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Generalaudienz: Die Katechese im Wortlaut

Radio Vatikan/Vaticannews dokumentiert an dieser Stelle in einer Arbeitsübersetzung den Wortlaut der Katechese, die Papst Franziskus an diesem Mittwoch gehalten hat.

Sämtliche Wortmeldungen des Heiligen Vaters im offiziellen Wortlaut finden Sie auf der Internetseite des Heiligen Stuhls.

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Wir haben den einfachen und ergreifenden Bericht über die Heilung der Schwiegermutter des Simon, der noch nicht Petrus heißt, aus dem Markusevangelium gehört. Diese kurze Episode wird auch in den beiden anderen synoptischen Evangelien berichtet, mit leichten, aber auffälligen Abweichungen. „Die Schwiegermutter des Simon lag mit Fieber im Bett“, schreibt Markus. Wir wissen nicht, ob es sich nur um ein einfaches Unwohlsein handelte, aber im hohen Alter kann selbst ein einfaches Fieber gefährlich sein. Wenn man alt ist, hat man keine Kontrolle mehr über seinen Körper. Man muss lernen, abzuwägen, was man tun und was man lassen will. Die Kraft des Körpers lässt nach und verlässt uns, auch wenn unser Herz nicht aufhört, Sehnsucht zu verspüren. Und dann muss man lernen, das Verlangen zu läutern: geduldig sein, wählen, was man dem Körper, dem Leben abverlangt. Wenn wir alt sind, können wir nicht mehr dasselbe tun wie in der Jugend: Der Körper hat einen anderen Rhythmus, und wir müssen auf ihn hören und seine Grenzen akzeptieren. Wir alle haben sie. Auch ich muss jetzt mit dem Stock gehen.

Krankheit belastet ältere Menschen anders als junge Menschen. Sie kommt als harter Schlag in einer Zeit, die ohnehin schon schwer genug ist. Die Krankheit alter Menschen scheint sie dem Tod noch schneller nahezubringen und die Lebenszeit zu verkürzen, die wir ohnehin schon als kurz ansehen. Und bei alten Menschen schleichen sich dann leicht Zweifel ein; sie können fürchten, dass sie vielleicht nie wieder gesund werden und denken: „Das ist das letzte Mal, dass ich krank werde...“. Wie soll man hoffnungsvoll von einer Zukunft träumen, die es nicht zu geben scheint? Ein berühmter italienischer Schriftsteller, Italo Calvino, hat die Bitterkeit alter Menschen bemerkt, die den verlorenen Dingen so sehr nachtrauern, dass sie das Neue nicht genießen können. Aber die Szene aus dem Evangelium, die wir eben gehört haben, lässt uns hoffen und erteilt uns bereits eine erste Lektion: Jesus besucht die kranke alte Frau nicht allein, er geht mit seinen Jüngern zu ihr. Und das gibt uns zu denken.

Das Leben ist immer wertvoll

Die Sorge um die alten Menschen – Verwandte und Freunde – ist Aufgabe der christlichen Gemeinschaft. Ältere Menschen sollten oft und viel Besuch bekommen. Wir sollten diese drei Zeilen des Evangeliums nie vergessen. Vor allem heute, wo die Zahl der älteren Menschen stark zugenommen hat - auch im Bezug zu den jungen Menschen, weil wir ja diesen demographischen Winter erleben. Man hat heute weniger Kinder, es gibt also viele alte und wenig junge Menschen. Wir müssen uns verpflichtet fühlen, alte Menschen, die oft allein sind, zu besuchen und ihre Anliegen im Gebet vor den Herrn zu bringen. Jesus selbst wird uns lehren, wie wir sie lieben können. „Eine Gesellschaft nimmt das Leben wirklich an, wenn sie anerkennt, dass es auch im Alter, mit einer Behinderung, in schwerer Krankheit wertvoll ist und ebenso dann, wenn es verlöscht“ (Botschaft an die Päpstliche Akademie für das Leben, 19. Februar 2014). Das Leben ist immer wertvoll.

Die Wegwerfkultur: Ein Verrat an der Menschlichkeit

Als Jesus die kranke alte Frau sieht, fasst er sie an der Hand und richtet sie wieder auf. Mit dieser zärtlichen Geste der Liebe erteilt Jesus den Jüngern die erste Lektion: Das Heil wird verkündet – ja besser noch: vermittelt - durch die Zuwendung zu dieser Kranken. Und der Glaube der Frau leuchtet in der Dankbarkeit für die Zärtlichkeit Gottes auf, der sich über sie gebeugt hat. 

