Papst zum Welttag der Armen: Keine Almosen geben, sondern teilen
Die Bedürftigen mit Almosen abzuspeisen, ist nicht der Weg, der Papst Franziskus vorschwebt. Vielmehr gehe es darum, mit den Armen wirklich zu teilen, unterstreicht das Kirchenoberhaupt in seiner Botschaft für den Welttag, den er selbst vor fünf Jahren eingerichtet hatte und der dieses Jahr auf den 14. November fällt: „Das Almosen ist etwas Gelegentliches; Teilen ist dagegen dauerhaft. Ersteres birgt die Gefahr, den, der es gibt zufriedenzustellen, und den, der es empfängt, zu demütigen. Das Teilen dagegen stärkt die Solidarität und schafft die notwendigen Voraussetzungen, um Gerechtigkeit zu erreichen. Kurz gesagt: Wenn die Gläubigen Jesus persönlich sehen und ihn mit Händen greifen wollen, dann wissen sie, wohin sie sich wenden müssen, denn die Armen sind das Sakrament Christi, sie repräsentieren seine Person und verweisen auf ihn.“
„Die Armen habt ihr immer bei euch“ (Mk 14,7) ist das Thema, das der Papst für den diesjährigen Welttag gewählt hat. In seiner Botschaft lenkt er den Blick zunächst auf eine biblische Szene: die Frau, die Jesus die Füße mit teurem Öl salbte - Öl im Wert eines Jahresgehaltes für einen Arbeiter. Diese Summe hätte man beim Verkauf des Öls doch den Armen zukommen lassen können, so die Kritik. Doch der Evangelist Johannes entlarvt bei seiner Schilderung der Episode die Aussage des Judas Iskariot: „Das sagte er aber nicht, weil er ein Herz für die Armen gehabt hätte, sondern weil er ein Dieb war; er hatte nämlich die Kasse und veruntreute die Einkünfte“ (12,5-6).
Dies kommentiert Papst Franziskus mit deutlichen Worten: „Nicht ohne Grund kommt diese harte Kritik aus dem Mund des Verräters: Es beweist, dass derjenige, der die Armen nicht anerkennt, die Lehre Jesu verrät und nicht sein Jünger sein kann.“ Es seien hingegen die Armen, die in den „Mittelpunkt des Weges der Kirche“ gehörten, denn letztendlich seien sie es, die die anderen evangelisierten, „weil sie es uns ermöglichen, auf immer neue Weise die wahren Züge des väterlichen Antlitzes zu entdecken“, gibt Franziskus zu bedenken.
Jesus selbst nimmt die derart kritisierte Frau vehement in Schutz und macht deutlich, dass das Werk, das sie an ihm vollbracht hat, stellvertretend für alle Armen geschehen ist. „Die Frauen, die häufig diskriminiert und denen verantwortungsvolle Posten vorenthalten wurden und werden, sind auf den Seiten der Evangelien Protagonistinnen in der Geschichte der Offenbarung“, so der Papst. Er verweist darauf, dass mit der namenlosen Wohltäterin die „bedeutsame Anwesenheit von Frauen, die am Höhepunkt des Lebens Christi Anteil nehmen“, ihren Anfang nimmt.
Keine Kategorie, die nichts mit uns zu tun hat
An diesem Punkt brauche es eine „Umkehr“, es gelte, das „Herz zu öffnen“ und die Armut in ihren verschiedenen Ausprägungen zu erkennen, mahnt Franziskus: „Jesus nachzufolgen bedeutet in diesem Zusammenhang auch einen Mentalitätswandel, das heißt die Herausforderung des Teilens und der Teilnahme zu akzeptieren“.
In diesem Jahr habe eine „Plage“ die Zahl der Armen „vervielfacht“, betont Franziskus mit Blick auf die Pandemie. „Sie klopft weiterhin an die Türen von Millionen von Menschen, und auch wo sie nicht Leid und Tod mit sich bringt, ist sie immer noch ein Vorbote der Armut.“ Vielen Ländern gelingt es nicht, entsprechend auf die neue soziale Not zu reagieren, und die „langen Schlangen“ vor den Suppenküchen seien dafür ein greifbares Beispiel, so der Papst. Er ruft dazu auf, Lösungen dafür zu finden, wie die Pandemie auf Weltebene bekämpft werden kann, „ohne Partikularinteressen nachzugeben. Insbesondere ist es dringend notwendig, denjenigen konkrete Antworten zu geben, die unter den Folgen der Arbeitslosigkeit leiden, die auf dramatische Weise so viele Familienväter, Frauen und junge Menschen trifft.“ Dafür seien „Solidarität“ und „weitblickende Projekte der menschlichen Förderung“ nötig.
