Papst ruft Südsudan zu konkreten Taten „für Nächstenliebe und Einheit"
Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt
Der Ort des gemeinsamen Friedens-Gebets war symbolträchtig: Das „John Garang" Mausoleum ist die Grabstätte von Dr. John Garang de Mabior (1945-2005), dem Wegbereiter der Selbständigkeit des Lands. Am „John Garang" Mausoleum verkündete im Jahr 2011 Salva Kiir Mayardit, der heutige Präsident des Südsudan, die Unabhängigkeit des Südsudan. Diesen Samstagabend nun war Kiir wieder am Mausoleum - für einen ebenfalls historischen Moment in der Geschichte: Das Ökumene-Gebet mit Papst Franziskus, dem Anglikaner-Primas Justin Welby und dem Moderator der presbyterianischen Kirche Schottlands, Ian Greenshields. Mit dabei waren auch weitere Kirchenvertreter, etwa Mitglieder des Südsudanesischen Kirchenrates, der Episkopalkirche des Südsudan, der Pfingstkirche, der Afrikanischen Inlandskirche und der Sudanesischen Inlandskirche.
Der Platz vor dem Mausoleum war gut gefüllt - rund 50.000 Menschen waren nach offiziellen Angaben gekommen. Vor der Grabstätte war eine Bühne aufgebaut; von dort riefen die verschiedenen Kirchenvertreter den Südsudan erneut zur Versöhnung - und äußerten teils auch sehr konkrete Forderungen. Anglikaner-Primas Welby etwa prangerte eindringlich die Lage der Frauen im Südsudan an - und entwarf eine andere Zukunftsvision:
„Ihr werdet mit anderen nicht immer einer Meinung sein, aber ihr werdet sie trotzdem lieben. Ihr werdet ein Vorbild der gehorsamen Liebe zu Gott sein. Ihr werdet die Frauen schätzen und ehren; ihr werdet nicht vergewaltigen, nicht gewalttätig und grausam sein – und sie nie benutzen, als wären sie nur Objekte zur Befriedigung eurer Begierden" so der anglikanische Erzbischof.
Calvinist Greenshields erinnerte an die „Schlüsselrolle" der Christen bei der friedlichen Erlangung der Unabhängigkeit des Landes - das Christentum hatte die verschiedenen Gruppen des Südens gegen die Regierung im Norden zusammengehalten. Die Kirchen sollten sich weiter für das Gemeinwohl aller und Gerechtigkeit einsetzen. Auch Papst Franziskus würdigte in seinem Redebeitrag die christliche Zugehörigkeit als „Faktor der Einheit" - er mahnte jedoch Einheit auch darüber hinaus an:
Papst: Stammesdenken und Parteilichkeit überwinden
„Das Stammesdenken und die Parteilichkeit, die die Gewalt im Land anschüren, dürfen die Beziehungen zwischen den Konfessionen nicht anstecken; im Gegenteil, das Zeugnis der Einheit der Gläubigen möge auf das ganze Volk übergehen", lautete der Wunsch und Appell des Papstes. Die Liebe der Christen gelte allen - selbst den Feinden. Der frühere Bürgerkrieg und die anhaltende Instabilität im Südsudan sind auch ethnischen, politischen, sowie teils auch religiösen Differenzen geschuldet. Präsident Salva Kiir, früherer Rebell, gehört der Ethnie der Dinka an. Sein früherer Widersacher im Bürgerkrieg und heute einer der Vizepräsidenten des Landes, Riek Machar, ist Presbyterianer und gehört der Ethnie der Nuer an.
Das katholische Kirchenoberhaupt mahnte außerdem alle zu wirklichem Handeln für Frieden und einem echten Wandel, der auch das Volk einbeziehe:
„Das ist der Friede Gottes: nicht nur ein Waffenstillstand inmitten von Konflikten, sondern eine geschwisterliche Gemeinschaft, die aus der Vereinigung, nicht aus der Absorbierung entsteht; aus der Vergebung, nicht aus dem Überwältigen; durch Versöhnung und nicht durch Aufoktroyieren."
