Johannes Paul I.: Priester ist „Diener, der sich für das Volk aufopfert“
Andrea Tornielli - Vatikanstadt
„Meine Mutter hat mir nie gesagt, dass ich Priester werden soll, nie, aber sie war so gut, sie hat den Herrn so sehr geliebt, dass ich durch den Kontakt mit ihr spontan diesen Weg eingeschlagen habe...“. Nur 34 Tage war er im Amt, doch vielen ist die Stimme von Papst Johannes Paul I. eindrücklich im Gedächtnis geblieben. An diesem Sonntag wird er nun durch seinen Nachfolger Franziskus seliggesprochen. Albino Luciani, damals noch Bischof von Vittorio Veneto, predigte an jenem 29. Juni 1968 in der großen Pfarrkirche von Santa Maria del Piave seiner Diözese aus Anlass der Priesterweihe von Giuseppe Nadal. Elf Minuten lang predigte er aus dem Stegreif, um darzustellen, was seiner Vorstellung nach den Priester auszeichne. Die Predigt wurde zwar vor über fünfzig Jahren verfasst, enthält aber Worte, die auch heute noch hochaktuell sind und uns helfen, in das Herz des neuen Seligen einzudringen: So spricht der Bischof von Hirten „mit dem Geruch von Schafen“ und von Priestern, die sich für ihr Volk aufopfern sollen.
Ein historisches Dokument
Wir müssen dem 79-jährigen Don Giuseppe dafür dankbar sein, dass er den Medien des Vatikans die Tonaufnahme zur Verfügung gestellt hat, die am Tag seiner Priesterweihe in seiner Heimatgemeinde aufgenommen wurde. Mittlerweile ist er Pfarrer in Pieve di Soligo, nachdem er fast ein Jahrzehnt lang als Fidei donum-Missionar in Burundi tätig war. Luciani begann seine damalige Predigt mit einem Gedenken an die Familie des neuen Priesters und an die Opfer, die sie für ihn gebracht hat. Der Bischof erinnerte an einen französischen Schriftsteller, der gesagt hatte: „Es gibt Mütter, die ein priesterliches Herz haben und es auf ihre Kinder übertragen“. In diesem Zusammenhang erinnerte er sich auch an seine eigene Mutter, Bortola Tancon, die ihn mit ihrem Glaubenszeugnis zum Priestertum bewogen hatte: „Es schien mir, dass es keinen anderen Weg gab. Der Herr hat das familiäre Umfeld genutzt.“
„Ich hoffe wirklich“, fügte Luciani hinzu, „dass der Herr dem neuen Priester helfen wird, wie den Priestern, die ich heute Morgen geweiht habe, so dass er sich dem Volk widmet und fähig ist zu dienen. Man sagt ,ministri di Dio‘: und das bedeutet Diener, Diener Gottes und Diener des Volkes. Ein Priester ist ein guter Priester, wenn er ein Diener der anderen ist; wenn er ein Diener seiner selbst ist, ist er nicht richtig.“ Bischof Luciani zitiert einen „heiligen Priester“ - den im Jahr 2021 seliggesprochenen Francesco Mottola -, der geschrieben hatte: „Der Priester muss Brot sein, der Priester muss Nahrung sein für das Volk.“ Deshalb, so fügte er hinzu, habe er seine Familie aufgegeben, „um jederzeit für die Menschen da zu sein und um anderen Familien zur Verfügung zu stehen“.
In der Predigt nimmt der spätere Papst dann auch ausdrücklich auf den priesterlichen Zölibat Bezug: „Manche sagen: ,Priester heiraten nicht, weil die Kirche die Ehe nicht schätzt, sie hat Angst, die Ehe neben diese heiligen Dinge zu stellen‘: das ist nicht wahr, das ist nicht wahr! Petrus war verheiratet, das ist es nicht. Stattdessen denken wir Folgendes: Die Familie ist eine erhabene und große Sache, und gerade deshalb hat man als Familienvater genug zu tun: Kinder zu erziehen, Kinder großzuziehen; man ist ganz und gar dieser Sache verpflichtet, die Familie ist eine zu große Sache, als dass man für eine Familie dasein und gleichzeitig auch eine so große Aufgabe wie das Priestertum erfüllen könnte. Es gilt entweder das eine oder das andere.“
„Deshalb“, so fuhr der Bischof von Vittorio Veneto fort, „wiederhole ich: Der Priester soll Diener aller sein. Dies ist vor allem seine Aufgabe, sein Platz: zu dienen. Und das Volk versteht dies, wenn es sieht, dass der Priester wirklich ein Diener ist, der sich für andere aufopfert. Dann sagen sie: ,Wir haben einen guten Priester', dann sind sie glücklich, dann sind sie wirklich glücklich.“
Vor der Priesterweihe führe man „viele Untersuchungen“ über den Kandidaten durch und höre darauf, „was die Leute von ihm denken“, versichert Bischof Luciani in seiner Predigt weiter. Doch darüber hinaus gelte es, persönlich Zeugnis abzulegen, also das, was der Priester bekennt und predigt, selbst vorzuleben. Aus seinen Worten spricht die Bescheidenheit, die ihn selbst auszeichnete. Denn das Wort, das gepredigt werde, „muss, wenn möglich, zuerst gelebt werden; ich kann nicht zu euch anderen sagen: ,Seid gut‘, wenn ich nicht zuerst selbst gut genug bin; und wenn ihr wüsstet, wie beschämend es selbst für den Bischof ist, vor die Leute zu treten und zu sagen: ,Seid gut, seid noch besser als gut, aber ich selbst habe vielleicht nicht genug getan, ich bin auch nicht gut genug.‘ Es wäre wunderbar, wenn ich, bevor ich anderen predige, selbst alles getan hätte, was ich anderen sage. Das ist nicht immer möglich. Ihr müsst mit euch der Anstrengung zufrieden geben, wir haben auch Temperament, wir haben auch Schwächen. Aber der Priester, wenn er Priester sein will, darf nicht kommen und anderen predigen, wenn er nicht vorher selbst wenigstens versucht hat, das zu tun, was er von den anderen verlangt.“
Nicht auf die Dankbarkeit der Menschen warten
Abschließend gibt der künftige Papst noch eine Empfehlung: In der Seelsorge und bei der Feier der Sakramente, „vor allem der Beichte“, müsse man „sanft“ sein und die Menschen gut behandeln: „Ich sage meinen Priestern immer: ,Liebe Brüder ... die Menschen müssen gut behandelt werden. Wenn es wahr ist, dass wir Diener sind, müssen wir die Menschen gut behandeln; es reicht nicht aus, sich den Menschen zu widmen, sondern wir müssen sanft mit ihnen umgehen, auch wenn einige manchmal undankbar sind.‘“ Und wenn „es nicht immer die richtige Dankbarkeit gibt, dürfen wir nicht für diese Dankbarkeit arbeiten. Der Herr wartet an dieser Stelle auf uns, um zu sehen, ob wir trotz allem fähig sind, den Menschen weiterhin etwas Gutes zu tun.“ Den Schluss seiner Predigt bildete ein Gebet und der Wunsch nach „Priestern, die wirklich heilig sind und wirklich dem Volk dienen.“
Seligsprechung am Sonntag
Papst Franziskus wird am Sonntag seinen Vorgänger im Papstamt bei einer feierlichen Messe auf dem Petersplatz seligsprechen. Die Teilnahme an der Messe ist nach Anmeldung bei der Präfektur des Päpstlichen Hauses möglich.
(vatican news - cs)
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