Wortlaut: Papstpredigt in Athen
Einige spontane Hinzufügungen des Papstes wurden in den Text eingearbeitet. Die amtliche Endfassung der Predigt wird bald auf der vatikanischen Internetseite veröffentlicht.
An diesem zweiten Adventssonntag stellt uns das Wort Gottes die Gestalt des heiligen Johannes des Täufers vor Augen. Das Evangelium hebt dabei zwei Aspekte hervor: den Ort, an dem er sich aufhält, die Wüste, und den Inhalt seiner Botschaft, die Umkehr. Wüste und Umkehr: das ist es, worauf das heutige Evangelium besteht, und dieses Beharren lässt uns erkennen, dass diese Worte uns direkt angehen. Nehmen wir sie beide in uns auf.
Die Wüste. Der Evangelist Lukas stellt diesen Ort auf eine eigentümliche Weise vor. Er spricht von besonderen Umständen und großen Persönlichkeiten der damaligen Zeit: Er erwähnt das fünfzehnte Regierungsjahr des Kaisers Tiberius, den Statthalter Pontius Pilatus, König Herodes und andere „politische Persönlichkeiten“ der damaligen Zeit; dann erwähnt er die religiösen Führer, Hannas und Kajaphas, die Hohepriester am Tempel von Jerusalem waren (vgl. Lk 3,1-2). An dieser Stelle erklärt er: »Da erging in der Wüste das Wort Gottes an Johannes, den Sohn des Zacharias« (Lk 3,2). Was hat das zu bedeuten? Wir hätten erwartet, dass das Wort Gottes an einen der eben genannten großen Männer ergeht. Aber nein. Aus den Zeilen des Evangeliums spricht eine subtile Ironie: Von den oberen Etagen, in denen die Machthaber wohnen, geht es plötzlich in die Wüste, zu einem unbekannten und einsamen Mann. Gott ist überraschend, seine Entscheidungen sind überraschend: Sie entsprechen nicht den menschlichen Vorstellungen, sie folgen nicht der Macht und Größe, die der Mensch gewöhnlich mit ihm verbindet. Der Herr mag es lieber klein und demütig. Die Erlösung nimmt nicht in Jerusalem, Athen oder Rom ihren Anfang, sondern in der Wüste. Diese paradoxe Strategie enthält eine sehr schöne Botschaft für uns: Autorität zu haben, gebildet und berühmt zu sein, ist keine Garantie dafür, Gott zu gefallen. Im Gegenteil, dies könnte zu Überheblichkeit und zur Ablehnung Gottes führen. Es ist hingegen von Vorteil, wenn man innerlich arm ist, arm wie die Wüste.
Bleiben wir bei dem Paradoxon der Wüste. Der Vorläufer bereitet das Kommen Christi an diesem unzugänglichen und unwirtlichen Ort voller Gefahren vor. Wenn man eine wichtige Ankündigung machen will, geht man normalerweise an schöne Orte, wo viele Menschen sind, wo man gesehen wird. Johannes hingegen predigt in der Wüste. Genau dort, an diesem unwirtlichen Ort, in diesem leeren Raum, so weit das Auge reicht, wo es fast kein Leben gibt, offenbart sich die Herrlichkeit des Herrn, der – wie die Heilige Schrift prophezeit (vgl. Jes 40,3-4) – die Wüste in einen Wasserteich und das karge Land in sprudelnde Quellen verwandelt (vgl. Jes 41,18). Auch das ist eine ermutigende Botschaft: Gott wendet seinen Blick damals wie heute dorthin, wo Traurigkeit und Einsamkeit herrschen. Das können wir im Leben erfahren: Oft erreicht er uns nicht, wenn wir von überall Beifall bekommen und nur an uns selbst denken; es gelingt ihm besonders in den Stunden der Prüfung. Er besucht uns in schwierigen Situationen, in unserer inneren Leere, die ihm Platz lässt, in unseren existenziellen Wüsten. Dort besucht uns der Herr.
Liebe Brüder und Schwestern, im Leben eines Menschen oder eines Volkes gibt es immer wieder Momente, in denen man den Eindruck hat, in einer Wüste zu sein. Und gerade dort schenkt der Herr seine Gegenwart. Oft findet er keine Aufnahme bei denen, die sich für erfolgreich halten, sondern bei denen, die meinen, sie seien unfähig. Und er kommt mit Worten der Nähe, des Mitgefühls und der Zärtlichkeit: »Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir; hab keine Angst, denn ich bin dein Gott! Ich habe dich stark gemacht, ja ich habe dir geholfen« (V. 10). Durch seine Predigt in der Wüste versichert uns Johannes, dass der Herr kommt, um uns zu befreien und uns gerade in Situationen, die ausweglos erscheinen, wieder Leben zu schenken. Es gibt also keinen Ort, den Gott nicht besuchen möchte. Und heute können wir nur Freude darüber empfinden, dass er die Wüste gewählt hat, um uns in unserer Schwachheit zu erreichen, die er liebt, und in unserer Trockenheit, um unseren Durst zu stillen! Also, liebe Freunde, habt keine Angst vor der Kleinheit. Es ist nicht von Bedeutung, ob wir klein und gering an der Zahl sind, es geht vielmehr darum, sich Gott und den anderen gegenüber zu öffnen. Und fürchtet euch auch nicht vor der Trockenheit, denn Gott hat keine Angst davor und er kommt uns gerade dort besuchen!
