Wortlaut: Papst Franziskus bei der Generalaudienz
Liebe Brüder und Schwestern, guten Morgen!
Die Worte des Traums von Daniel, die wir gehört haben, beschwören eine Vision von Gott herauf, die zugleich geheimnisvoll und leuchtend ist. Sie wird zu Beginn des Buches der Offenbarung aufgegriffen und auf den auferstandenen Jesus bezogen, der dem Seher als Messias, Priester und König erscheint, ewig, allwissend und unveränderlich (1,12-15). Er legt dem Seher die Hand auf die Schulter und beruhigt ihn: ‚Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, doch siehe, ich lebe in alle Ewigkeit und ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt.‘ (V. 17-18). So verschwindet die letzte Barriere der Angst und der Beklemmung, die die Theophanie immer hervorgerufen hat: Der Lebendige beruhigt uns... Auch er war tot, aber er nimmt nun den ihm zugedachten Platz ein: den des Ersten und des Letzten.
In dieser Verflechtung der Symbole ... gibt es einen Aspekt, der uns vielleicht hilft, die Verbindung dieser Theophanie, dieser Gottesoffenbarung mit dem Zyklus des Lebens, der Zeit der Geschichte und der Herrschaft Gottes über die geschaffene Welt besser zu verstehen. Und genau dieser Aspekt hat mit dem Alter zu tun...
Die Vision vermittelt einen Eindruck von Kraft und Stärke, Adel, Schönheit und Charme. Ihr Kleid, ihre Augen, ihre Stimme, ihre Füße, alles ist prächtig in dieser Vision... Ihr Haar aber ist weiß: wie Wolle, wie Schnee. Wie die eines alten Mannes. Der gebräuchlichste biblische Begriff für einen alten Mann ist ‚zaqen‘: von ‚zaqan‘, was ‚Bart‘ bedeutet. Das schneeweiße Haar ist das uralte Symbol für eine sehr lange Zeit, für eine uralte Vergangenheit, für eine ewige Existenz. Wir dürfen bei Kindern nicht alles entmythologisieren: Das Bild eines alten Gottes mit schneeweißem Haar ist kein albernes Symbol, sondern ein biblisches, edles und sogar zärtliches Bild. Die Gestalt, die in der Offenbarung zwischen den goldenen Leuchtern steht, überschneidet sich mit der Gestalt des Greises aus der Prophezeiung Daniels. Er ist so alt wie die gesamte Menschheit, und sogar noch älter. Er ist so alt und neu wie die Ewigkeit Gottes. Denn so ist die Ewigkeit Gottes: alt und neu - weil Gott uns immer mit seiner Neuheit überrascht, jedes Mal kommt er uns entgegen, und jeden Tag auf eine neue Art und Weise... Er wird immer wieder neu: Gott ist ewig, er ist von Ewigkeit her. Fast könnten wir sagen, dass es so etwas wie Alter in Gott gibt, aber so ist es nicht: Er ist ewig, er erneuert sich.
In den Ostkirchen ist das Fest der Darstellung Jesu im Tempel, das am 2. Februar gefeiert wird, eines der zwölf großen Feste des liturgischen Jahres. Es unterstreicht die Begegnung Jesu mit dem alten Simeon im Tempel, die Begegnung zwischen der Menschheit, dargestellt durch die Wartenden Simeon und Anna, und Christus, dem kleinen Herrn, dem ewigen, menschgewordenen Sohn Gottes. Eine schöne Darstellung davon kann man in Rom in den Mosaiken von Santa Maria in Trastevere bewundern.
