„Südsudan braucht stabile Entwicklung, nicht ständige Rückfälle“

Die Führer mehrerer christlicher Kirchen, darunter Papst Franziskus, haben im Südsudan von der Regierung mehr Anstrengungen für Frieden und Entwicklung verlangt.

Stefan v. Kempis – Vatikanstadt

In der Hauptstadt Juba starteten der Papst, der anglikanische Primas Justin Welby und der Leiter der schottischen Calvinisten, Ian Greenshields, eine „Ökumenische Pilgerreise“ für die Versöhnung im Afrikas jüngstem und ärmstem Staat. Franziskus kam aus dem Kongo, wo er in den letzten Tagen in ähnlicher Intention unterwegs war.

Der Südsudan brauche „Väter, nicht Herren“, und „stabile Entwicklungsschritte, nicht ständige Rückfälle“, mahnte der Papst in Anwesenheit von Präsident Salva Kiir, einem der Verantwortlichen für den Bürgerkrieg, der seit 2018 einem wackeligen Frieden gewichen ist. „Die Jahre nach der Geburt des Landes, die von einer verletzten Kindheit geprägt waren, mögen einem friedlichen Wachstum Platz machen.“

Eindrücke: Erste Rede des Papstes in Südsudan

Alte Kontrahenten begrüßen Seite an Seite den Papst

Franziskus, Welby und Greenshields waren am Nachmittag von Kiir im Präsidentenpalast willkommen geheißen worden. In den Genuss eines längeren Gesprächs mit dem Präsidenten und früheren Rebellen, der der Ethnie der Dinka angehört, kam aber nur der Papst, als Staatschef; die Kirchenführer aus London und Edinburgh stießen erst zur Begegnung des Papstes mit den Vizepräsidenten hinzu. Einer dieser Vizepräsidenten ist Riek Machar, Haupt-Kontrahent von Präsident Kiir im Bürgerkrieg; er gehört der Ethnie der Nuer an. Südsudans Bürgerkrieg und seine anhaltende Instabilität haben viel mit ethnischen, politischen, auch religiösen Differenzen zu tun.

Erste Rede von Papst Franziskus im Südsudan - ein Bericht von Radio Vatikan

Im Garten des Palastes trafen die Protagonisten der „Ökumenischen Pilgerreise“ auf Politiker, Vertreter von Behörden, bekannte Gesichter aus Gesellschaft und Kultur des Landes. Präsident Kiir beteuerte in seiner Begrüßungsrede, ehrlich an Friede und Versöhnung interessiert zu sein.

Franziskus mit Anglikaner-Primas Justin Welby in Juba
Franziskus mit Anglikaner-Primas Justin Welby in Juba

Präsident verspricht neue Friedensbemühungen

„Heiliger Vater, im April 2019 haben Sie während der geistlichen Einkehrtage im Vatikan unsere Füße geküsst und uns gebeten, Frieden zu schaffen. Diese seltene Geste der Demut war nicht umsonst. Damals lebte mein Bruder Riek Machar noch im Exil; heute sitze ich zusammen mit ihm hier, damit wir gemeinsam das wiederbelebte Friedensabkommen umsetzen, das 2018 unterzeichnet worden ist.“

Ihm sei schon klar, dass „nicht alle zufrieden“ seien mit der Umsetzung dieses Abkommens – das war südsudanesisches Understatement. Doch alle arbeiteten daran, „den Frieden zu konsolidieren“, indem sie einer im letzten Herbst entwickelten Roadmap folgten, sagte Kiir in seiner von technischen Störungen durchzogenen Rede. Diese Roadmap hat die im Friedensabkommen vereinbarte „Übergangsphase“ um ein Jahr verlängert, weil bis dahin noch nicht viel Vorzeigbares erreicht worden war.

