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Wortlaut: Papst Franziskus bei der Generalaudienz

Hier finden Sie die Ansprache, die der Papst bei seiner Generalaudienz im Vatikan gehalten hat, in vollem Wortlaut in einer Arbeitsübersetzung von Radio Vatikan.

Sämtliche Wortmeldungen des Papstes in ihrer amtlichen Fassung werden auf der offiziellen Internetseite des Heiligen Stuhls veröffentlicht.

„Liebe Brüder und Schwestern, guten Morgen und herzlich Willkommen!
In unserer Reihe von Katechesen über die Leidenschaft der Evangelisierung gehen wir heute von den Worten Jesu aus, die wir gehört haben: ‚Geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes‘ (Mt 28,19).

‚Geht‘, sagt der Auferstandene, ‚nicht um zu indoktrinieren oder zu bekehren, sondern um andere Menschen zu Jüngern zu machen, das heißt: um allen die Möglichkeit zu geben, mit Jesus in Kontakt zu kommen, ihn kennen und lieben zu lernen - frei. Geht und tauft! Taufen bedeutet eintauchen und drückt daher, bevor es eine liturgische Handlung bezeichnet, zunächst eine lebenswichtige Handlung aus: das eigene Leben in den Vater, den Sohn, den Heiligen Geist eintauchen. Jeden Tag die Freude der Gegenwart Gottes erfahren, der uns als Vater, als Bruder, als Geist, der in uns wirkt, in unserem Geist selbst nahe ist. Taufe heißt eintauchen in die Dreieinigkeit.

„Der Heilige Geist ist der Motor der Evangelisierung“

Wenn Jesus zu seinen Jüngern - und auch zu uns - sagt: ‚Geht!‘, dann ist das nicht nur ein Wort. Nein. Er teilt uns den Heiligen Geist mit, denn nur durch ihn, durch den Geist, kann man die Sendung Christi empfangen und ausführen (vgl. Joh 20,21-22). Die Apostel bleiben ja aus Angst im Abendmahlssaal verschlossen, bis der Pfingsttag da ist und der Heilige Geist auf sie herabkommt (vgl. Apg 2,1-13). In diesem Moment verschwindet die Angst und durch seine Kraft werden diese eher ungebildeten Fischer die Welt verändern. ,Aber sie können doch nicht reden...`Es ist die Kraft des Geistes, die sie dazu bringt, die Welt zu verändern. Die Verkündigung des Evangeliums wird also nur in der Kraft des Geistes verwirklicht, der den Missionaren vorausgeht und die Herzen vorbereitet: Er ist der ‚Motor‘ der Evangelisierung.

Wir entdecken dies in der Apostelgeschichte: Dort sehen wir auf jeder Seite, dass der Protagonist der Verkündigung nicht Petrus, Paulus, Stephanus oder Philippus ist, sondern der Heilige Geist. Ebenfalls in der Apostelgeschichte wird ein entscheidender Moment in den Anfängen der Kirche erzählt, der auch uns viel zu sagen hat. Damals wie heute fehlte es nicht an Bedrängnissen, schöne und weniger schöne Momente, Freuden wurden von Sorgen begleitet. Vor allem eine: Wie sollte man mit den Heiden umgehen, die zum Glauben kamen, mit denen, die nicht zum jüdischen Volk gehörten? Waren sie verpflichtet, die Vorschriften des mosaischen Gesetzes zu beachten oder nicht?

„Die Apostel bemühen sich nicht um einen Kompromiss“

Dies war keine Bagatelle. Es bildeten sich also zwei Gruppen: diejenigen, die die Einhaltung des Gesetzes für unabdingbar hielten, und diejenigen, die dies nicht taten. Um darüber zu entscheiden, versammelten sich die Apostel auf dem so genannten Konzil von Jerusalem, dem ersten in der Geschichte. Wie konnte man das Dilemma lösen? Man hätte einen guten, diplomatischen Kompromiss zwischen Tradition und Innovation suchen können: einige Regeln einhalten, andere weglassen. Doch die Apostel folgen nicht dieser menschlichen Weisheit umd ein diplomatisches gleichgewicht zu finden, nein  - sie passen sich dem Wirken des Geistes an, der ihnen zuvorgekommen war und auf die Heiden wie auf sie herabkam.

So beseitigen sie fast alle mit dem Gesetz verbundenen Verpflichtungen und teilen die endgültigen Entscheidungen mit, die - wie sie schreiben – ‚vom Heiligen Geist und von uns‘ getroffen wurden (vgl. Apg 15,28). Das ist das Ergebnis: Der Heilige Geist mit uns. So handeln die Apostel immer. Gemeinsam, ohne sich zu trennen, auch wenn sie unterschiedliche Empfindlichkeiten und Meinungen haben, hören sie auf den Geist. Und er lehrt etwas, das auch heute gilt: Jede religiöse Tradition ist nützlich, wenn sie die Begegnung mit Jesus erleichtert. Jede religiöse Tradition ist nützlich, wenn sie die Begegnung mit Jesus erleichtert. Man könnte sagen, dass die historische Entscheidung des ersten Konzils, von der auch wir profitieren, von einem Prinzip motiviert war, dem Prinzip der Verkündigung: Alles in der Kirche muss sich an den Erfordernissen der Verkündigung des Evangeliums ausrichten! Nicht an den Meinungen der Konservativen oder Progressiven, sondern an der Frage, wie Jesus das Leben der Menschen erreicht. Deshalb ist jede Entscheidung, jede Form, jede Struktur und jede Tradition danach zu bewerten, ob sie der Verkündigung Christi förderlich sind.