Das Kirchenoberhaupt warnt in diesem Zusammenhang vor einem „individualistischen Lebensstil“, der „mitschuldig“ an der Entstehung von Armut sei und den Armen selbst „oft die gesamte Verantwortung für ihre Situation“ zuschiebe. Doch handle es sich bei Armut keineswegs um Schicksal, sondern um das Ergebnis von Egoismus. Dem gelte es mit der Begegnung auf Augenhöhe entgegenzusteuern: „Niemand ist so arm, dass er nicht wechselseitig etwas von sich selbst geben könnte“, betont Franziskus.
Insbesondere die individualistischen und wohlhabenderen Gesellschaften müssten letztlich eingestehen, dass sie zwar in der Politik mit dem Phänomen Armut zu tun hätten, aber oft unfähig seien im Umgang mit Armen. „Wir reden abstrakt über sie, bleiben bei Statistiken stehen und meinen, mit Dokumentarfilmen könnten wir die Herzen von Menschen bewegen“, gibt der Papst zu bedenken. Doch damit sich wirklich etwas ändern könne, dürften Arme nicht länger als Außenstehende betrachtet werden, die nichts mit einem selbst zu tun hätten.
Für den Christen besteht eine „untrennbare Verbindung“ zwischen „Jesus, den Armen und der Verkündigung des Evangeliums“, betont Franziskus in seiner Botschaft. Und gerade das Evangelium Christi dränge uns, „eine ganz besondere Aufmerksamkeit für die Armen zu haben“, und erfordere, „die vielfachen – zu vielen – Formen moralischer und sozialer Unordnung zu erkennen, die stets neue Formen der Armut hervorrufen“:
„Es scheint sich immer mehr die Auffassung durchzusetzen, dass die Armen nicht nur für ihre Situation selbst verantwortlich sind, sondern dass sie auch eine unerträgliche Last für ein Wirtschaftssystem darstellen, das die Interessen einiger privilegierter Gruppen in den Mittelpunkt stellt“, schreibt der Papst.
Nein zu einer Wirtschaft, die tötet
„Daher ist ein anderer Umgang mit der Armut notwendig“, appelliert das Kirchenoberhaupt in seinem Text, der sich auch aus seiner Programmschrift Evangelii Gaudium speist, in der er das aktuelle Wirtschaftsmodell für viele Übel unserer Zeit verantwortlich macht. Es handle sich um eine Herausforderung, „die die Regierungen und globalen Institutionen mit einem weitblickenden sozialen Modell in Angriff nehmen müssen, das in der Lage ist den neuen Formen der Armut zu entsprechen, die die ganze Welt betreffen und die kommenden Jahrzehnte entscheidend prägen werden“, betont Franziskus. „Wenn die Armen an den Rand gedrängt werden, als wären sie schuld an ihrer Situation, dann gerät das Konzept der Demokratie in die Krise, und jegliche Sozialpolitik ist zum Scheitern verurteilt“, so die eindringliche Mahnung des Papstes.
Der Kultur der Gleichgültigkeit entgegentreten
Wenn Jesus sagt: „Die Armen habt ihr immer bei euch“, dann handle es sich hierbei um eine „Aufforderung, niemals die sich bietende Gelegenheit, Gutes zu tun, aus den Augen zu verlieren“, betont Franziskus, der jedoch davor warnt, mit rasch hingeworfenen Almosen sein Gewissen zu erleichtern. Vielmehr gehe es darum, „der Kultur der Gleichgültigkeit und Ungerechtigkeit gegenüber den Armen entgegenzutreten“.
Doch Franziskus zeigt sich in seinen Zeilen keinesfalls blauäugig gegenüber den Beharrungskräften, die einer „Situation relativen Wohlstands“ geschuldet sind, an den man sich gewöhnt hat. Dies „macht es schwieriger, Opfer und Verzicht zu akzeptieren“, diagnostiziert Franziskus: „So lässt man sich beherrschen von verschiedenen Formen des Neids, von krampfhafter Nervosität und von Ansprüchen, die zu Furcht, Angst und in manchen Fällen zu Gewalt führen. Das ist nicht das Kriterium, auf das man die Zukunft aufbauen kann; und doch sind auch dies Formen der Armut, die man nicht übersehen darf“.
„Die Armen müssen umarmt, nicht gezählt werden“, so der Papst abschließend mit einem Zitat des italienischen Priesters Primo Mazzolari, der sich in seiner Pfarrei in Bozzolo (Cremona) und darüber hinaus für die Schwächsten in der Gesellschaft einsetzte. Papst Franziskus hat 2017 an Mazzolaris Grab in Bozzolo gebetet.
(vatican news - cs)
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