Ioan Sauca Ioan Sauca 

Schweiz/Russland: ÖRK-Generalsekretär erklärt Moskau-Besuch

Der amtierende Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), Ioan Sauca, war zusammen mit einer Delegation am 17. Oktober 2022 in Moskau mit Patriarch Kyrill, dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, zusammengetroffen. Das führte zu Kritik. Sauca erläutert nun seine Russlandreise.

Kyrill orientiere sich rhetorisch an Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Kritiker der jüngsten ÖRK-Reise behaupten, Kyrills Stellungnahmen gegen den Krieg seien „nicht entschieden genug“ gewesen. Ioan Sauca versicherte nun, dass die Position des ÖRK klar sei, was die Invasion und Aggression betreffen. „Unsere Position diesbezüglich wurde nicht umgangen, wir haben sie klar festgelegt, als wir uns jetzt mit Patriarch Kyrill trafen (...) Es gab keinen Grund, Worte oder Konzepte zu verbergen oder zu verwässern, die in unseren Erklärungen und in unserer früheren Korrespondenz mit dem Patriarchen enthalten sind. Ich kann verstehen, dass einige Kritiker die Hermeneutik des Verdachts anwenden, aber das ist hier nicht der Fall. Wir sind dorthin gegangen, um einen offenen und ehrlichen Dialog zu erreichen, und das ist es, was wir erreicht haben“, so Sauca.

ÖRK bezeichnet Russland-Invasion in der Ukraine als „Aggression“

Der amtierende Generalsekretär des ÖRK erinnerte daran, dass der Ökumenische Rat unmittelbar nach der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 damit begonnen habe, Erklärungen zu veröffentlichen, dann gab es Erklärungen des Zentralkomitees im Juni und der 11. Vollversammlung in Karlsruhe im September. „Wir haben die Position des ÖRK bezüglich der humanitären Tragödie, die dieser Krieg verursacht, klar zum Ausdruck gebracht, indem wir ihn ausdrücklich als Invasion und Aggression bezeichneten. Es gab nichts Neues oder Verdecktes: Ich habe Patriarch Kyrill und Präsident Putin persönlich zu diesem Thema geschrieben“, so Sauca weiter. Der vollständige Text des Briefes an Patriarch Kyrill von Moskau (2. März 2022, nur in englischer Sprache, Anm. d. Red.) ist auf der ÖRK-Seite abrufbar.

Ein Besuch auf Wunsch des ÖRK-Zentralkomitees

Ioan Sauca, Priester der rumänisch-orthodoxen Kirche und auch Professor für Missionswissenschaft und ökumenische Theologie am Institut de Bossey in der Nähe von Genf, erklärt, warum er nach Moskau reiste, wo er in der Patriarchenresidenz des Sankt-Daniel-Klosters empfangen wurde. „Der Besuch erfolgte auf Anfrage des ÖRK-Zentralkomitees. Er ist Teil einer Reihe von Besuchen, die uns bereits in den Nahen Osten, in den Libanon, nach Syrien, Palästina, Israel, in die Ukraine und nun nach Russland geführt haben. Ziel ist es, durch Begegnungen und Dialoge Bande des Friedens und der Versöhnung zu knüpfen und militärische Konflikte, Kriege und Gewalttaten zu verhindern“, erläutert Sauca.

„Wir sind auf Ersuchen des Zentralkomitees dorthin gereist, um zu versuchen, einen Dialog über die Theologie des Krieges in Gang zu bringen. Andere Stimmen baten um einen dringenden Besuch wegen der Gefahr eines nuklearen Zusammenbruchs. (...) Wir sprachen mit Patriarch Kyrill mehrere Stunden lang, was uns Zeit für ein ausführliches Gespräch ließ. Ich wurde auch von dem Patriarchen in einer Privataudienz empfangen. Ich sprach über die Früchte der 11. Vollversammlung des ÖRK, die im August/September stattfand, die Erklärung zum Krieg in der Ukraine und das letzte Zentralkomitee, das im Juni stattfand. Nichts wurde umgangen oder verschwiegen: Wir haben den Inhalt unserer Erklärungen klar dargelegt und uns ohne Umschweife geäußert (...) Wir sind uns der Situation, in der sich die Kirchen befinden, bewusst, und während wir die ganze Wahrheit sagen, achten wir darauf, die Dinge nicht noch schlimmer zu machen.“

Der Krieg ist nicht das Werk der Kirchen, sondern der Politiker

Patriarch Kyrill erklärte seinerseits, dass der Krieg nicht von den Kirchen, sondern von der Politik verursacht werde und dass es die Aufgabe der Kirchen sei, Frieden zu stiften. „Ich bin noch weiter gegangen und habe ihm zwei Fragen gestellt, die nicht in unseren Erklärungen enthalten sind“, fährt Sauca fort, „aber von einigen Mitgliedskirchen aufgeworfen wurden: 1) Wie ist seine theologische Position zum Krieg in der Ukraine, da er den Eindruck erweckt, ihn als ,heiligen Krieg´ zu unterstützen? 2) Wie erklärt er die Verwendung des Begriffs ,metaphysischer Krieg´ im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine? Patriarch Kyrill sagte, dass der Krieg nicht von den Kirchen, sondern von der Politik geführt werde und dass die Rolle der Kirchen darin bestehe, Frieden zu stiften. Er sagte, er glaube nicht, dass eine Kirche oder ein Christ eine Position haben könne, die Kriege und Mord unterstützt, und dass die Kirchen dazu berufen seien, Friedensstifter zu sein und das Leben zu verteidigen und zu schützen. ,Krieg kann nicht heilig sein (...) Aber wenn man sich und sein Leben verteidigen muss oder sein Leben für das Leben anderer geben muss, sind die Dinge anders´, sagte das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche“, so die Erläuterung des ÖRK-Leiters.

„Abschließend möchte ich sagen, dass wir unsere Arbeit getan haben“, bekräftigt Sauca. „Wir haben Patriarch Kyrill besucht und mit ihm diskutiert. Wir haben einen Dialog begonnen und festgestellt, dass auf russischer Seite der Wunsch besteht, diesen fortzusetzen. Meiner Meinung nach haben wir die Mission erfüllt, die uns das Zentralkomitee anvertraut hatte.“

Bei seinem Besuch in Moskau wurde Ioan Sauca von Pastor Benjamin Simon, dem Programmbeauftragten des ÖRK für die Beziehungen zu den Kirchen, und von Vater Michail Gundyaev, dem Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche beim ÖRK, begleitet. Der Beauftragte für Kirchenbeziehungen wird den Dialog weiterhin verfolgen und die Besuche im Zusammenhang mit dem Antrag der Kirche der Ukraine auf Aufnahme in den ÖRK vorbereiten. Pastor Benjamin Simon, der in Bossey lehrt, wurde ebenfalls beauftragt, dafür zu sorgen, dass das Institut weiterhin russische Studierende aufnimmt.

(cath.ch – mg)

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31. Oktober 2022, 15:28