Wo es den Menschen allein nicht gelinge, Frieden zu schaffen, sei ein „beharrliches, beständiges Fürbittgebet" nötig, betonte der Papst. Alle müssten, unabhängig der verschiedenen Konfession, darin geeint sein und für alle Beten.
Gemeinsame Gebete und symbolische Gesten
Dementsprechend stand das ökumemische Gebet am Mausoleum unter dem Motto „Alle sollen eins sein...“, das auch das Motto der „Ökumenische Pilgerreise“ der drei christlichen Religionsführer in den Südsudan ist. Das Zitat stammt aus dem Johannesevangelium, das während dem Treffen auch verlesen wurde. Zentral beim ökumenischen Gebet in Juba waren mehrere Fürbittgebete von verschiedenen Kirchenvertretern. Dabei ging es um das Leid der Binnenvertriebenen und Flüchtlinge, um Hass und Stammesdenken, die das Land „zerfressen" hätten, es gab Schuldeingeständnisse und die Bitte: „Heile uns von diesen Wunden, die Schmerz und Tod bringen". Auch die Politiker wurden bei den Fürbittgebeten mehrfach in die Pflicht genommen. So hieß es beispielsweise:
„Himmlischer Vater, wir danken Dir für die Führung unseres Landes, des Südsudan. Wir bitten Dich, gib unseren politischen Führern die Fähigkeit, so zu regieren, dass sie die Liebe und Autorität Jesu Christi widerspiegeln. Wir beten, dass sie sich immer auf Deine Weisheit und Führung verlassen mögen. Wir beten, dass sie unser Land stets mit Umsicht, Verständnis und Fairness regieren werden. Wir beten und glauben, dass Du sie weiter zu einer immer besseren Führung und guten Regierung führen wirst, erfüllt von Deiner Weisheit."
Nachdem sie ihre Fürbittgebete vorgetragen hatten, bewässerten die Lektoren als Symbol der Einheit kleine Bäume, die in Kübeln auf der Bühne standen. Vor den Fürbitten hatten die Teilnehmer des Gebetsreffens gemeinsam das Schuldbekenntnis und das Glaubensbekenntnis gesprochen. Zum Ende des ökumenischen Friedengebets mit Papst Franziskus, Anglikanerprimas Justin Welby und dem Leiter der schottischen Calvinisten, Ian Greenshields, wurde gemeinsam das Vaterunser gebetet; anschließend spendeten die christlichen Kirchenführer gemeinsam den Segen. Es war der vorletzte Tag des Südsudan-Besuchs des Papstes. Man werde das Land aber auch nach der Abreise nicht vergessen und weiter bei den Friedensbemühungen unterstützen, versicherte das katholische Kirchenoberhaupt im Namen aller:
„Ihr Lieben, meine Brüder und ich sind als Pilger zu euch gekommen, dem pilgernden Volk Gottes. Auch dann, wenn wir räumlich weit entfernt sind, werden wir euch doch immer nahe sein. Beginnen wir jeden Tag damit, dass wir füreinander und miteinander beten, dass wir als Zeugen und Vermittler des Friedens Jesu gemeinsam handeln, dass wir auf demselben Weg gehen, indem wir konkrete Schritte der Nächstenliebe und der Einheit unternehmen. In allem lasst uns einander von ganzem Herzen lieben"
Die drei Ökumene-Friedenspilger der römisch-katholischen, anglikanischen und reformierten Kirche sind seit Freitag in Juba und hatten auch beim ersten offiziellen Termin - dem Empfang im Präsidentenpalast - schon Friedensaufrufe an die politisch Verantwortlichen im Südsudan gerichtet, dessen rund elf Millionen Einwohner mehrheitlich Christen sind.
Sonntag Papstmesse und Rückflug
Am Sonntag endet die dreitägige Apostolische Reise von Papst Franziskus in den Südsudan. Bevor er zurück nach Rom fliegt, feiert er am Morgen die Heilige Messe beim „John Garang“-Mausoleum und betet den Angelus. Am frühen Sonntagabend wird das Oberhaupt der katholischen Kirche zurück in Rom erwartet. Franziskus besuchte bei seiner Afrikareise als erster Papst den Südsudan; Teil der Reise war auch ein vorheriger Besuch der Demokratischen Republik-Kongo.
(vatican news-sst/skr)
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