Und wenn es Spaltungen gibt in der Kirche, zum Beispiel ideologische - ich bin konservativ, ich progressiv ... Wo ist da der Heilige Geist? Achtung, das Evangelium ist keine Ideologie. Das Evangelium ist Verkündigung, die von Herzen kommt und Herzen berührt. Aber wenn du dich in Vorstellungen verrenst, seien sie von rechts, von links, aus der Mitte - dann machst du aus dem Evangelium eine politische Partei, eine Ideologie, einen Klub. Das Evangelium gibt dir immer die Freiheit des Geistes, der in dir wirkt und dich voranbringt. Wie sehr braucht es das heute: Das Evangelium in die Hand nehmen und sich vom Geist leiten lassen! 

„Ohne den Geist bleibt alles seelenlos“

So macht der Geist den Weg der Kirche hell. Er ist nicht nur das Licht der Herzen, sondern auch das Licht, das der Kirche Orientierung gibt: Er bringt Klarheit, hilft zu unterscheiden und zu entscheiden. Deshalb ist es wichtig, ihn oft anzurufen; tun wir das auch heute, zu Beginn der Fastenzeit! Denn als Kirche können wir gut geordnete Zeiten und Räume, gut organisierte Gemeinschaften, Institute und Bewegungen haben, aber ohne den Geist bleibt alles seelenlos. Organisation reicht nicht. Es ist der Geist, der der Kirche Leben gibt. Wenn die Kirche nicht zu ihm betet und ihn nicht anruft, verschließt sie sich in sterilen und erschöpfenden Debatten, in ermüdenden Polarisierungen, während die Flamme der Mission erlischt. Es ist sehr traurig, die Kirche zu sehen, als wäre sie nur ein Parlament. Die Kirche ist etwas anderes. Sie ist eine Gemeinschaft von Männern und Frauen, die an Jesus Christus glauben und ihn verkündigen, und zwar indem sie vom Heiligen Geist geleitet werden, nicht von ihren eigenen Gedanken. Ja, es wird Vernunft gebraucht, aber der Heilige Geist erleuchtet und bewegt diese. Der Geist lässt uns hinausgehen, drängt uns, den Glauben zu verkünden, um uns im Glauben zu bestärken; auf Mission zu gehen, um herauszufinden, wer wir sind. Deshalb empfiehlt der Apostel Paulus: ‚Löscht den Geist nicht aus‘ (1 Thess 5,19). Löscht den Geist nicht aus. Beten wir oft zum Geist, rufen wir ihn an, bitten wir ihn jeden Tag, sein Licht in uns zu entzünden! Tun wir dies vor jeder Begegnung, um mit den Menschen, denen wir begegnen, zu Aposteln Jesu zu werden. Löscht den Geist nicht aus, nicht in den christlichen Gemeinden und nicht in jedem von uns. 

„lassen Sie uns als Kirche vom Heiligen Geist ausgehen und neu beginnen“

Liebe Brüder und Schwestern, lassen Sie uns als Kirche vom Heiligen Geist ausgehen und neu beginnen. ‚Es ist zweifellos wichtig, dass wir bei unserer pastoralen Planung von soziologischen Erhebungen, Analysen, Listen von Schwierigkeiten, Listen von Erwartungen und Beschwerden ausgehen, das ist wichtig, um die Realität zu sehen. Aber viel wichtiger ist es, von den Erfahrungen des Geistes auszugehen: das ist der eigentliche Ausgangspunkt. Und deshalb ist es notwendig, sie zu suchen, sie aufzulisten, sie zu studieren, sie zu interpretieren. Es ist ein Grundprinzip, das man im geistlichen Leben den Vorrang des Trostes vor der Verzweiflung nennt. Zuerst ist der Geist da, der tröstet, belebt, erleuchtet, bewegt; dann gibt es auch Trostlosigkeit, Leiden, Dunkelheit, aber das Prinzip, um sich in der Dunkelheit zurechtzufinden, ist das Licht des Geistes‘ (C.M. MARTINI, Evangelisieren im Trost des Geistes, 25. September 1997).

Das ist das Prinzip, um mit Dingen umzugehen, die wir nicht verstehen, wenn es Verwirrung gibt, dunkle Zeiten, das ist wichtig. Fragen wir uns, jeder von uns, ob wir uns für dieses Licht öffnen, ob wir ihm Raum geben: Rufe ich den Geist an? Jeder beantworte innerlich diese Frage. Rufen wir den Geist an? Nein, Herr, ich bete zur Madonna, den Heiligen, manchmal das Vaterunser, zum Herrn ... Und der Geist? Du betest nicht zum Geist, der doch das ist, was dein Herz in Bewegung setzt, dich weiterbringt, Trost spendet, den Willen der Evangelisierung stärkt, der Missionierung. Ich gebe euch diese Frage mit: bete ich zum Heiligen Geist? Lasse ich mich von ihm leiten, der mich einlädt, mich nicht zu verschließen, sondern Jesus zu bringen, Zeugnis abzulegen vom Vorrang des Trostes Gottes vor der Trostlosigkeit der Welt?“ Möge die Muttergottes, die das gut verstanden hat, uns helfen, das zu verstehen. Danke.

(vatican news – sk)

 

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22. Februar 2023, 10:08