Papst: Nicht nur Anti-Covid-Pläne sondern Menschlichkeit nötig
Mario Galgano – Vatikanstadt
Was die Menschheit jetzt brauche, sei die Achtung des Erbes „der klassischen Tradition“ sowie die „in den verschiedenen Kulturen vorhandenen Überlegungen zur menschlichen Person“, so Franziskus in seiner Videobotschaft. Er erinnerte zunächst daran, dass wegen der Pandemie die Versammlung seines Kulturrates zunächst verschoben, dann aber doch einberufen wurde - „wenn auch in virtueller Form“. Dies sei auch ein Zeichen der Zeit, in der wir leben: „Im digitalen Universum wird alles unglaublich nah, aber ohne die Wärme der menschlichen Gegenwart“, fügte der Papst dazu kritisch an.
Die Pandemie hat laut Papst Franziskus zudem viele der Gewissheiten, auf denen unser Sozial- und Wirtschaftsmodell beruht, in Frage gestellt und unsere Fragilität offenbart etwa mit Blick auf persönliche Beziehungen, Arbeitsmuster, soziales Leben und auch die religiöse Praxis und die Teilnahme an den Sakramenten. „Aber sie hat auch und vor allem die grundlegenden Fragen der Existenz mit Nachdruck neu gestellt: die Frage nach Gott und dem Menschen“, so der Papst.
Das Erbe von Paul VI.
Die Vollversammlung des Päpstlichen Kulturrats steht dieses Mal unter dem Motto „Rethinking Anthropology - Toward a new humanism" - „Anthropologie neu denken - Auf dem Weg zu einem neuen Humanismus". Dementsprechend ging das Kirchenoberhaupt in seiner Videobotschaft an die Teilnehmer des Treffens auf die „humanistische Dimension“ ein, auf die bereits sein Vorgänger Paul VI. zum Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils hingewiesen hatte:
„Seitdem sind fast sechzig Jahre vergangen. Dieser säkulare Humanismus - ein Ausdruck, der auch auf die damals in vielen Regimen vorherrschende totalitäre Ideologie anspielte - gehört heute der Vergangenheit an. In unserem Zeitalter, das durch das Ende der Ideologien gekennzeichnet ist, scheint sie in Vergessenheit geraten zu sein, sie scheint begraben zu sein vor den neuen Veränderungen, die durch die Computerrevolution und die unglaublichen Entwicklungen in den Wissenschaften hervorgerufen wurden, die uns zwingen, neu darüber nachzudenken, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Die Frage des Humanismus ergibt sich aus dieser Frage: Was ist der Mensch, das menschliche Wesen?“
Auf diese Frage gab Papst Franziskus gleich selbst eine Antwort: Da die Kirche weiterhin der Menschheit noch sehr viel geben könne, müsse sich jeder Gläubige auf die eigenen Wurzeln besinnen.
„Heute ist eine Revolution im Gange - ja, eine Revolution -, die die wesentlichen Knotenpunkte der menschlichen Existenz berührt und eine kreative Anstrengung des Denkens und Handelns erfordert - es braucht beides. Es gibt eine strukturelle Veränderung in der Art und Weise, wie wir Generationen, Geburt und Tod verstehen. Die Besonderheit des Menschen in der Gesamtheit der Schöpfung, seine Einzigartigkeit gegenüber anderen, etwa Tieren und sogar seine Beziehung zu Maschinen werden in Frage gestellt. Aber wir können uns nicht immer auf Leugnung und Kritik beschränken. Vielmehr sind wir aufgefordert, die Präsenz des Menschen in der Welt im Lichte der humanistischen Tradition neu zu überdenken: als Diener des Lebens und nicht als dessen Herr, als Baumeister des Gemeinwohls mit den Werten der Solidarität und des Mitgefühls.“
Sich klugerweise öffnen
Der biblische und klassische Humanismus müsse sich heute klugerweise öffnen, um in einer neuen kreativen Synthese die Beiträge der zeitgenössischen humanistischen Tradition und anderer Kulturen aufzunehmen, wiederholte der Papst. Er denke zum Beispiel an die ganzheitliche Sichtweise der asiatischen Kulturen, die nach innerer Harmonie und Einklang mit der Schöpfung streben würden. Oder die Solidarität der afrikanischen Kulturen, um den für die westliche Kultur typischen übermäßigen Individualismus zu überwinden. Auch die Anthropologie der lateinamerikanischen Völker mit ihrem lebendigen Sinn für Familie und Feste sei wichtig. Ebenso wie die Kulturen der indigenen Völker auf der ganzen Welt, unterstrich der Papst.
„In diesen verschiedenen Kulturen gibt es Formen eines Humanismus, der, integriert in den europäischen Humanismus, der aus der griechisch-römischen Zivilisation stammt und durch die christliche Vision transformiert wurde, heute das beste Mittel ist, um die beunruhigenden Fragen zur Zukunft der Menschheit zu beantworten. Denn wenn der Mensch seinen wahren Platz nicht wiederfindet, versteht er sich selbst nicht richtig und steht am Ende im Widerspruch zu seiner eigenen Wirklichkeit.“
Den Mitgliedern und Konsultoren sowie allen Teilnehmern an der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Kultur versicherte der Papst seine Unterstützung: Die Welt müsse heute mehr denn je den Sinn und den Wert des Menschen angesichts der Herausforderungen, vor denen sie stehe, wiederentdecken. Franziskus schloss mit einem lateinischen Zitat: „Heute werden wir an die heidnischen Verse erinnert: Sunt lacrimae rerum et mentem mortalia tangunt.“ Es handelt sich um ein Zitat aus Vergils Aeneis, in der die „Traurigkeit der Dinge“ angeprangert wird. Deshalb wolle er für die Vollversammlung in besonderer Weise beten.
(vatican news)
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