Papst Franziskus, das Handy und die Sehnsucht nach dem Stern
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Bei seiner Generalaudienz fasste er das deutsche Wort „Sehnsucht“ mit dem italienischen „desiderio“. „Das italienische Wort stammt von einem sehr schönen lateinischen Begriff, de-sidus, wörtlich ‚das Fehlen des Sterns‘. Sehnsucht ist ein Fehlen des Sterns, ein Fehlen des Bezugspunkts, an dem sich der Lebensweg orientiert; es erinnert an ein Leiden, einen Mangel und gleichzeitig an die Spannung, das Gute zu erreichen, das fehlt. Die Sehnsucht ist also der Kompass, um zu verstehen, wo ich bin und wohin ich gehe.“
Warum predigt nun ein Papst zum ur-romantischen Begriff der Sehnsucht? Ganz einfach: Franziskus, der aus dem Jesuitenorden stammt, bringt die Sehnsucht in Verbindung mit dem von ihm gern benutzten Begriff der ‚geistlichen Unterscheidung‘. Der Gründer der Jesuiten, der hl. Ignatius von Loyola, sprach oft von ‚Unterscheidung‘ – sie sei entscheidend, um zu erkennen, was Gott aus unserem Leben machen wolle. Und um diesen Begriff der Unterscheidung kreisen in diesen Wochen die Ansprachen des Papstes bei seiner Generalaudienz.
Sehnsucht ist wie Durst...
Sehnsucht sei, nach Gebet und Selbsterkenntnis, eine „unverzichtbare Zutat“ zur geistlichen Unterscheidung. „Unterscheidung ist ja eine Form des Suchens, und das Suchen geht immer von etwas aus, das uns fehlt, von dem wir aber irgendwie wissen und das wir irgendwie erahnen.“
Mit der Sehnsucht verhalte es sich eigentlich wie mit dem Durst: „Wenn wir nichts zu trinken finden, geben wir nicht auf, im Gegenteil, die Suche beschäftigt unser Denken und Handeln immer mehr, bis wir bereit sind, jedes Opfer zu bringen, um ihn zu stillen“. Es geht also nicht nur um ein momentanes Verlangen oder Gefühl: Sehnsucht ist etwas für die Langstrecke.
Überlegen, was wir wirklich wollen
„Das Zeitalter, in dem wir leben, scheint ein Höchstmaß an Wahlfreiheit zu begünstigen, aber gleichzeitig verkümmert die Sehnsucht, ... die meist auf das Verlangen des Augenblicks reduziert wird... Wir werden mit tausend Vorschlägen, Projekten und Möglichkeiten bombardiert, die uns abzulenken drohen und uns nicht erlauben, in Ruhe zu überlegen, was wir wirklich wollen. So oft finden wir zum Beispiel junge Leute mit dem Handy in der Hand, die suchen, tippen, gucken... - Aber hälst du auch mal inne, um nachzudenken? - Nein... - So kann die Sehnsucht nicht wachsen; du lebst den Moment, verschaffst dir alles immer sofort, so wächst die Sehnsucht nicht.“
Daher der Appell des Papstes: Innehalten, die Sehnsucht wie einen Kompass ausrichten, sich Zeit nehmen für die geistliche Unterscheidung. Das empfahl Franziskus vor allem den Menschen, die - wie er schilderte - nicht so recht wissen, was sie mit ihrem Leben machen sollen und die deswegen zwar häufig jammern oder Wünsche äußern, sich aber zu keinerlei Initiative aufraffen.
Die Frage Jesu an den Blinden
„Wenn der Herr uns heute - irgendjemandem unter uns, jedem von uns - die Frage stellen würde, die er dem Blinden von Jericho stellte: ‚Was willst du, dass ich für dich tue?‘ (Mk 10,51), was würden wir antworten? Vielleicht können wir ihn letztendlich bitten, uns zu helfen, die tiefe Sehnsucht nach ihm zu erkennen, die Gott selbst in unser Herz gelegt hat... Herr, gib uns die Sehnsucht und lass sie wachsen!“
In seinen Grußworten nach seiner Ansprache würdigte Franziskus noch einmal den hl. Johannes XXIII., dessen Gedenktag die Kirche am Dienstag begangen hat. An diesem Dienstag jährte sich auch zum 60. Mal die Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils durch den Roncalli-Papst - ein Anlass, zu dem Franziskus am Dienstag Abend eine Messe im Petersdom gefeiert hat. Grüße vom Papst gab's auch für Pilger, die in diesen Tagen die Marienwallfahrtsorte Fatima (Portugal) und Aparecida (Brasilien) aufsuchen.
(vatican news – sk)
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