Kommen wir nun zum zweiten Aspekt, zur Umkehr. Der Täufer predigte unablässig und mit Nachdruck darüber (vgl. Lk 3,7). Auch dies ist ein „unbequemes“ Thema. So wie die Wüste nicht der erste Ort ist, an den wir gehen möchten, so ist auch die Einladung zur Umkehr nicht der erste Vorschlag, den wir hören möchten. Über Umkehr zu sprechen, kann Traurigkeit hervorrufen; es scheint schwierig, sie mit dem Evangelium der Freude in Einklang zu bringen. Das ist der Fall, wenn die Bekehrung auf eine sittliche Anstrengung reduziert wird, so als ob sie nur eine Frucht unserer eigenen Bemühungen wäre. Das Problem liegt genau darin, dass wir nur auf unsere eigenen Kräfte bauen. Alles auf die eigenen Kräfte bauen, das geht nicht. Hier nisten sich auch geistige Traurigkeit und Frustration ein: Wir würden gerne umkehren, besser sein, unsere Unzulänglichkeiten überwinden, uns verändern, aber wir spüren, dass wir dazu nicht ganz in der Lage sind, und trotz unseres guten Willens fallen wir immer wieder. Wir machen dieselbe Erfahrung wie der heilige Paulus, der aus diesem Land hier schrieb: »Das Wollen ist bei mir vorhanden, aber ich vermag das Gute nicht zu verwirklichen. Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will, das vollbringe ich« (Röm 7,18-19). Wenn wir also aus eigener Kraft nicht in der Lage sind, das Gute zu tun, das wir wünschen, was bedeutet es dann, dass wir umkehren müssen?
Eure schöne Sprache, das Griechische, kann uns mit der Etymologie des biblischen Verbs „sich bekehren“, metanoéin, helfen. Es setzt sich zusammen aus der Präposition metá, die hier jenseits bedeutet, und dem Verb noéin, das denken bedeutet. Sich bekehren heißt also, darüber hinaus zu denken, das heißt, über die gewohnte Denkweise, über unsere üblichen Denkschemata hinauszugehen. Ich denke dabei genau an die Schemata, die alles auf unser Ego, auf unseren Anspruch der Selbstgenügsamkeit reduzieren. Oder an jene, die von lähmender Starrheit und Angst eingeschlossen sind, von der die Versuchung des „Das war schon immer so, warum irgendetwas ändern?“, von der Vorstellung, dass die Wüsten des Lebens Orte des Todes und nicht der Gegenwart Gottes sind.
Indem er uns zur Umkehr aufruft, lädt Johannes uns ein, weiter zu gehen und nicht hier stehen zu bleiben; über das hinauszugehen, was unsere Instinkte uns sagen und unsere Gedanken abbilden, denn die Wirklichkeit ist größer. Die Realität ist, dass Gott größer ist. Umkehr bedeutet also, nicht auf das zu hören, was die Hoffnung zerstört, auf die Stimmen, die sagen, dass sich nichts im Leben jemals ändern wird. Es geht darum, sich nicht einreden zu lassen, dass wir dazu bestimmt sind, im Treibsand der Mittelmäßigkeit zu versinken. Es bedeutet, jenen inneren Gespinsten nicht nachzugeben, die besonders in Zeiten der Prüfung auftauchen, um uns zu entmutigen und uns zu sagen, dass wir es nicht schaffen werden, dass alles schiefläuft und dass es nichts für uns ist, ein Heiliger zu werden. Das ist nicht so, denn es gibt Gott. Es ist notwendig, ihm zu vertrauen, denn er ist unser Darüber hinaus, unsere Stärke. Alles ändert sich, wenn wir ihm den ersten Platz einräumen. Das ist Umkehr: Dem Herrn genügt unsere offene Tür, um einzutreten und Wunder zu wirken, so wie ihm eine Wüste und die Worte des Johannes genügten, um in die Welt zu kommen. Mehr verlangt er nicht.
Bitten wir um die Gnade zu glauben, dass sich mit Gott die Dinge ändern, dass er uns von unseren Ängsten befreit, unsere Wunden heilt und trockene Orte in Wasserquellen verwandelt. Bitten wir um die Gnade der Hoffnung. Denn es ist die Hoffnung, die den Glauben wiederbelebt und die Liebe neu entfacht. Denn es ist die Hoffnung, nach der die Wüsten der Welt heute dürsten. Und jetzt, wo diese unsere Begegnung uns in der Hoffnung und der Freude Jesu erneuert und ich mich freue, mit euch zusammen zu sein, wollen wir unsere Mutter, die Allselige, bitten, (...) dass sie uns hilft, so wie sie, Zeugen der Hoffnung zu sein und Menschen, die Freude aussäen. Die Hoffnung, liebe Brüder und Schwestern, enttäuscht nicht. Sie enttäuscht nie. Nicht nur, wenn wir zufrieden und mit anderen zusammen sind, sondern jeden Tag, in den Wüsten, die wir bewohnen. Denn gerade dort soll unser Leben mit der Gnade Gottes Umkehr erfahren und neu erblühen. (...)
(vatican news)
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