Papst empfängt US-Präsident Biden und Südkoreas Staatschef Moon
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Mit leichter Verspätung rollte Bidens Wagenkolonne, die aus mehr als dreißig Fahrzeugen bestand, über die weiträumig abgesperrte „Via della Conciliazione“ in den Damasushof des Apostolischen Palastes hinein. Dort standen schon Schweizer Gardisten Spalier für den Präsidenten und seine Frau Jill. „Schön, wieder hier zu sein“, sagte der 78-jährige Biden, als er seiner schwarzen XXL-Limousine entstieg. Darüber knatterte ein Hubschrauber.
Neunzig Minuten Gespräch
Die Vorfahrt des Präsidenten im Vatikan wurde von den Vatikanmedien live nach draußen übertragen – nicht allerdings sein erstes Händeschütteln mit Franziskus. Zur Begründung machte der Vatikan Corona-Einschränkungen geltend. Das Gespräch Bidens mit Franziskus dauerte dann (wenn man den halböffentlichen Teil mit der Übergabe der Geschenke mit einrechnet) ganze neunzig Minuten, eine rekordverdächtige Zeit. Zum Vergleich: Als Barack Obama 2014 im Apostolischen Palast zu Besuch war, dauerte seine Unterredung mit Franziskus fünfzig Minuten. Auf ungefähr denselben Wert kam vor ein paar Tagen der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der am vergangenen Montag vom Papst empfangen wurde.
Bidens Sprecherin Jen Psaki hatte vor dem Eintreffen des Präsidenten in Rom bei einer Pressekonferenz in Washington erklärt, sie rechne mit einem „herzlichen und konstruktiven Gespräch“ zwischen Biden und dem Papst. „Es gibt viel Einverständnis und Übereinstimmung bei ihnen in einer Reihe von Fragen: Armut, Kampf gegen den Klimawandel, Einsatz für ein Ende der Covid-19-Pandemie. Das sind ausgesprochen wichtige Themen, die im Mittelpunkt ihrer Diskussion stehen werden.“ Auf Nachfragen eines Journalisten, ob der Papst und Biden auch über Abtreibung sprechen werden, war Psaki nicht eingegangen.
Keine Erwähnung von Abtreibung in Vatikan-Statement
Tatsächlich taucht das Wort Abtreibung im Vatikan-Statement, das an diesem Nachmittag veröffentlicht wurde, nicht auf. Stattdessen benennt es als Themen die Sorge für die Schöpfung, den Kampf gegen die Corona-Pandemie sowie die Lage von Flüchtlingen und Migranten. Auch Menschenrechts-Fragen seien berührt worden, darunter Religions- und Gewissensfreiheit. Und auch der Meinungsaustausch zu internationalen Fragen habe nicht gefehlt, so das Statement mit einem Verweis auf den jetzt in Rom startenden G20-Gipfel und auf die Förderung des Friedens auf der Welt.
Nach der Audienz teilte das Weiße Haus mit, der Präsident habe die Führungsstärke des Papstes beim Kampf gegen Klimawandel und zugunsten von Corona-Impfstoffen für alle, vor allem für die Ärmsten, gewürdigt. Zwischen den beiden Gesprächspartnern habe sich ein gutes Feeling entwickelt.
Zweiter Katholik im Weißen Haus
Biden ist nach John F. Kennedy erst der zweite Katholik im Amt des US-Präsidenten und gilt als regelmäßiger Kirchgänger; wegen seiner liberalen Haltung zu Abtreibung und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften wird er aber von vielen US-Bischöfen kritisiert.
Der US-Präsident hält sich in Rom auf, um am vom Italien ausgerichteten G-20-Gipfel teilzunehmen. Anschließend reist er weiter zur UNO-Klimakonferenz Cop26 in Glasgow.
Stacheldraht-Kreuz aus Koreas entmilitarisierter Zone
Vor seinem Gespräch mit Biden traf Papst Franziskus im Vatikan noch den südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in. Auch hier: eine Live-Übertragung aus dem Damasushof, mehr nicht. Nach dem 25-minütigen Gespräch, in dem es nach Vatikanangaben vor allem um Dialog und Versöhnung auf der koreanischen Halbinsel ging, schenkte der Gast aus Seoul dem Papst ein Kreuz aus Stacheldraht; es stammt aus der entmilitarisierten Zone zwischen Süd- und Nordkorea. Franziskus hat Südkorea im August 2014 besucht; nach Angaben der offiziellen Nachrichtenagentur des Landes hat Moon ihn zu einer weiteren Visite eingeladen.
2017 war Trump im Vatikan
Letzter US-Präsident in Privataudienz beim Papst war Bidens republikanischer Vorgänger Donald Trump. Franziskus empfing ihn im Mai 2017 im Vatikan. Anderthalb Jahre zuvor, im September 2015, hatte Franziskus die USA besucht. Dabei traf er im Weißen Haus nicht nur den damaligen Präsidenten Barack Obama, sondern auch den damaligen Vizepräsidenten Joe Biden.
(vatican news – sk)
- zuletzt aktualisiert um 16 uhr -
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