushaltshilfe oder fliegende Händler. Mit Blick auf die Ausbeutung und Benachteiligung von Frauen und Mädchen betont der Papst, dass es in Punkto Frauenrechte in vielen Ländern noch Luft nach oben gebe.
„Mit Blick auf die Zukunft ist es unerlässlich, dass die Kirche, also auch der Heilige Stuhl, gemeinsam mit der Internationalen Arbeitsorganisation Maßnahmen unterstützt, die ungerechte oder falsche Situationen korrigieren, welche die Arbeitsbeziehungen konditionieren und sie völlig einem ,Ausschlus-Denken' unterordnen oder die Grundrechte der Arbeiter verletzen. Theorien, die Profit und Konsum als unabhängige Elemente oder als autonome Variablen des Wirtschaftslebens betrachten, sind eine Bedrohung, da sie die Arbeiter ausschließen und ihnen einen unsicheren Lebensstandard aufzwingen."
Papst stärkt Betriebsräte
Franziskus betont in seiner Videobotschaft anlässlich der 109. Sitzung der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf auch die Rolle der Betriebsräte. Arbeiter hätten das Recht, sich in solchen Gremien zu organisieren. Sie sollten sich nicht in „Zwangsärmel" stülpen lassen, gibt Franziskus den Betriebsräten mit, die er aufruft, konkrete Probleme zu benennen. Wenn sich ein Betriebsrat korrumpieren lasse, werde er zu einem „Pseudo-Arbeitgeber", mahnt das Kirchenoberhaupt. An die Arbeitgeber gewandt gibt Franziskus zu bedenken, dass Gewinne immer dem Allgemeinwohl und dem Streben nach einer besseren Welt dienen müssten.
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