„Zu Ehren des historischen Besuchs des Heiligen Vaters in unserem Land, und weil wir 2023 zum Jahr des Friedens erkoren haben, kündige ich hiermit offiziell an, dass die suspendierten Friedensgespräche von Rom mit den Widerstandsgruppen wiederaufgenommen werden. Ich hoffe, dass meine Brüder von den Widerstandsgruppen, die den Friedensvertrag nicht unterzeichnet haben, mit uns ernsthaft auf einen umfassenden Frieden in unserem Land zugehen wollen.“

Papst beklagt Lähmung des Friedensprozesses

Der Papst wandte in seiner Rede freilich ein, der Versöhnungsprozess im Land wirke „gelähmt“, Friedensversprechen blieben „unerfüllt“. Die Regierenden sollten sich als „Väter und Mütter dieses jungen Landes“ fühlen, statt sich als „Herren“ aufzuspielen. Der Staat gehöre allen, und Macht sei dafür da, „der Gemeinschaft zu dienen“. Das Land dürfe „nicht zu einem Friedhof verkommen“, sondern solle „zu einem blühenden Garten werden“. Eindringlich warnte Franziskus vor einem südsudanesischen „Weiter so“:

„Nicht weiter mit dem Blutvergießen“

„Nicht weiter mit dem Blutvergießen, nicht weiter mit den Konflikten, nicht weiter mit der Gewalttätigkeit und den gegenseitigen Anklagen und Schuldzuweisungen, lasst das Volk nicht weiter nach Frieden dürsten. Nicht weiter mit der Zerstörung, es ist Zeit aufzubauen! Lassen wir die Zeit des Krieges hinter uns und eine Zeit des Friedens heraufziehen!“

Der Papst schimpfte auf die Korruption („unlautere Geldgeschäfte, klientelistische Machenschaften“), forderte mehr demokratische Entwicklung im Land (dazu gehöre vor allem der Respekt der Meinungsfreiheit), ermunterte zu mehr „Freiräumen“ für junge Menschen und zu einem stärkerem Einbeziehen von Frauen „auch in politische Entscheidungsprozesse“. Er kritisierte den Waffenhandel; der Südsudan brauche alles Mögliche, „aber sicher keine zusätzlichen Todesinstrumente“. Und er insistierte, der Friedensprozess dürfe jetzt nicht wieder „in Trägheit versumpfen“.

„Freunde, es ist an der Zeit, den Worten Taten folgen zu lassen“

„Freunde, es ist an der Zeit, den Worten Taten folgen zu lassen. Es ist an der Zeit, das Blatt zu wenden, es ist an der Zeit, sich für einen dringenden und notwendigen Wandel einzusetzen. Der Friedens- und Versöhnungsprozess braucht einen neuen Ruck. Man muss sich einig werden und das Friedensabkommen voranbringen.“

Erst zum Schluss seiner sechs Seiten langen Philippika würdigte Franziskus sein Gastland als „so jung wie liebenswert“. Vielleicht seien einige seiner Äußerungen „recht offen und direkt gewesen“, doch er bitte ihm zu glauben, dass das nur „der Zuneigung und der Sorge entspringt, mit der ich eure Angelegenheiten verfolge“. „Möge der Herr des Himmels, der dieses Land liebt, ihm eine neue Zeit des Friedens und des Wohlstands schenken: Gott segne die Republik Südsudan!“

Anglikaner-Erzbischof: „Das ist in Ihren Händen"

Der anglikanische Primas, Erzbischof Justin Welby, dankte allen, die in Bezug auf den Südsudan „noch nicht die Hoffnung aufgegeben“ hätten. Auch er erinnerte, so wie zuvor Salva Kiir, an die Begegnung bei Papst Franziskus im Vatikan, bei der das Kirchenoberhaupt den südsudanesischen Politikern die Füße geküsst hatte. 

„Aber vielerorts – nah und fern – verliert man die Geduld mit der Tatsache, dass sich nicht noch mehr verändert hat", so Welby in einer kurzen Rede. „Wenn ich daran denke, welche Versprechungen 2019 abgegeben wurden, dann bin ich traurig über das, was ich sehe und höre. Wir hofften und beteten für mehr. Sie haben mehr versprochen." Das ganze Abkommen müsse umgesetzt werden, „das ist in Ihren Händen", insistierte Welby. Und: „Sie können das schaffen, mit der Hilfe Gottes."

Iain Greenshields, der Moderator der Generalversammlung der Kirche von Schottland, verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass die politische Führung dazu in der Lage ist, dem nach Frieden und Gerechtigkeit dürstenden Volk Genugtuung zu verschaffen. „Möge Gottes Segen und sein Friede auf dem Volk des Südsudan ruhen", schloss der schottische Reverend. 

(vatican news)
 

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03. Februar 2023, 17:18