Papst Franziskus auf Malta: Eine Umarmung für Migranten
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Der letzte Termin des Papstes auf der Insel Malta war wohl auch der emotionalste: Franziskus, der selbst Nachfahre italienischer Auswanderer nach Argentinien ist, traf in einem Aufnahmezentrum Migranten und Flüchtlinge – die meisten von ihnen aus Somalia, Eritrea und dem Sudan. Dutzende von auf Malta Gestrandeten nahmen an der Begegnung unter freiem Himmel teil, viele schossen Fotos vom hohen Gast aus Rom.
Der mittlerweile 90-jährige Franziskaner, der das Zentrum in den Siebzigern gegründet hat (heute wird es von Freiwilligen betrieben), ließ sich vom Papst in aller Seelenruhe Zeitungen und ein weißes Käppchen signieren. Als Franziskus dann trotz deutlicher Schwierigkeiten beim Gehen, wie sie schon am Samstag offenkundig geworden waren, einzelne Migranten begrüßte, war im Gedränge nicht viel von Corona-Schutzmasken zu sehen - die Menschen hier haben schon ganz anderes durchgemacht.
„Ich habe meine Heimatstadt vor 5 Jahren verlassen“, erzählte dem Papst ein Nigerianer namens Daniel, mit Rastafrisur und gelbem Stirnband. „Nach 13 Tagen kamen wir in der Wüste an. Als wir die Wüste durchquerten, kamen wir an toten Menschen und Tieren, ausgebrannten Autos und leeren Wasserkanistern vorbei. Nach 8 traumatischen Tagen in der Wüste erreichten wir Libyen.“ Aber das Gelobte Land war das nicht – eher im Gegenteil. „Wer den Schlepperbanden noch Geld schuldete, wurde solange eingesperrt und gefoltert, bis sie ihre Schulden bezahlten. Einige verloren ihr Leben, andere ihren Verstand. Ich hatte das Glück, das mir das nicht passiert ist.“
Daniels Geschichte
Mehrmals versuchte Daniel vergeblich, Platz auf einem Schiff nach Europa zu bekommen. Dann gelang es ihm schließlich: „Ich stieg in ein 2x10 m breites Gummiboot; wir waren über 100 Personen. Wir segelten über 17 Stunden lang übers Meer, bis wir von einem italienischen Schiff gerettet wurden. Unsere Freude war groß! Die Menschen knieten nieder, um Gott zu danken - nur um zu erfahren, dass das Schiff wieder zurück nach Libyen fuhr. Wir wurden der libyschen Küstenwache übergeben und in das Gefangenenlager von Ain Zara gebracht. Der schlimmste Ort, den man sich vorstellen kann.“
Neun Monate später: ein neuer Anlauf. Bei der Überfahrt werden zwei Personen über Bord gespült und ertrinken. „Wir waren alle zu Tode erschrocken“, berichtet Daniel. „Damals hatte ich fast jede Hoffnung verloren. Ich schlief ein und wollte nur noch sterben.“ Diesmal landete er mit seinen Gefährten in Tunesien. Dort habe er mit Zahnpasta „Gib nicht auf“ an die Wand seines Zimmers geschrieben. Ein weiterer Versuch der Überfahrt gelang schließlich: Nach drei Tagen auf See sei er in Malta angekommen. „Es war das sechste Mal, dass ich Schlepper bezahlt hatte.“
„Als uns die maltesische Küstenwache rettete, war meine Freude groß. Ich konnte es nicht glauben! Freudentränen flossen mir übers Gesicht. Mein Traum war endlich wahr geworden! Aber die Freude war nur von kurzer Dauer, denn noch in der Nacht, in der wir ankamen, wurden wir für 6 Monate in ein Internierungslager gesteckt. Ich bin fast verrückt geworden. ‚Warum?!‘, habe ich Gott in diesen Nächten immer wieder gefragt.“ Er denke heute noch oft an seine Brüder und Schwestern, die noch im Internierungslager seien, ganz hier in der Nähe. „Leider haben auch heute noch viele Menschen, die vor Krieg und Hunger fliehen, eine ähnliche Geschichte wie ich.“
Papst Franziskus hörte Daniels Schilderungen sichtlich bewegt zu. In seiner Rede wiederholte er dann Worte, die er im Dezember 2021 auf der griechischen Flüchtlingsinsel Lesbos gesagt hat: „Ich bin hier, um euch zu sagen, dass ich euch nahe bin… Ich bin hier, um eure Gesichter zu sehen und euch in die Augen zu schauen.“ Er hoffe, dass Malta für alle, die an seinen Küsten landen, wirklich „ein sicherer Hafen“ sei und dass die Ankömmlinge dort – wie vor 2.000 Jahren der hl. Paulus – mit „ungewöhnlicher Menschenfreundlichkeit“ behandelt würden.
„Tausende von Männern, Frauen und Kindern haben in den letzten Jahren im Mittelmeer Schiffbruch erlitten. Und leider war es für viele von ihnen eine tragische Erfahrung... Aber es gibt noch einen anderen Schiffbruch, während diese Ereignisse stattfinden: Es ist der Schiffbruch der Zivilisation, der nicht nur die Flüchtlinge, sondern uns alle bedroht. Wie können wir uns vor diesem Schiffbruch retten, der das Schiff unserer Zivilisation zu versenken droht? Indem wir uns menschenfreundlich verhalten. Indem wir die Menschen nicht als Zahlen betrachten, sondern als das, was sie sind, nämlich Gesichter, Geschichten, einfach Männer und Frauen, Brüder und Schwestern. Und daran zu denken, dass an der Stelle der Person, die ich im Fernsehen oder auf einem Foto auf einem Boot oder im Meer sehe, ich sein könnte, oder mein Sohn oder meine Tochter...“
Der Traum des Papstes
Franziskus erinnerte „an die Abertausenden von Menschen, die in den letzten Tagen gezwungen waren, wegen dieses ungerechten und brutalen Krieges aus der Ukraine zu fliehen“, und an so viele andere Migranten in vielen Teilen der Welt. Und er sprach von seinem „Traum“, dass Migranten, die eine gute Aufnahme in ihrem Gastland erlebt hätten, ihrerseits „zu Zeugen und Förderern der Aufnahme und der Geschwisterlichkeit werden“. „Das ist der Traum, den ich mit euch teilen möchte und den ich in Gottes Hände lege.“
„Lasst uns auf die Herausforderung der Migranten und Flüchtlinge im Stil der Menschenfreundlichkeit antworten, lasst uns Feuer der Geschwisterlichkeit entzünden, an denen sich die Menschen wärmen, aufrichten und neue Hoffnung schöpfen können. Lasst uns die Netze der sozialen Freundschaft und die Kultur der Begegnung stärken, ausgehend von Orten wie diesem, die zwar nicht perfekt sind, aber ‚Laboratorien des Friedens‘ darstellen.“
(vatican news – sk)
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