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Wortlaut: Papst Franziskus bei seiner Generalaudienz

Hier finden Sie die Ansprache, die Papst Franziskus an diesem Mittwoch bei seiner Generalaudienz gehalten hat, in einer Arbeitsübersetzung von Radio Vatikan.

Alle Wortmeldungen des Papstes in ihrer amtlichen deutschen Fassung werden auf der Internetseite des Vatikan publiziert.

„Liebe Brüder und Schwestern, guten Morgen! ...

Vor drei Tagen bin ich von meiner Reise in das Königreich Bahrain zurückgekehrt... Ich möchte all jenen danken, die diesen Besuch mit dem Gebet begleitet haben, und ich möchte Seiner Majestät dem König, den anderen Behörden, der örtlichen Kirche und der Bevölkerung meinen Dank für die herzliche Aufnahme aussprechen. Und ich will auch den Organisatoren der Reise danken… Das ist eine enorme Arbeit – ich will allen danken, die so viel dafür tun, dass eine Papstreise gelingt!

Es stellt sich die Frage: Warum wollte der Papst dieses kleine Land mit einer sehr großen islamischen Mehrheit besuchen? … Ich möchte diese Frage mit drei Worten beantworten: Dialog, Begegnung und gemeinsame Wegstrecke.

Dialog, Begegnung und gemeinsame Wegstrecke

Dialog: Den Anlass für die lang ersehnte Reise bot die Einladung des Königs zu einem Forum über den Dialog zwischen Ost und West. Ein Dialog, der dazu dient, den Reichtum derjenigen zu entdecken, die anderen Völkern, anderen Traditionen, anderen Glaubensrichtungen angehören. Bahrain, ein Archipel, das aus vielen Inseln besteht, hat uns geholfen zu verstehen, dass man nicht in Isolation leben darf, sondern dass man sich einander annähern muss… Die Sache des Friedens erfordert den Dialog, und er ist ‚der Sauerstoff des Friedens‘ – vergesst das nicht...

Vor fast sechzig Jahren erklärte das Zweite Vatikanische Konzil, als es vom Aufbau des Friedens sprach: ‚Dies verlangt heute sicher von ihnen (d.h. den Menschen), dass sie mit Geist und Herz über die Grenzen ihrer eigenen Nation hinausschauen, dass sie auf nationalen Egoismus und den Ehrgeiz, andere Nationen zu beherrschen, verzichten, dass sie eine tiefe Ehrfurcht empfinden für die ganze Menschheit, die sich so mühsam schon auf eine größere Einheit hinbewegt‘ (Gaudium et spes, 82). Das sagt das Konzil.

„Konflikte werden nicht durch Krieg gelöst“

In Bahrain spürte ich diese Notwendigkeit und hoffte darauf, dass die religiösen und zivilen Führer in der ganzen Welt in der Lage sein würden, über ihre eigenen Grenzen und Gemeinschaften hinauszuschauen, um sich um das Ganze zu kümmern. Nur so können wir bestimmte universelle Themen angehen, wie die Gottvergessenheit, die Tragödie des Hungers, die Bewahrung der Schöpfung und den Frieden… In diesem Sinne rief das Dialogforum mit dem Titel ‚Ost und West für ein menschliches Zusammenleben‘ dazu auf, den Weg der Begegnung zu wählen und den der Konfrontation abzulehnen. Wie sehr wir das brauchen! Wie sehr brauchen wir die Begegnung! Ich denke an den irrsinnigen – irrsinnigen! – Krieg in der gepeinigten Ukraine und an so viele andere Konflikte, die niemals durch die kindische Logik der Waffen, sondern nur durch die milde Kraft des Dialogs gelöst werden können.

 

Aber auch einmal von der gepeinigten Ukraine abgesehen, denken wir an andere Kriege – zum Beispiel seit zehn Jahren in Syrien! Denken wir an die Kinder im Jemen! Denken wir an Myanmar! Die Ukraine liegt uns am nächsten… Aber was tun Kriege? Sie zerstören! Sie zerstören alles! … Konflikte werden nicht durch Krieg gelöst.

