Wortlaut: Papst Franziskus bei seiner Generalaudienz
Sämtliche Wortmeldungen des Papstes in ihrer amtlichen Fassung werden auf der Internetseite des Vatikan veröffentlicht.
Liebe Brüder und Schwestern, guten Morgen!
Letzten Mittwoch haben wir über Jesus als Vorbild für die Verkündigung nachgedacht, über sein pastorales Herz, das immer auf die anderen zugeht. Heute betrachten wir ihn als den Meister der Verkündigung. (... ) Lassen wir uns von der Episode leiten, in der er in der Synagoge seines Dorfes Nazareth predigt. Jesus liest einen Abschnitt aus dem Propheten Jesaja (vgl. 61,1-2) und überrascht dann alle mit einer sehr kurzen „Predigt“, die aus einem einzigen Satz besteht - einem einzigen Satz. Er sagt: ‚Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt‘ (Lk 4,21) (...) Das bedeutet, dass dieser prophetische Abschnitt für Jesus die Essenz dessen enthält, was er von sich selbst sagen will. Deshalb sollten wir, wann immer wir über Jesus sprechen, dieser seiner ersten Ankündigung nachgehen. Schauen wir uns also an, woraus diese erste Verkündigung besteht. Es lassen sich fünf wesentliche Elemente identifizieren.
Das erste Element ist die Freude. Jesus verkündet: ‚Der Geist des Herrn ruht auf mir; [...] er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe‘ (V. 18). (...) Frohe Botschaft: Man kann nicht ohne Freude von Jesus sprechen, denn der Glaube ist eine wunderbare Liebesgeschichte, die es zu erzählen gilt. Jesus zu bezeugen, in seinem Namen etwas für andere zu tun – damit danken wir durch unser Leben dafür, ein so schönes Geschenk erhalten zu haben, dass keine Worte ausreichen, um es auszudrücken. Wenn aber die Freude fehlt, kommt das Evangelium nicht rüber, denn es ist - das Wort selbst sagt es - eine ‚gute Verkündigung‘, eine Verkündigung der Freude. Ein trauriger Christ kann von schönen Dingen sprechen, aber es ist alles umsonst, wenn die Verkündigung, die er leistet, nicht freudig ist. Ein Denker sagte mal: Ein Christ, der traurig ist, ist ein trauriger Christ. Vergessen wir das nicht!
Kommen wir nun zum zweiten Aspekt: der Befreiung. Jesus sagt, er sei gesandt worden, ‚damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde‘ (ebd.). Das bedeutet, dass derjenige, der Gott verkündet, keinen Proselytismus betreiben, keinen Druck auf andere ausüben darf, sondern ihnen Lasten abnehmen soll: keine Lasten auferlegen, sondern Lasten abnehmen; Frieden bringen, nicht Schuldgefühle wecken. Natürlich bringt die Nachfolge Jesu Askese und Opfer mit sich, denn wenn jede gute Sache dies erfordert, wie viel mehr die entscheidende Realität des Lebens! Aber diejenigen, die von Christus Zeugnis ablegen, zeigen die Schönheit des Ziels und nicht so sehr die Härte des Weges. Wenn wir jemandem zum Beispiel von einer schönen Reise erzählen, die wir unternommen haben, dann sprechen wir doch von der Schönheit der Orte, von dem, was wir gesehen und erlebt haben, und nicht von der Zeit, um dorthin zu gelangen, und den Warteschlangen am Flughafen, nein! Jede Verkündigung, die des Erlösers würdig ist, muss also Befreiung vermitteln. (...)
Dritter Aspekt: das Licht. Jesus sagt, er sei gekommen, um ‚den Blinden das Augenlicht‘ zu bringen (ebd.). Es ist auffällig, dass in der gesamten Bibel vor Christus die Heilung eines Blinden nicht vorkommt - nie. Es war tatsächlich ein verheißenes Zeichen, das mit dem Messias kommen würde. Aber hier geht es nicht nur um das physische Sehen, sondern um ein Licht, das einen das Leben auf eine neue Weise sehen lässt... Es gibt ein ‚ans Licht kommen‘, eine Wiedergeburt, die nur mit Jesus geschieht. Wenn wir darüber nachdenken, so hat das christliche Leben für uns so begonnen: mit der Taufe, die in der Antike als ‚Erleuchtung‘ bezeichnet wurde. Und welches Licht schenkt uns Jesus? Er bringt uns das Licht der Kindschaft: Er ist der geliebte Sohn des Vaters, der ewig lebt; mit ihm sind auch wir Kinder Gottes, die ewig geliebt werden, trotz unserer Fehler und Mängel. Dann ist das Leben nicht mehr ein blindes Voranschreiten ins Nichts, nein, es ist keine Frage des Glücks oder des Schicksals, nein, es hängt nicht vom Zufall oder den Sternen ab, nein, auch nicht von der Gesundheit und den Finanzen, nein - sondern das Leben hängt ab von der Liebe des Vaters, der sich um uns, seine geliebten Kinder, kümmert. Wie wunderbar, dieses Licht mit anderen zu teilen! Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, dass das Leben eines jeden von uns ... eine Geste der Liebe, eine Einladung der Liebe ist? ... Oft vergessen wir das..., auch wegen der Weltlichkeit - und das ist hässlich...