Ich komme auf ein Thema zurück, das ich in diesen Katechesen oft angesprochen habe: Diese Wegwerfkultur, die die älteren Menschen auszulöschen scheint. Sie tötet sie nicht, aber sie löscht sie gesellschaftlich aus, als wären sie eine Last, die man mit sich herumtragen muss und die man besser versteckt. Das ist ein Verrat an der Menschlichkeit, das ist hässlich, es ist eine Selektion des Lebens nach seiner Nützlichkeit, nach der Jugend - und nicht nach dem Leben, wie es ist: mit der Weisheit der Alten, mit den Grenzen der Alten. Alte Menschen haben uns so viel zu geben: die Weisheit des Lebens. Wir können so viel von ihnen lernen: Deshalb müssen wir ja auch den Kindern schon beibringen, sich um ihre Großeltern zu kümmern, zu ihren Großeltern zu gehen. Der Dialog zwischen Jung und Alt, Kindern und Großeltern ist von grundlegender Bedeutung für die Gesellschaft, für die Kirche, ja für die Gesundheit des Lebens. Wo es keinen Dialog zwischen Jung und Alt gibt, fehlt etwas, und dann wächst eine Generation ohne Vergangenheit, ohne Wurzeln, heran.

Alte Menschen nicht ausschließen

Die nächste Lektion erteilt uns nicht Jesus, sondern diese alte Frau, die „sich aufrichtete und Jesus und seinen Jüngern diente.“ Auch ältere Menschen können und sollen der Gemeinschaft dienen. Es tut ihnen nämlich gut, Aufgaben und Verantwortung zu übernehmen und sich nicht einfach zurückziehen. Der Herr schiebt sie nicht beiseite, im Gegenteil: er gibt ihnen die Kraft, zu dienen. Und ich möchte anmerken, dass die Evangelisten in ihrem Bericht hier keinen besonderen Akzent setzen: Es geht um die Normalität der Nachfolge, die die Jünger in der Schule Jesu erfahren und in vollem Umfang lernen werden. Die älteren Menschen, die die Bereitschaft zur Heilung, zum Trost, zur Fürsprache für ihre Brüder und Schwestern bewahren - seien es Jünger, Hauptmänner der römischen Armee, von bösen Geistern Besessene, Ausgestoßene... - sind vielleicht das beste Zeugnis für die Reinheit dieser Dankbarkeit, die den Glauben begleitet. Wenn man die alten Menschen von den Ereignissen, die das Leben der Gemeinschaft prägen, nicht ausschließt, sondern sie in den Mittelpunkt der kollektiven Aufmerksamkeit rückt, werden sie dazu ermutigt, den kostbaren Dienst der Dankbarkeit Gott gegenüber auszuüben, der niemanden vergisst. Die Dankbarkeit der älteren Menschen für die Gaben, die sie von Gott in ihrem Leben erhalten haben, gibt der Gemeinschaft - wie uns die Schwiegermutter des Petrus lehrt - die Freude am Zusammenleben wieder und verleiht dem Glauben der Jünger das wesentliche Merkmal seiner Bestimmung.

Aber wir müssen lernen, dass der Geist der Fürbitte und des Dienens, den Jesus all seinen Jüngern ans Herz legt, nicht nur Frauensache ist: In den Worten und Taten Jesu gibt es keine Hinweise auf eine solche Einschränkung. Der evangeliumsgemäße Dienst der Dankbarkeit für die Zärtlichkeit Gottes kann nicht in die Kategorien vom Mann, dem Herrn und Meister, und der Frau, die Dienerin ist, eingeteilt werden. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Frauen Männern in Sachen Dankbarkeit und Zärtlichkeit des Glaubens einige Dinge beibringen können, die für Männer nur schwer zu verstehen sind. Auch die Schwiegermutter des Petrus hat den Aposteln den Weg der Nachfolge Jesu gewiesen, noch bevor sie ihn von selbst eingeschlagen haben. Und die besondere Sanftmut Jesu, der „sie an der Hand fasste“ und sich über sie beugte, machte von Anfang an seine besondere Sensibilität für die Schwachen und Kranken deutlich, die der Sohn Gottes sicherlich von seiner Mutter gelernt hat. 

Wo es eine Verbindung zwischen Jung und Alt gibt, gibt es auch Hoffnung für die Zukunft der Gesellschaft

Bitte lasst uns dafür sorgen, dass die alten Menschen - die Großväter und die Großmütter - den Kindern, den jungen Menschen, nahe sind, um diese Lebenserfahrung, diese Lebensweisheit weiterzugeben. In dem Maße, in dem wir die Verbindung zwischen Jung und Alt herstellen, wird es auch mehr Hoffnung für die Zukunft unserer Gesellschaft geben.

(vaticannews - skr)

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15. Juni 2022, 10:31

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