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Synoden-Organisator Kardinal Mario Grech (links) und Papst Franziskus Synoden-Organisator Kardinal Mario Grech (links) und Papst Franziskus 

Franziskus vor Weltsynode: „Wir sind gerufen zur Einheit“

Vor dem Beginn der Weltsynode, die als kirchlicher Weg auf zwei Jahre angelegt ist, hat an diesem Samstag im Vatikan ein „Tag des Nachdenkens“ mit Delegierten aus allen Erdteilen stattgefunden. Papst Franziskus sagte, eine Synode sei erst dann fruchtbar, wenn sie zum „Handeln“ werde, an dem das ganze Volk Gottes und nicht nur eine Elite teilhabe. Das sei keine Frage des Stils, sondern des Glaubens.

Gudrun Sailer - Vatikanstadt

„Die Teilnahme ergibt sich notwendigerweise aus dem Glauben an die Taufe“, sagte Franziskus. Aus der Taufe nämlich leite sich „die gleich Würde der Kinder Gottes ab, wenn auch in der Verschiedenheit der Ämter und Charismen“. Deshalb seien alle gerufen, am Leben der Kirche und ihrer Sendung teilzunehmen. Andernfalls bestehe „die Gefahr, dass die Rede von der Gemeinschaft nur eine fromme Absicht ist“.

Franziskus benannte an diesem Punkt ein Defizit der Kirche, nämlich das „Unbehagen und Leid“ vieler Mitarbeitender in der Pastoral und namentlich der „Frauen, die oft noch am Rande stehen“, weil sie sich nicht hinreichend einbringen können. „Die Teilnahme aller ist eine wesentliche kirchliche Verpflichtung!“, so der Papst mit Nachdruck.

In der Synodenaula: Meditation und Gebet vor Beginn der Weltsynode

Synodale Gefahren

Allerdings warnte Franziskus – nicht zum ersten Mal – auch vor Risiken, die er in synodalen Prozessen sieht. Er nannte drei davon: Formalismus, Intellektualismus und Unbeweglichkeit. Eine Synode sei nichts Äußeres wie die schöne Fassade einer Kirche, die man nie betrete, sondern „ein Weg echter geistlicher Unterscheidung“. Form allein genüge nicht, es brauche auch „Substanz, Instrumente und Strukturen, die den Dialog und die Interaktion innerhalb des Gottesvolkes fördern, insbesondere zwischen Priestern und Laien.“ Ausdrücklich kritisierte der Papst ein unter Priestern vorhandenes „Elitedenken, das dazu führt, dass man sich von den Laien abkoppelt, und am Ende wird der Priester zum Hausherrn“. Die Kirche brauche an diesem Punkt „eine Veränderung bestimmter ,von oben herab´ gerichteter, verzerrter und einseitiger Vorstellungen von der Kirche, vom priesterlichen Dienst, der Rolle der Laien, der kirchlichen Verantwortung, der Leitungsfunktion, undsofort.“

Hier zum Hören:

Eine Synode ist keine Studiengruppe

Zweitens dürfe die Synode, Stichwort Intellektualismus, keine „Studiengruppe“ werden. Dabei nämlich würde sie sich „von der Wirklichkeit des heiligen Volkes Gottes“ lösen. Das dritte Risiko, die Unbeweglichkeit, knüpft Franziskus an den aus seiner Sicht irrigen Leitsatz, nichts dürfe sich ändern, weil „es immer so gemacht wurde“. Dabei würden am Ende bloß „alte Lösungen für neue Probleme“ aufgetischt und der Riss im Ganzen größer statt kleiner. Um das zu vermeiden, empfahl Franziskus, „dass der Synodale Weg wirklich ein solcher ist, dass er ein Prozess im Entstehen ist; er möge von unten ausgehen“, das heißt von den Ortskirchen, wo die Gläubigen in „eine leidenschaftliche und konkrete Arbeit“ im Stil der Partizipation einzubeziehen seien.

