Papst bei Generalaudienz: Keine Angst vor der Wahrheit
Anne Preckel – Vatikanstadt
Was ist das eigentlich, Heuchelei? Dieser Frage ging der Papst bei seiner Generalaudienz in der vatikanischen Audienzhalle auf den Grund. Sie begegnet uns bei der Arbeit, in der Politik und ja, leider auch in der Kirche – „es gibt viele heuchlerische Christen und Priester“, machte Franziskus unumwunden deutlich. Leicht verbreite sich „der Virus der Heuchelei“ in einem „Umfeld, in dem die zwischenmenschlichen Beziehungen unter dem Banner des Formalismus gelebt werden“, so der Papst. Und er machte es vor und setzte an dieser Stelle der Generalaudienz – eher untypisch für Franziskus – buchstäblich ein Lächeln auf: „Jenes Lächeln, so (Franziskus machte es vor), das nicht aus dem Herzen kommt. Man versucht mit allen auszukommen, aber letztlich – mit niemandem...“
Heuchelei - ihr wisst schon, oder?
Das Thema ist Franziskus offenbar wichtig: „Das ist ein Wort, das oft vorkommen wird, Heuchelei. Ich glaube, dass wir alle wissen, was das bedeutet, nicht wahr?“, sagte er an diesem Mittwoch. Dass Heuchelei selbst beim Apostel Petrus zu finden war – „ziemlich überraschend“, wie der Papst anmerkte – zeigte Franziskus in seiner Katechese anhand der Kritik des Paulus an Petrus‘ Verhalten bei Tisch, das er als ziemlich wechselhaft beschrieb.
Wie im Galaterbrief erzählt ist, weigerte sich Petrus, in Antiochia mit beschnittenen Christen aus Jerusalem bei Tisch zu sitzen: Das Gesetz verbot Juden, bei denen die Beschneidung praktiziert wird, ein gemeinsames Mahl mit Nicht-Juden einzunehmen. Petrus, der vor den Gästen keine „schlechte Figur“ machen wollte, entzog sich dem Beisammensein, was Paulus als nicht gut befand.
„Hier, aufgepasst, zeigt sich: Petrus‘ Fehler war, dass er mehr auf das Urteil der anderen achtete als auf die Wirklichkeit der Beziehungen“, kommentierte Papst Franziskus, „er wollte einen guten Eindruck machen.“
Dabei hatte Petrus selbst zuvor durchaus „ohne Schwierigkeiten“ mit Christen gespeist, die ehemals Heiden waren, merkte Franziskus weiter an. Er war im Haus des Hauptmanns Cornelius eingekehrt, „obwohl er wusste, dass er damit gegen das Gesetz verstieß“. Bei seiner Predigt dort kam der Heilige Geist auf alle Zuhörer nieder, es war der Auftakt der Heidenmission. „Gott hat mir gezeigt, dass niemand entweiht oder unrein genannt werden soll“, verteidigte sich Petrus gegenüber Kritik (Apostelgeschichte 10,28) - und setzte sich, sozusagen mit der Freiheit des Geistes - über das Gesetz hinweg.
Einmal ja, einmal nein
Dann aber wieder nein, einmal doch, dann wieder nicht? Das wechselhafte Verhalten des Petrus sah Paulus als „schwerwiegendes“ Problem an, das ernste Folgen hatte, es war in seinen Augen „Heuchelei“, so Papst Franziskus: „Nicht zuletzt, weil Petrus von anderen Jüngern nachgeahmt wurde, vor allem von Barnabas, der mit Paulus die Galater evangelisiert hatte (vgl. Gal 2,13). Unwissentlich hat Petrus mit seinem Verhalten – ein bisschen so, ein bisschen so, und nicht transparent – eine ungute Spaltung in die Gemeinschaft hineingetragen.“
Christen, die dem Gesetz folgten und die beschnitten - aber eigentlich Nicht-Juden - waren. Und ein Apostel, der einmal mit Heiden speiste, aber mit den neuen Christen nicht? Zugegeben eine komplexe Gemengelage, die „heuchlerisches“ Verhalten begünstigte. Dieses wollte Paulus „mit Nachdruck und Überzeugung“ bekämpfen: „Paulus war aufrecht; er hatte viele Fehler, viele, er hatte einen schrecklichen Charakter, aber er war aufrecht“, so der Papst. Und er fragte:
„Wenn wir sagen: ,Aufgepasst, der dort ist ein Heuchler!‘ Was wollen wir damit sagen?“ Heuchelei meine eigentlich „Angst vor der Wahrheit“: „Man will sich lieber verstellen, als man selbst zu sein. Das ist, wie wenn man sich die Seele schminkt“, formulierte der Papst. „Und die Verstellung verhindert den Mut, die Wahrheit offen auszusprechen, und so entzieht man sich leicht der Verpflichtung, sie immer, überall und trotz allem auszusprechen.“
Ein Heuchler mache etwas vor, schmeichle und betrüge, mit einer Maske auf dem Gesicht. Er sei letztlich nicht fähig, wirklich zu lieben, urteilte der Papst, denn er beschränke sich „auf ein Leben in Selbstsucht“ und habe nicht die Kraft, „sein Herz offen zu zeigen“. Und Franziskus appellierte:
„Brüder und Schwestern, haben wir keine Angst davor, wahrhaftig zu sein, die Wahrheit zu sagen, die Wahrheit zu hören, der Wahrheit zu entsprechen: So werden wir lieben können. Anders zu handeln bedeutet, die Einheit der Kirche zu gefährden, die Einheit, für die der Herr selbst gebetet hat. Danke.“
(vatican news)
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