Angelus Angelus 

Wortlaut: Papst Franziskus beim Angelus am 8. Januar

Wir dokumentieren an dieser Stelle den Wortlaut der Katechese, die Papst Franziskus an diesem Sonntag zum Mittagsgebet gehalten hat. Auf www.vatican.va finden Sie in Kürze diese und andere Texte des Papstes nebst spontaner Einfügungen in den verschiedenen offiziellen Übersetzungen.

Liebe Brüder und Schwestern, guten Morgen! 

Heute feiern wir das Fest der Taufe des Herrn, und das Evangelium stellt uns eine erstaunliche Szene vor: Es ist das erste Mal, dass Jesus nach seinem verborgenen Leben in Nazareth in der Öffentlichkeit auftritt; er kommt an das Ufer des Jordan, um sich von Johannes taufen zu lassen (Mt 3,13-17). Ein liturgischer Hymnus besagt, dass die Täuflinge "mit nackter Seele und nackten Füßen", d. h. in Demut und mit offenem Herzen, zur Taufe gingen. Aber wenn man sieht, wie Jesus sich unter die Sünder mischt, ist man erstaunt und fragt sich: Warum hat er, der Heilige Gottes, der sündenfreie Sohn Gottes, diese Wahl getroffen? Die Antwort finden wir in den Worten Jesu an Johannes: "Lass es nur zu! Denn so können wir die Gerechtigkeit ganz erfüllen." (V. 15). Die Erfüllung aller Gerechtigkeit: Was bedeutet das?

Indem wir getauft werden, offenbart uns Jesus die Gerechtigkeit Gottes, die er in die Welt gebracht hat. Wir haben oft eine enge Vorstellung von Gerechtigkeit und denken, dass sie bedeutet: Wer Unrecht tut, zahlt und kommt so für das Unrecht auf, das er getan hat. Aber Gottes Gerechtigkeit ist, wie die Heilige Schrift lehrt, viel größer: Sie hat nicht die Verurteilung des Schuldigen zum Ziel, sondern seine Rettung und Wiedergeburt, die ihn gerecht macht. Es ist eine Gerechtigkeit, die aus der Liebe kommt, aus dem Inneren des Mitgefühls und der Barmherzigkeit, die das Herz Gottes sind, des Vaters, der bewegt ist, wenn wir vom Bösen bedrängt werden und unter der Last der Sünde und der Schwäche zusammenbrechen. Gottes Gerechtigkeit will also nicht Strafen und Züchtigungen verteilen, sondern besteht, wie der Apostel Paulus sagt, darin, uns zu seinen Kindern zu machen (vgl. Röm 3,22-31), uns aus den Schlingen des Bösen zu befreien, uns zu heilen, uns aufzurichten. Stets ist der Herr nicht so, um uns zu bestrafen, sondern mit ausgestreckter Hand um uns zu helfen, aufzustehen. Und so verstehen wir, dass Jesus uns an den Ufern des Jordans den Sinn seiner Sendung offenbart: Er ist gekommen, um die göttliche Gerechtigkeit zu erfüllen, die darin besteht, die Sünder zu retten; er ist gekommen, um die Sünde der Welt auf seine Schultern zu nehmen und in die Wasser des Abgrunds, des Todes, hinabzusteigen, um uns zu retten und nicht zu ertränken. Er zeigt uns, dass Gottes wahre Gerechtigkeit die Barmherzigkeit ist, die rettet, die Liebe, die unser menschliches Dasein teilt, die sich unserem Schmerz annähert, die in unsere Dunkelheit eindringt, um Licht zu bringen.

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Benedikt XVI. hat bekräftigt, dass "Gott uns retten wollte, indem er selbst bis hinein in den Abgrund des Todes stieg, damit jeder Mensch, auch jener, der so tief gefallen ist, daß er den Himmel nicht mehr sieht, die Hand Gottes finde, um sich an ihr festzuklammern und wieder aus der Finsternis hinaufzusteigen, um erneut das Licht zu sehen, für das er geschaffen ist" (Predigt, 13. Januar 2008). 

Brüder und Schwestern, wir haben Angst, an eine derart barmherzige Gerechtigkeit zu denken... Gehen wir voran. Gott ist Barmherzigkeit. Seine Gerechtigkeit ist barmherzig. Lassen wir uns von ihm an der Hand nehmen, auch wir, die Jünger Jesu, sind aufgerufen, in unseren Beziehungen zu den anderen, in der Kirche, in der Gesellschaft, auf diese Weise Gerechtigkeit walten zu lassen: nicht mit der Härte derer, die urteilen und verurteilen, indem sie die Menschen in Gut und Böse einteilen, sondern mit der Barmherzigkeit derer, die aufnehmen, indem sie die Wunden und Schwächen unserer Schwestern und Brüder teilen, um sie aufzurichten. 

Ich möchte es so ausdrücken: nicht spalten, sondern teilen. Spalten wir nicht, sondern teilen wir. Machen wir es wie Jesus: Teilen wir, tragen wir die Last des anderen, statt zu schwätzen oder zu zerstören, sehen wir einander mit Mitgefühl an, helfen wir einander. Wir sollten uns fragen: Bin ich ein Mensch, der spaltet, oder ein Mensch, der teilt? Denken wir darüber nach. Bin ich ein Jünger der Liebe Jesu oder ein Jünger des Geschwätzes, der spaltet und spaltet? Aber das Geschwätz ist eine tödliche Waffe: es tötet, es tötet die Liebe, es tötet die Gesellschaft, es tötet die Geschwisterlichkeit. Fragen wir uns: Bin ich ein Mensch, der spaltet, oder ein Mensch, der teilt? Und nun lasst uns zur Gottesmutter beten, die Jesus geboren hat und ihn in unsere Schwachheit eintauchen ließ, damit wir das Leben wieder empfangen.

(vatican news - gs)

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08. Januar 2023, 12:22