„Die Reise nach Bahrain sollte nicht als isolierte Episode betrachtet werden“

Aber es kann keinen Dialog geben ohne - zweites Wort - Begegnung… In Bahrain haben wir uns getroffen, und ich habe mehrfach den Wunsch vernommen, dass es mehr Begegnungen zwischen Christen und Muslimen geben sollte, dass stärkere Beziehungen aufgebaut werden sollten, dass wir uns gegenseitig mehr zu Herzen nehmen sollten. In Bahrain legt man - wie es im Osten üblich ist - zur Begrüßung die Hand ans Herz… Ich habe es auch getan, um in mir Raum für die Menschen zu schaffen, denen ich begegnet bin. Denn ohne Begrüßung bleibt der Dialog leer, scheinbar, er bleibt eine Sache der Ideen und nicht der Realität. Unter den vielen Begegnungen denke ich an die mit meinem lieben Bruder, dem Großimam von Al-Azhar, und an die mit den Jugendlichen der ‚Sacred Heart School‘, die uns eine große Lektion erteilt haben: gemeinsam lernen, Christen und Muslime. Als junge Menschen, als Kinder, müssen wir uns kennenlernen, damit die geschwisterliche Begegnung ideologische Spaltungen verhindert… Aber auch die Ältesten haben ein Zeugnis geschwisterlicher Weisheit abgelegt: Ich denke an das Treffen mit dem Ältestenrat der Muslime, einer vor einigen Jahren gegründeten internationalen Organisation, die gute Beziehungen zwischen den islamischen Gemeinschaften unter dem Banner von Respekt, Mäßigung und Frieden fördert und sich gegen Fundamentalismus und Gewalt wendet.

Das bringt uns zum dritten Wort: Wegstrecke. Die Reise nach Bahrain sollte nicht als isolierte Episode betrachtet werden, sondern ist Teil einer Wegstrecke, die Johannes Paul II. mit seiner Reise nach Marokko eingeleitet hat. Der erste Besuch eines Papstes in Bahrain stellt somit einen neuen Schritt auf dem Weg zwischen christlichen und muslimischen Gläubigen dar: Es geht nicht darum, den Glauben zu verwirren oder zu verwässern, nein!..., sondern um geschwisterliche Bündnisse im Namen unseres Vaters Abraham zu schließen, der unter dem barmherzigen Blick des einen Gottes des Himmels, des Gottes des Friedens, auf der Erde pilgerte. Deshalb lautete das Motto der Reise: ‚Friede auf Erden den Menschen guten Willens‘…

„Wir sollten uns alle aufgerufen fühlen, unseren Horizont zu erweitern und uns zu öffnen“

Dialog, Begegnung und gemeinsame Wegstrecke in Bahrain fanden auch unter Christen statt: Das erste Treffen war ökumenisch, ein Gebet für den Frieden, mit dem lieben Patriarchen und Bruder Bartholomäus und mit Brüdern und Schwestern verschiedener Konfessionen und Riten. Sie fand in der Kathedrale statt, die Unserer Lieben Frau von Arabien geweiht ist und deren Struktur an ein Zelt erinnert, das Zelt, in dem Gott laut der Bibel Moses in der Wüste auf dem Weg begegnete. Die Brüder und Schwestern im Glauben, denen ich in Bahrain begegnet bin, leben wirklich ‚auf dem Weg‘: Sie sind meist Wanderarbeiter, die fern der Heimat ihre Wurzeln im Volk Gottes und ihre Familie in der großen Familie der Kirche finden. Und sie gehen mit Freude voran, in der Gewissheit, dass die Hoffnung auf Gott nicht enttäuscht (vgl. Röm 5,5)… Durch die Begegnung mit den Pfarrern, den geweihten Männern und Frauen, den pastoralen Mitarbeitern und in der festlichen und bewegenden Messe im Stadion mit so vielen Gläubigen, auch aus anderen Ländern der Golfregion, habe ich ihnen die Zuneigung der ganzen Kirche vermittelt…

Und heute möchte ich Ihnen ihre echte, einfache und schöne Freude vermitteln. Als wir uns trafen und gemeinsam beteten, spürten wir, dass wir ein Herz und eine Seele waren. Wenn wir an ihren Weg und ihre tägliche Erfahrung des Dialogs denken, sollten wir uns alle aufgerufen fühlen, unseren Horizont zu erweitern…, uns zu öffnen und unsere Interessen zu vertiefen, uns dem Wissen der anderen zu widmen… Denn der Weg der Geschwisterlichkeit und des Friedens braucht, um weiterzugehen, jeden und jede Einzelne… Möge die Gottesmutter uns dabei helfen! Danke.

(vatican news – sk)

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09. November 2022, 09:29