Papst über digitale Technologien: Menschenwürde als Maßstab
Anne Preckel – Vatikanstadt
„Ich bin besorgt darüber, dass die bisherigen Daten darauf hinzudeuten scheinen, dass die digitalen Technologien dazu beigetragen haben, die Ungleichheiten in der Welt zu vergrößern“, merkte Franziskus kritisch an. Er äußerte sich bei einer Audienz für Teilnehmer der „Minerva Dialogues“, ein interdisziplinäres und internationales Experten-Forum, das jährlich in Rom zusammentritt und deren Teilnehmer am Montag in den Vatikan kamen.
Bei der Verstärkung von Ungleichheit gehe es nicht nur um die Schere zwischen Arm und Reich, sondern auch um den „Zugang zu politischem und sozialen Einfluss“, so der Papst, der eine Reihe kritischer Fragen stellte: „Sind unsere nationalen und internationalen Institutionen in der Lage, Technologieunternehmen für die sozialen und kulturellen Auswirkungen ihrer Produkte zur Verantwortung zu ziehen? Besteht die Gefahr, dass die zunehmende Ungleichheit unseren Sinn für menschliche und soziale Solidarität untergräbt?“
Entwicklung ist nur begrenzt ein Verdienst
Der Papst gab zu bedenken, dass Ungleichheiten auch „durch eine falsche Vorstellung von Leistungsgesellschaft verschärft werden, die den Begriff der Menschenwürde untergräbt“. In dieser Optik werde der wirtschaftliche Vorteil einiger weniger als „verdient“ und die Armut vieler anderer als „selbstverschuldet“ angesehen. „Dieser Ansatz unterschätzt die anfänglichen Ungleichheiten zwischen den Menschen in Bezug auf Wohlstand, Bildungschancen und soziale Bindungen und behandelt Privilegien und Vorteile als persönliche Leistungen“, kritisierte der Papst.
Papst Franziskus erinnerte einmal mehr daran, dass wissenschaftliche und technologische Innovationen „mit mehr Gleichheit und sozialer Inklusion“ einhergehen sollten. Der Mensch und seine Würde müssen Ausgangspunkt sein, Gemeinwohl und Partizipation gesichert werden. Dass sich internationale Organisationen um eine Regulation digitaler Technologien im Sinne eines ganzheitlichen menschlichen Fortschrittes bemühten, begrüßte der Papst. Gleichwohl äußerte er Bedenken darüber, dass dies tatsächlich gut möglich ist:
„Es wird nicht leicht sein, in diesen Bereichen eine Einigung zu erzielen. In der Tat ist das immense technologische Wachstum nicht mit einer Entwicklung des Menschen in Bezug auf Verantwortung, Werte und Gewissen einhergegangen. Darüber hinaus ist die heutige Welt durch eine große Vielfalt an politischen Systemen, Kulturen, Traditionen, philosophischen und ethischen Auffassungen und religiösen Überzeugungen gekennzeichnet. Die Diskussionen sind zunehmend polarisiert, und ohne Vertrauen und eine gemeinsame Vorstellung davon, was das Leben lebenswert macht, besteht die Gefahr, dass öffentliche Debatten polemisch und ergebnislos verlaufen.“
Algorithmen engen Freiheit ein
„In sozialen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen müssen wir vorsichtig sein, wenn wir Algorithmen, die - oft heimlich - gesammelte Daten über Personen und deren frühere Merkmale und Verhaltensweisen verarbeiten, mit Urteilen betrauen. Solche Daten können durch soziale Vorurteile und Vorverurteilungen verunreinigt sein. Zumal das frühere Verhalten einer Person nicht dazu verwendet werden sollte, ihr die Möglichkeit zu nehmen, sich zu verändern, zu wachsen und einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Wir dürfen nicht zulassen, dass Algorithmen die Achtung der Menschenwürde einschränken oder bedingen, und wir dürfen auch nicht zulassen, dass sie Mitgefühl, Barmherzigkeit, Vergebung und vor allem Offenheit für die Hoffnung auf Veränderung des Einzelnen ausschließen.“
Der Papst zeigte sich in seiner Ansprache keinesfalls technikfeindlich: Die technologische Entwicklung habe das Potential, einen „segensreichen Beitrag zur Zukunft der Menschheit zu leisten“, so Franziskus, „wir dürfen sie nicht verwerfen, nein“, merkte er grundsätzlich an. Er verwies zum Beispiel auf Fortschritte in Medizin, Technik und Kommunikation, die künstliche Intelligenz und das maschinelle Lernen. Franziskus betonte aber zugleich, wie wesentlich eine ethische Begleitung solcher Entwicklungen sei: „Ich bin mir sicher, dass dieses Potenzial nur dann ausgeschöpft werden kann, wenn diejenigen, die die Technologien entwickeln, konsequent den Willen haben, ethisch und verantwortungsbewusst zu handeln.“
Die sog. Minerva-Dialoge versammeln Experten aus der Welt der Technologie - Wissenschaftler, Ingenieure, Führungskräfte aus der Wirtschaft, Juristen und Philosophen - zusammen mit Vertretern der Kirche - Kurienbeamte, Theologen und Ethiker - mit dem Ziel, ein größeres Bewusstsein und eine stärkere Berücksichtigung der sozialen und kulturellen Auswirkungen der digitalen Technologien, insbesondere der künstlichen Intelligenz, zu fördern.
(vatican news – pr)
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