Vierter Aspekt der Verkündigung: Heilung. Jesus sagt, er sei gekommen, ‚damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze‘ (ebd.). Die Zerschlagenen sind diejenigen, die sich von irgendetwas in ihrem Leben erdrückt fühlen: von Krankheiten, Lasten, Herzensangelegenheiten, Schuld, Fehlern, Lastern, Sünden... Denken wir allein an die Schuldgefühle: Wie viele von uns haben darunter gelitten! (... Was uns vor allem bedrückt, ist jenes Übel, das keine Medizin und kein menschliches Mittel heilen kann: die Sünde... Aber die gute Nachricht ist, dass mit Jesus das alte Böse, das unbesiegbar schien, nicht mehr das letzte Wort hat. Ich kann sündigen, weil ich schwach bin - jeder von uns. Aber das ist nicht das letzte Wort. Das letzte Wort ist die Hand Jesu, die dich wieder aufrichtet aus der Sünde... Von der Sünde heilt uns Jesus immer ... und unentgeltlich. Er lädt alle, die ‚mühselig und beladen‘ sind, ein, zu ihm zu kommen (vgl. Mt 11,28), wie das Evangelium sagt. Jemanden zur Begegnung mit Jesus zu führen, bedeutet also, ihn zum Arzt des Herzens zu bringen, der sein Leben wiederaufrichtet. Es geht darum, zu sagen: ‚Bruder, Schwester, ich habe keine Antworten auf so viele deiner Probleme, aber Jesus kennt dich und liebt dich, er kann dich heilen und dein Herz erleichtern‘. Hingehen und sie bei Jesus lassen! Wer Lasten zu tragen hat, braucht ein verständnisvolles Streicheln über die Vergangenheit..., braucht Vergebung. Und wer an Jesus glaubt, kann anderen genau das geben: die Kraft der Vergebung , die die Seele von aller Schuld befreit. Brüder, Schwestern, nicht vergessen: Gott vergisst alles! ... Er vergisst all unsere Sünden! Dafür hat er kein Gedächtnis... Und das ist schön! Jesus wartet auf uns, um uns zu vergeben und zu heilen. Und wie oft? Immer! ... Die Bibel spricht von einem Jahr, in dem man von der Last der Schulden befreit wurde: dem Jubeljahr, dem Gnadenjahr. Das ist der letzte Punkt der Verkündigung.
Jesus sagt nämlich, er sei gekommen, damit er ‚ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe‘ (Lk 4,19). Es war kein geplantes Jubeljahr...; vielmehr kommt mit Christus die Gnade, die das Leben neu macht, immer wieder, und sie erstaunt immer wieder. Christus ist das Jubeljahr jedes Tages, jeder Stunde...! Und das Verkünden Jesu muss immer das Staunen über die Gnade mit sich bringen... Denn nicht wir sind es, die Großes tun, sondern die Gnade des Herrn, die auch durch uns unvorhersehbare Dinge vollbringt. Und das sind die Überraschungen Gottes... Das Evangelium wird von einem Gefühl des Staunens und der Neuheit begleitet, das einen Namen hat: Jesus. Möge er uns helfen, es so zu verkünden, wie er es wünscht, indem wir Freude, Befreiung, Licht, Heilung und Wunder und Staunen vermitteln. So verkündet man Jesus!
Und noch etwas: Diese frohe Botschaft, so sagt das Evangelium, ist an die ‚Armen‘ gerichtet (vgl. V. 18). Wir vergessen sie oft, dabei sind sie die von Jesus ausdrücklich genannten Empfänger, denn sie sind die Lieblinge Gottes. Erinnern wir uns an sie, und erinnern wir uns daran, dass jeder von uns, um den Herrn zu empfangen, ‚innerlich arm‘ werden muss...: er muss jeden Anspruch auf Selbstgenügsamkeit fahrenlassen, um sich als der Gnade bedürftig, als immer auf ihn angewiesen zu verstehen. Wenn jemand mich fragt: Padre, was ist der kürzeste Weg, um Jesus zu treffen? - Werde bedürftig! Der Gnade, der Vergebung bedürftig. Und er wird sich dir nähern. Danke!
(vatican news - sk)
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