Die byzantinische Liturgie betet mit Simeon: ‚Das ist der, der von der Jungfrau geboren wurde: Er ist das Wort, Gott von Gott, der für uns Fleisch geworden ist und den Menschen gerettet hat‘. Er fährt fort: ‚Heute öffnet sich die Pforte des Himmels: Das ewige Wort des Vaters, das ein zeitliches Prinzip angenommen hat, ohne seine Göttlichkeit zu verlassen, wird durch seinen Willen von der jungfräulichen Mutter in den Tempel des Gesetzes gebracht, und der dort Wartende nimmt ihn in seine Arme“. Diese Worte drücken das Glaubensbekenntnis der ersten vier Ökumenischen Konzilien aus, das allen Kirchen heilig ist. Aber Simeons Geste ist auch das schönste Symbol für die besondere Berufung des Alters: ... die Kinder, die in die Welt kommen, als ein ungebrochenes Geschenk Gottes darzustellen, in dem Wissen, dass eines von ihnen der Sohn ist, der im Innersten Gottes gezeugt wurde, vor allen Jahrhunderten.
Das Alter muss auf dem Weg in eine Welt, in der die Liebe, die Gott in die Schöpfung gelegt hat, endlich ungehindert ausstrahlen kann, diese Geste von Simeon und Anna vollführen, bevor es sich verabschiedet. Das Alter muss den Kindern ihren Segen bezeugen: Das ist für mich der Kern, das Entscheidende am Altsein. Das Alter muss den Kindern ihren Segen bezeugen. Er besteht darin, dass sie - schön und schwierig - in das Geheimnis einer Bestimmung des Lebens eingeweiht werden, die niemand auslöschen kann. Nicht einmal der Tod.
Vor einem Kind Zeugnis für den Glauben abzulegen, bedeutet, dieses Leben auszusäen. Zeugnis für die Menschlichkeit und für den Glauben abzulegen ist die Berufung der alten Menschen... Dazu sind wir alten Menschen berufen: Zeugnis zu geben, damit sie dann damit weitermachen.
Das Zeugnis älterer Menschen ist für Kinder glaubwürdig: Jugendliche und Erwachsene sind nicht in der Lage, es so authentisch, so zärtlich, so ergreifend zu gestalten, wie es die älteren Menschen, die Großeltern können. Wenn ein älterer Mensch das Leben, das auf ihn zukommt, segnet und allen Groll auf das Leben, das von ihm geht, ablegt, ist das unwiderstehlich. Er ist nicht bitter, weil die Zeit vergeht und er bald gehen muss, nein - es verhält sich da wie mit der Freude über guten Wein, der im Lauf der Jahre gereift ist. Das Zeugnis der älteren Menschen vereint die Lebensalter und die Dimensionen der Zeit: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft... Es ist schmerzhaft - und schädlich - zu sehen, wie die Lebensalter als getrennte, konkurrierende Welten dargestellt werden, von denen jede versucht, auf Kosten der anderen zu leben. Das geht nicht! Die Menschheit ist alt, sehr alt, wenn wir die Zeit der Uhr betrachten. Der Sohn Gottes aber, der von einer Frau geboren wurde, ist der Erste und der Letzte aller Zeiten. Das bedeutet, dass niemand außerhalb seiner ewigen Generation, außerhalb seiner wunderbaren Macht, außerhalb seiner liebenden Nähe steht.
Der Bund - ich sage ausdrücklich: Bund - der Alten und der Kinder wird die Menschheitsfamilie retten. Dort, wo die Kinder und jungen Menschen mit den alten Menschen sprechen, ist Zukunft; wo es diesen Dialog nicht gibt, da sieht man die Zukunft nicht klar vor sich. Der Bund der Alten und der Kinder wird die Menschheitsfamilie retten. Vermögen wir es, den Kindern ... das zärtliche Zeugnis der Älteren zu geben, die die Weisheit des Sterbens besitzen? Wird diese Menschheit, die uns bei all ihren Fortschritten wie ein Halbstarker ... erscheint, die Gnade des Alters wiedererlangen können, das den Horizont unserer Bestimmung vor Augen hat? Der Tod ist sicherlich ein schwieriger Abschnitt im Leben: ... aber auch der Abschnitt, der die Zeit der Ungewissheit schließt und die Uhr fortlegt... Denn genau dann beginnt die Schönheit des Lebens, das kein Verfallsdatum mehr hat...
(vatican news - sk)
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