Angelus: Die Ansprache im Wortlaut
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag und einen schönen Sonntag!
Heute, am zweiten Adventssonntag, stellt uns das Tagesevangelium Johannes den Täufer vor. Im Text heißt es, dass er „ein Gewand aus Kamelhaaren trug“, dass „Heuschrecken und wilder Honig seine Nahrung waren“ (Mt 3,4) und er alle zur Umkehr aufforderte: „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe“ (V. 2), hat er gesagt. Er hat die Nähe gepredigt. Er war ein strenger und radikaler Mann, der auf den ersten Blick vielleicht schroff wirken, ja sogar Angst einflößen konnte. Wir fragen uns also: Warum schlägt ihn uns die Kirche jedes Jahr als Hauptbegleiter in der Adventszeit, in dieser Adventszeit vor? Was verbirgt sich hinter seiner Strenge, seiner scheinbaren Härte? Was ist das Geheimnis des Johannes? Was ist die Botschaft, die uns die Kirche heute mit Johannes vermittelt?
Die Gefahr der Heuchelei
In Wahrheit ist der Täufer nicht wirklich schroff, sondern nur einer, der allergisch gegen die Falschheit vorgeht. Aufgepasst: allergisch gegen die Falschheit. Als sich ihm zum Beispiel Pharisäer und Sadduzäer nähern, die für ihre Heuchelei bekannt sind, reagiert er fast schon „allergisch“ auf sie! Einige von ihnen kamen wahrscheinlich aus Neugierde oder Opportunismus, weil Johannes so populär geworden war. Die Pharisäer und Sadduzäer waren von sich überzeugt und rechtfertigten sich angesichts des schonungslosen Appells des Täufers mit der Aussage: „Wir haben Abraham zum Vater“ (V. 9). So haben sie es in ihrer Falschheit und Anmaßung verpasst, die Gelegenheit der Gnade zu ergreifen, die Chance, ein neues Leben zu beginnen: sie haben sich abgeschottet hinter der Anmaßung, im Recht zu sein. Und so sagt Johannes zu ihnen: „Bringt Frucht hervor, die eure Umkehr zeigt!“ (v. 8). Es ist ein Schrei der Liebe, wie der eines Vaters, der sieht, wie sich ein Sohn ruiniert und ihm sagt: „Wirf dein Leben nicht weg!“ In der Tat ist die Heuchelei die größte Gefahr, denn sie kann selbst die heiligsten Realitäten zerstören.
Die Heuchelei ist eine große Gefahr. Deshalb ist der Täufer – wie dann auch Jesus – auch so hart zu den Heuchlern: so ermahnt Jesus ja zum Beispiel auch in Kapitel 23 des Matthäusevangeliums die Heuchler seiner Zeit. Und warum ist Jesus, und auch Johannes der Täufer, zu ihnen so hart? Um sie aufzurütteln. Und jene, die sich als Sünder fühlten, zogen „zu ihm hinaus, bekannten ihre Sünden und ließen sich im Jordan von ihm taufen“ (V. 5). Um Gott zu empfangen, kommt es nämlich nicht auf das Können an, sondern auf die Demut. Das ist der Weg, um Gott zu empfangen, nicht unsere Leistung: "Wir sind stark, wir sind ein starkes Volk" - nein, Demut: "Ich bin ein Sünder". Und nicht auf abstrakte Weise, wir dürfen nicht sagen: "ich habe dieses oder jenes getan" - nein: jeder von uns muss sich zuerst seine Sünden eingestehen, dann seine Versäumnisse und seine Heuchelei. Man muss von seinem Podest heruntersteigen und in das Wasser der Reue eintauchen.
Liebe Brüder und Schwestern, mit seinen „allergischen Reaktionen“ gibt uns Johannes zu denken. Sind nicht auch wir manchmal ein bisschen wie diese Pharisäer? Vielleicht schauen wir auf andere herab und denken, dass wir besser sind als sie, dass wir unser Leben im Griff haben und Gott, die Kirche, unsere Brüder und Schwestern nicht brauchen. Und wir vergessen, dass es nur in einem Fall legitim ist, auf andere herabzublicken: wenn es notwendig ist, ihnen aufzuhelfen. Das ist der einzige Fall, in allen anderen Fällen ist es nie legitim, auf anderer herabzublicken. Vielleicht meinen wir, besser zu sein als andere, die Kirche nicht jeden Tag zu brauchen. Der Advent ist eine Zeit der Gnade, in der wir unsere Masken ablegen - jeder von uns trägt Masken - und uns in die Riege der Demütigen einreihen. Eine Zeit, in der wir uns von der Anmaßung befreien, uns selbst zu genügen, unsere Sünden - die verborgenen - bekennen und Gottes Vergebung empfangen – und uns bei denen entschuldigen, die wir gekränkt haben. So beginnt ein neues Leben. Und es gibt nur einen Weg: den der Demut. Und dazu müssen wir uns von dem Gefühl der Überlegenheit, des Formalismus und der Heuchelei befreien, in den anderen Brüder und Schwestern sehen, Sünder wie wir – und in Jesus den Retter, der für uns kommt - nicht für die anderen, für uns -: so wie wir sind, mit unserer Armut, unserem Elend und unseren Fehlern, vor allem aber mit unserer Bedürftigkeit danach, aufgehoben, vergeben und gerettet zu werden.
Mit Jesus gibt es immer einen Neuanfang
Und noch etwas sollten wir bedenken: Mit Jesus gibt es immer die Chance für einen Neuanfang. Es ist nie zu spät, es gibt immer die Möglichkeit, wieder von vorn anzufangen. Nehmt euren Mut zusammen. Der Herr ist nah, und diese Zeit ist die Zeit der Umkehr. Da könnte man sagen: "Ich befinde mich in dieser bestimmten Lage, ich habe da dieses Problem, und ich schäme mich dafür". Aber Jesus ist an deiner Seite, fang wieder von vorn an, es gibt immer die Möglichkeit, einen Schritt weiterzukommen! Der Herr wartet auf uns, und er wird unser nicht müde. Auch wenn wir noch so anstrengend sind, er wird unser nicht müde! Hören wir den Appell des Johannes, zu Gott zurückzukehren, und lassen wir diesen Advent nicht wie die Tage des Kalenders vergehen, denn er ist eine Zeit der Gnade, der Gnade auch für uns, jetzt und hier! Maria, die demütige Dienerin des Herrn, helfe uns, Jesus und unseren Brüdern und Schwestern auf dem Weg der Demut zu begegnen, der der einzige Weg ist, auf dem wir vorankommen.
(vaticannews - skr)
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