Schließlich skizzierte Franziskus drei Chancen der Weltsynode: dass sie die Kirche zu einer synodalen, zu einer hörenden und zu einer nahen Kirche mache. Synodal nicht nur fallweise, sondern „strukturell“, wie der Papst betonte. Dann wäre die Kirche „ein offener Ort, wo sich alle zu Hause fühlen und teilhaben können“. Und Franziskus ermutigte zu einer Kirche, die „für die Neuheit offen ist, die Gott ihr eingeben will“. Er zitierte dabei den Konzilstheologen Yves Congar, der bereits 1950 in einem Essay über echte und falsche Reformen in der Kirche festgehalten hatte: „Man muss nicht eine andere Kirche machen, man muss eine Kirche machen, die verschieden ist“.

„Man muss nicht eine andere Kirche machen, man muss eine Kirche machen, die verschieden ist.“

Frère Alois: Gläubige anderer Konfessionen einladen

Papst Franziskus verließ den Ort der Versammlung, die Neue Synodenaula über der vatikanischen Audienzhalle, früher als vorgesehen. So war er nicht mehr anwesend, als Frère Alois Löser „einen Traum“ teilte. Der Prior der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé, die seit Jahrzehnten Jugendliche evangelisiert, schlug vor, im Lauf des Synodenprozesses Gläubige aus den verschiedenen Kirchen zu einer großen ökumenischen Versammlung einzuladen, in Rom und zur gleichen Zeit auch anderswo in der Welt. Gemeinsames Hören auf das Wort Gottes, ein gemeinsamer langer Moment der Stille und eine gemeinsame Fürbitte für den Frieden, animiert von jungen Menschen, so die Anregung von Frère Alois.

„Ohne Angst vor der zweischneidigen Zunge“

In der ersten Meditation sprach der Jesuit Paul Béré aus Burkina Faso, der 2019 als erster Afrikaner mit dem Ratzinger-Preis für Theologie geehrt worden war. Er hat an vielen Synoden teilgenommen und gehört nun zur Theologischen Kommission der Weltsynode. „Öffne unsere Ohren“, so seine Gebetsbitte, „damit wir hören können, wie du durch die Schwestern und Brüder zu uns sprichst. Ohne Angst vor der zweischneidigen Zunge. Ohne Ungeduld mit dem Stotternden.“

„Jahrhunderte lang haben wir uns mehr auf unser Ego als auf dein Wort verlassen“

Die katholische Laientheologin Cristina Inogés-Sanz sprach in ihrem Impuls davon, dass die Kirche „tief verwundet“ vor dem Herrn stehe. „Wir haben vielen Menschen viel Leid zugefügt, und wir haben es uns selbst angetan. Jahrhunderte lang haben wir uns mehr auf unser Ego als auf dein Wort verlassen“, so die Spanierin, die dafür warb, diese Fehler zuzugeben, was auch Petrus getan habe. Bei der Synode sollten auch alle jene ihre Überlegungen, Sorgen, Schmerz einbringen, „denen wir eines Tages nicht mehr zuhören konnten und die weggegangen sind, ohne dass wir sie vermissten“, sagte die Theologin, die der methodologischen Kommission der Weltsynode angehört.

In der Synodenaula
In der Synodenaula

Auch zwei Kardinäle als Vertreter der Institution Synode kamen zu Wort: Generalrelator Jean-Claude Hollerich aus Luxemburg und Generalsekretär Mario Grech aus Malta. Hollerich sprach über das Aufeinander-Hören als Grundprinzip des synodalen Prozesses und räumte ein, er habe „immer noch keine Ahnung, welches Instrument ich schreiben soll. Die Seiten sind leer, es liegt an Ihnen, sie zu füllen. Das Einzige, was ich sagen kann, ist, dass ich es nicht allein tun werde.“

Kardinal Hollerich: Synode läuft spiralförmig nach oben zu 

Die Synode werde eine „spiralförmig nach oben“ zulaufende Dynamik haben, erklärte Hollerich: „von kleinen Gemeinschaften zum globalen synodalen Moment, durch verschiedene Stadien in Raum und Zeit, einen Übergang von einem ,Ich´ zu einem immer größeren ,Wir´." Den Übergang von einer Stufe zur nächsten charakterisierte Hollerich als „Moment der Opferung, in dem jeder und jede die Hände öffnen und alles dem Meister der Ernte übergeben kann. Ihm übergeben wir die Früchte unseres Zuhörens, unserer Gespräche, unserer Gebete, unserer Überlegungen und unserer Entscheidungen. Es ist ein Moment höchster geistiger Freiheit, damit Gott unseren Weg bestätigt.“ Die ganze Dynamik der Synode müsse eine Opfergabe sein, „damit ich den synodalen Prozess nicht für meine eigenen Ziele instrumentalisiere, für meine Ziele einer Kirche, wie ich sie mir erträume und wünsche, sondern damit mein Traum von Kirche dank des Beitrags meiner Schwestern und Brüder unser Traum von Kirche wird.“

