Hoffnung, die letzte? Hoffnung, die letzte? 

Nuntius im Südsudan: Wenn nicht der Papst, wer dann?

Der Dauerkonflikt Im Südsudan hat die Bevölkerung ausgezehrt. In diesem Kontext setzen die Südsudanesen in den Papstbesuch ihre fast letzte Hoffnung, berichtet der Nuntius des Südsudan im Interview mit Radio Vatikan. Er spricht von großer Not und mannigfachen Problemen. Aber auch von einer Kirche, die bleibt. Und von politischen Führern, an denen Franziskus‘ Friedensappelle nicht spurlos vorübergegangen sind.

Anne Preckel und Gudrun Sailer - Vatikanstadt

Erzbischof Hubertus Matheus Maria van Megen ist gebürtiger Niederländer und spricht fließend Deutsch. Der für den Südsudan und für Kenia zuständige Vatikanvertreter residiert in Nairobi, wo wir ihn am Donnerstagnachmittag telefonisch erreichten. Zu den Erwartungen an den Papstbesuch im Südsudan, der kommende Woche stattfindet, sagte uns der Diplomat:

„Die Leute sind erschöpft, die Menschen sind müde nach all diese Jahren. Es gibt mehrere Generationen, die eigentlich gar nicht wissen, was Frieden ist. Das Volk kennt eigentlich seit den 1960er Jahren nur Krieg - 60 Jahre Krieg und Konflikt. Die Menschen hoffen, dass die politischen Führer mit dem Papstbesuch in diesem Staat zur Sache kommen und sagen: ,Wir setzen uns jetzt hin und reden und stellen uns wirklich in den Dienst dieses Volkes, damit es zu Frieden und Gerechtigkeit kommt‘. Die Leute haben beinahe alle Hoffnung verloren. Eigentlich ist Papst beinahe ihre letzte Hoffnung. Und wenn er es nicht tun kann, wer dann? - fragen sie sich.“

„Eigentlich ist Papst beinahe ihre letzte Hoffnung. Und wenn er es nicht tun kann, wer dann?“

Papst Franziskus hatte die politischen Führer des Südsudan bei einem Treffen im Vatikan im April 2019 eindringlich zu Dialog aufgerufen und sie buchstäblich um Frieden bekniet und ihnen die Füße geküsst. Es war eine unerhörte, bewegende Geste jenseits der üblichen Gepflogenheiten. Sie sei auch an ihren Adressaten nicht spurlos vorbeigegangen, sagte der Nuntius des Südsudan jetzt im Interview mit Radio Vatikan.

Nuntius Hubertus van Megen
Nuntius Hubertus van Megen
Hier unser Radio-Interview mit dem Nuntius in Südsudan, Hubertus van Megen, in voller Länger

„Salva Kiir hat auch gesagt, er möchte nicht mehr in den Krieg ziehen. So hat er es mir noch vor fünf, sechs Wochen gesagt: Ich gehe nie mehr in den Krieg, ich möchte nicht mehr, dass mein Volk so leidet.“

„In meinen Gesprächen mit Präsident Salva Kiir und dann auch mit Riek Machar und den anderen Vizepräsidenten kommt man öfter auf diese Geste des Papstes von 2019 zurück. Und ich weiß noch genau, wie Präsident Salva Kiir mir einmal gesagt hat: Diese Geste von Papst Franziskus ist ein Segen, aber auch ein Fluch. In dem Sinne: Machen wir jetzt, was der Papst möchte und bemühen wir uns um Frieden und Gerechtigkeit, dann wird das ein Segen. Folgen wir nicht die Worte des Papstes, dann wird es zum Fluch. Und das ist auch ein bisschen so die Erwartung bei den Leuten. Inwieweit sich das jetzt wirklich realisiert hat, ist eine ganz andere Frage. Aber man könnte sagen, dass es seit 2019 keinen größeren Krieg mehr im Lande gegeben hat. Salva Kiir hat auch gesagt, er möchte nicht mehr in den Krieg ziehen. So hat er es mir noch vor fünf, sechs Wochen gesagt: Ich gehe nie mehr in den Krieg, ich möchte nicht mehr, dass mein Volk so leidet.“

Alltag in Juba
Alltag in Juba

Weiter viele kleinere Konflikte

Was aber nicht bedeute, dass der Südsudan nun befriedet sei, stellt Erzbischof van Megen klar. In verschiedenen Landesteilen gebe es aktuell Konflikte zwischen Stämmen, an denen verschiedene politische Fraktionen beteiligt seien. Deshalb sei es „auch sehr wichtig, dass der Papst kommt, damit es wirklich zu einem stabilen Frieden im Lande kommt“.

Neben dem so nötigen Frieden fehlen im Land Schulen, Krankenhäuser und überhaupt eine Infrastruktur, um in dem noch jungen Staat so etwas wie ein „normales“ Leben aufbauen zu können. Hauptakteure im Bildungs- und Gesundheitsbereich im Südsudan sei die katholische Kirche mit vielen Ordensleuten, die versuchen, die Not der Menschen zu lindern. Leicht sei diese Arbeit keinesfalls, erinnert der Nuntius.

„So muss auch die Kirche, wie die Südsudanesen selber, immer wieder neu und von vorne anfangen. Aber sie lässt die Menschen nicht allein.“

„Die katholische Kirche war auch im Südsudan schon immer sehr aktiv im Bereich der Bildung und Gesundheit. Allerdings darf man auch nicht vergessen, dass durch den Krieg und die Konflikte vieles, was durch die Kirche in den Jahren aufgebaut wurde, auch wieder zerstört wurde. Das ist auch eine der Tragödien auch für die Kirche im Südsudan, dass durch diese jahrelange Instabilität es auch für die Kirche manchmal sehr schwierig ist, wirklich etwas aufzubauen. So muss auch die Kirche, wie die Südsudanesen selber, immer wieder neu und von vorne anfangen. Wenn das nicht so wäre, wäre man wahrscheinlich schon viel weiter gewesen in der Entwicklung des Landes. Aber die Kirche, die Missionare und Ordensschwestern, geben nicht auf und bleiben bei den Leuten, sind bereit, diese Herausforderungen zu durchleben und zu sagen: ,Wir lassen euch nicht alleine‘. Das ist die Stärke unserer Kirche, die Stärke Christi.“

In dem Interview geht Nuntius van Megen auch auf die Genese der Konflikte im (Süd-)Sudan seit der Unabhängigkeit von England im Jahr 1958 und die Entwicklung seit 2011 ein. Zudem bewertet er die ökumenische Tragweite der Papstreise und spricht über die hoch bedeutsame Rolle der Kirche(n) im Südsudan.  

(vatican news)

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27. Januar 2023, 14:18