Suche

Wortlaut: Angelus von Papst Franziskus an Mariä Himmelfahrt

Hier finden Sie die Ansprache, die Papst Franziskus beim Angelus am Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel gehalten hat, in einer Arbeitsübersetzung von Radio Vatikan.

Sämtliche Wortmeldungen des Heiligen Vaters werden auf der Internetseite des Heiligen Stuhls veröffentlicht.

„Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag! Frohes Fest!

Heute, am Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel, bietet uns das Evangelium den Dialog zwischen Maria und ihrer Cousine Elisabeth. Als Maria das Haus betritt und Elisabeth begrüßt, sagt sie zu ihr: "Gesegnet bist du unter den Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes" (Lk 1,42). Diese Worte voller Glaube, Freude und Ehrfurcht sind Teil des „Ave Maria“ geworden. Jedes Mal, wenn wir dieses schöne und vertraute Gebet sprechen, tun wir das, was Elisabeth tat: Wir grüßen Maria und preisen sie selig, weil sie uns Jesus bringt.

Maria nimmt den Segen Elisabeths an und antwortet mit dem Hochgesang – ein Geschenk für uns, für die ganze Geschichte: das „Magnificat“. Es ist ein Lobgesang, wir könnten es als Hochgesang der Hoffnung definieren. Es ist ein Lobgesang auf die großen Taten, die der Herr an ihr vollbracht hat, aber Maria geht noch weiter: Sie betrachtet das Wirken Gottes in der gesamten Geschichte seines Volkes. Sie sagt zum Beispiel, dass der Herr "die Mächtigen vom Thronen stürzt, die Niedrigen aufrichtet, die Hungrigen mit seinen Gaben beschenkt und die Reichen leer ausgehen lässt" (V. 52-53). Wenn man diese Worte hört, könnte man sich fragen: Übertreibt die selige Jungfrau da nicht ein bisschen, beschreibt sie eine Welt, die es nicht gibt? Während sie spricht, sind die Mächtigen der Welt noch nicht gestürzt: Der furchterregende Herodes zum Beispiel sitzt noch immer auf seinem Thron. Und die Armen und Hungernden bleiben weiter so, während die Reichen im Wohlstand leben.

„Die Muttergottes kündigt einen radikalen Wandel an, eine Umkehrung der Werte“

Was bedeutet also dieser Hochgesang Mariens? Was ist sein Sinn? Es geht ihr nicht darum, über ihre Zeit zu berichten (sie ist keine Journalistin!), sondern uns etwas viel Wichtigeres mitzuteilen: dass Gott durch sie einen geschichtlichen Wendepunkt eingeleitet und eine neue Ordnung der Dinge endgültig festgelegt hat. Sie, die Kleine und Bescheidene, ist erhöht und - das feiern wir ja heute - in die Herrlichkeit des Himmels aufgenommen worden, während die Mächtigen der Welt mit leeren Händen dastehen werden. Denken Sie an das Gleichnis von diesem reichen Mann, der einen Bettler vor seiner Tür hatte, den Lazarus. Wie ist das ausgegangen? Er stand mit leeren Händen da… Die Muttergottes kündigt mit anderen Worten einen radikalen Wandel an, eine Umkehrung der Werte.

Als sie zu Elisabeth spricht, während sie Jesus im Mutterleib trägt, nimmt sie vorweg, was ihr Sohn sagen wird, wenn er die Armen und Demütigen selig preisen und die Reichen und diejenigen warnen wird, die sich auf ihre eigene Selbstgenügsamkeit verlassen. Die Jungfrau prophezeit also mit diesem Hochgesang, diesem Gebet, dass nicht Macht, Erfolg und Geld die Oberhand gewinnen werden, sondern Dienst, Demut und Liebe. Wenn wir sie in ihrer Herrlichkeit betrachten, verstehen wir, dass wahre Macht Dienen – vergessen wir das nicht: die wahre Macht ist das Dienen – und dass Herrschen Liebe bedeutet. Und dass dies der Weg zum Himmel ist.

„Bin ich wie die Jungfrau Maria fähig, das Wirken Gottes zu erkennen?“

Dann können wir auf uns selbst schauen und uns fragen: Berührt diese von Maria angekündigte prophetische Umkehrung mein Leben? Glaube ich, dass Lieben Herrschen heißt und Dienen Macht? Glaube ich, dass das Ziel meines Lebens der Himmel, das Paradies ist? … Oder geht es mir nur um irdische, materielle Dinge? Doch wenn ich die Ereignisse in der Welt beobachte, lasse ich mich dann vom Pessimismus einfangen, oder bin ich wie die Jungfrau Maria fähig, das Wirken Gottes zu erkennen, der durch Sanftmut und Kleinheit große Dinge vollbringt?

Heute besingt Maria die Hoffnung und erweckt sie in uns… Denn in ihr sehen wir das Ziel unseres Weges: Sie ist das erste Geschöpf, das mit Leib und Seele siegreich die Ziellinie des Himmels überschreitet. Sie zeigt uns, dass der Himmel zum Greifen nah ist. Wie bitte? Ja doch, der Himmel ist zum Greifen nahe, wenn auch wir uns nicht der Sünde hingeben, Gott in Demut preisen und großzügig anderen dienen. Der Sünde nicht nachgeben… Sie, unsere Mutter, nimmt uns an der Hand, begleitet uns zur Herrlichkeit, lädt uns ein, uns zu freuen, wenn wir an den Himmel denken. Lasst uns Maria preisen mit unserem Gebet und bitten wir sie um einen prophetischen Blick, der fähig ist, den Himmel auf Erden zu schauen.“

(vatican news – übersetzung: pfarrer werner demmel)
 

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

15. August 2022, 12:58