In der Synodenaula
In der Synodenaula

„Synodalität ist nicht etwas, das wir erfinden“

Kardinal Grech: Wir gehorchen dem Geist, nicht umgekehrt

Kardinal Grech stellte klar, dass das Vorbereitungsdokument der Weltsynode und der Leitfaden keinesfalls den Weg der Synode vorgeben oder die Kirche verpflichten werde, „einem im Voraus festgelegten Weg zu folgen“, denn: „Wir sind es, die dem Geist gehorchen müssen, nicht umgekehrt.“ Der maltesische Kardinal sprach aber auch von der Wiederentdeckung alter christlicher Wege, Kirche zu sein, für ihn als „Mann des Meeres“ seien sie wie „Schiffsrouten, die die Kirche im Laufe der Jahrhunderte bereits zurückgelegt hat, wie die Tradition bezeugt. Synodalität ist nicht etwas, das wir erfinden: Sie ist eine Gabe und eine Dimension der Kirche - des Volkes Gottes -, die der Geist uns wiederentdecken und erfahren lässt.“ Wesentlich seien dabei auch die Unterschiede im Gottesvolk. „Der Weg, den wir heute eingeschlagen haben, kann ein Zeichen dafür sein, dass wir - endlich - davon überzeugt sind, dass die Kirche durch ihre Spannung auf das Reich Gottes definiert ist. Diese Spannung macht sie zu einem Volk auf dem Weg.“

Frage der Abstimmungen neu lösen?

Grech warnte ähnlich wie der Papst mit Blick auf den Synodalen Weg in Deutschland vor der Versuchung, „das Zuhören durch eine demokratische Dynamik zu lösen“. Abstimmungen in einer Synode hätten das Risiko, die Versammlung zum „Parlament“ zu verwandeln. „Daher frage ich mich, und ich frage Sie, ob wir nicht über diesen Punkt nachdenken sollten, um andere Lösungen zur Überprüfung des Konsenses zu finden.“ Bei Treffen mit kirchlichen Versammlungen und anderen Gruppen werde er „sehr oft auf die Frage der Abstimmung angesprochen“; Grech schien damit unter anderem auf die Frage des Frauenwahlrechts anzuspielen, die in den vergangenen Synodenversammlungen eine starke Dynamik innerhalb wie außerhalb der Synode entwickelt hatte. Papst Franziskus hatte Synoden-Untersekretärin Nathalie Becquart als erste Frau mit dem Stimmrecht bei der Synode ausgestattet. Grech stellte unter anderem zur Debatte, über die Absätze des Schlussdokumentes nur dort abzustimmen, wo ein Konsens unsicher ist. „Wäre es nicht ausreichend, begründete Einwände gegen den Text vorzusehen, die vielleicht von einer angemessenen Anzahl von Mitgliedern der Versammlung unterzeichnet werden, die mit einer zusätzlichen Diskussion gelöst werden, und als letzten und unerwünschten Ausweg eine Abstimmung durchzuführen?“, fragte er.

Am Sonntag, den 10. Oktober 2021, wird Papst Franziskus die Weltsynode mit einem Gottesdienst im Petersdom eröffnen. Die Eröffnung in den Bistümern der Weltkirche erfolgt am Sonntag darauf, die diözesane Phase des synodalen Prozesses soll sechs Monate dauern. Die Weltsynode steht unter dem Motto „Für eine Synodale Kirche: Gemeinschaft, Partizipation und Mission" und führt auf die 16. Ordentliche Generalversammlung im Oktober 2023 in Rom zu. Darauf soll eine gesamtkirchliche Umsetzungsphase folgen.

(vatican news)

In der Synodenaula
In der Synodenaula

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09. Oktober 2021, 11:21