Papst: Familien nicht Teil des Problems, sondern der Lösung
Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt
Die Baby-Boomer-Jahre in Europa sind lange vorbei, der demographische Wandel seit Jahren Realität. Italien ist da keine Ausnahme: Im Vorjahr erreichte das Mittelmeerland laut Papst Franziskus mit knapp 393.000 Neugeburten einen historischen Tiefpunkt:
„Diese Zahl ist Ergebnis einer großen Zukunftsangst. Kinder in die Welt zu setzen, wird heute als ein Unternehmen auf Kosten der Familie empfunden. Das bestimmt leider die Meinung der jungen Generationen, die in Unsicherheit aufwachsen, teils auch enttäuscht und verängstigt sind. Sie leben in einem gesellschaftlichen Klima, in dem die Familiengründung ein titanisches Unterfangen geworden ist, statt ein von allen unterstütztes und anerkanntes Gut zu sein", deutet der Papst diese Zahlen.
Immerhin bekommt das Thema einmal jährlich etwas Aufmerksamkeit beim italienischen Dialogforum „Stati generali della natalità". Seit 2020 tauschen sich Politiker und Vertreter der Familienvereinigungen in Italien im Auditorium della Conciliazione, nur wenige Schritte vom Vatikan entfernt, über das Thema aus. Dieses Jahr ist neben Papst Franziskus unter anderem Italiens rechtsgerichtete Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gekommen, die 2022 ein „Ministerium für Familie, Geburtenrate und Gleichberechtigung“ schuf und sich gerne mit dem katholischen Kirchenoberhaupt zeigt. Auch für Meloni und ihre Politikerriege hatte der Papst eine Botschaft:
Geringer Lohn und hohe Mieten - Alltag für viele in Italien
„Die Ministerpräsidentin hat von der , Krise` gesprochen - ein Schlüsselwort. Aber erinnern wir uns in dem Zusammenhang an zwei Dinge: Die Krise überwindet man nicht allein, entweder gemeinsam, oder gar nicht. Und: Aus einer Krise kommt man verändert hervor: Besser oder schlechter. Lasst uns das nicht vergessen. Darum geht es bei der aktuellen Krise. Es gibt Probleme, einen sicheren Arbeitsplatz zu finden und zu behalten, unverschämt hohe Immobilienkosten, gesalzene Wohnungsmieten und unzureichende Gehälter. Das alles sind echte Probleme. Und hier ist die Politik gefordert, denn ohne die nötigen Korrekturen wird der freie Markt vor aller Augen zur Wildnis und bringt immer schlimmere Situationen und immer größere Ungleichheiten hervor."
Regierung hat für Familien noch nicht so viel getan
Im Kampf gegen Abtreibungen sind Meloni und Franziskus sicher auf einer Linie; die abschottende Flüchtlingspolitik der Ministerpräsidentin dürfte dem Papst weniger gefallen. Meloni und ihre Partei „Fratelli d'Italia" (FDI) haben Veränderungen in der Familienpolitik im Programm angekündigt - etwa eine Anhebung staatlicher Ausgaben für Kinder und Familien auf ein mittleres EU-Niveau, Gratis-Kitas in Gemeinden und Betrieben, mehr Unterstützung für Familien mit behinderten Kindern und eine Politik, die sich positiv auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auswirken. Davon ist bisher in Italien noch nicht viel umgesetzt.
Papst Franziskus mahnte diesen Freitag dann auch eindringlich wirksame Hilfen für die italienische Gesellschaft - besonders die Mittel-und Unterschicht - an:
„Sich auf sich allein gestellt fühlen und gezwungen sein, alles aus eigener Kraft zu stemmen, ist gefährlich. So zerbröselt das gesellschaftliche Gesamtgefüge langsam, die Menschen konzentrieren sich auf ihr eigenes Leben, jeder kümmert sich nur um sich und schlägt sich alleine durch. Ergebnis: Nur noch die Reichen können sich, Dank ihrer Ressourcen, größere Freiheit bei ihrer Lebensgestaltung leisten. Und das ist nicht nur ungerecht, es ist auch demütigend."
Hoffnung und konkrete Maßnahmen nötig
Konkret kritisierte Papst Franziskus zudem erneut mangelnde Unterstützung für Frauen. Junge Frauen seien oftmals gezwungen, sich zwischen Kind oder Karriere zu entscheiden; erschwert würde dies, wenn auch noch eine Pflege älterer Familienangehöriger nötig sei. Viele Familien scheuten all dies nicht und setzten auf nahezu „heldenhafte Weise" auf Nachwuchs; sicher sei hier auch die göttliche Vorsehung im Spiel, meinte der Papst. Die allein könne jedoch nicht alles richten. Es brauche endlich weitsichtige Familienpolitik:
„Es ist nötig, das Problem gemeinsam anzugehen, ohne Ideologien und ohne Voreingenommenheit. Es stimmt, dass Dank eurer Hilfe schon einiges getan wurde, und dafür bin ich dankbar. Aber es reicht noch nicht. Es braucht einen Bewusstseinswandel: Die Familie ist nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung."
Viel Applaus für den Papst
Papst Franziskus, der immer wieder Applaus für seine Aussagen bekam, rief auch alle auf, die Hoffnung nicht zu verlieren:
„Die Hoffnung bringt uns dazu, aktiv zu werden um Lösungen zu finden, eine Gesellschaft zu sein, die in der Lage ist, den historischen Moment, den wir erleben, die Krisenzeiten und die zahlreichen Ungerechtigkeiten - eine davon der Krieg - zu meistern. Um wieder mehr Geburten zu haben, müssen die Formen der gesellschaftlichen Ausgrenzung, unter denen junge Menschen und ihre Zukunft leiden, behoben werden. (...) Euch allen, die ihr hier seid um gute Lösungen basierend auf eurem Wissen und gemäß euren Kompetenzen zu finden, möchte ich sagen: Ihr seid gerufen, der großen Aufgabe gerecht zu werden, Hoffnung zu schaffen, Maßnahmen zu finden, die Italien, Europa, der Welt, wieder neuen Schwung und neues Leben geben! Die viele Kinder bringen! Danke."
Tadel für Hundehalterin, die Hund mit Kind verwechselte
Aufsehen in sozialen Medien erregte eine Passage, in der Papst Franziskus öffentlich eingestand, vor zwei Wochen am Rand der Generalaudienz eine Hundehalterin getadelt zu haben. Sie habe von ihm einen Segen für ihr Haustier gewollt, das sie in einer Tasche trug und als „mein Kind" bezeichnete. „Da habe ich die Geduld verloren und mit ihr geschimpft, gute Frau, viele Kinder haben Hunger! Und Sie mit Ihrem Hund...!", sagte der Papst unter dem Applaus der Anwesenden und der Ratspräsidentin, die neben ihm saß. Franziskus hatte schon mehrfach den Trend in reichen und geburtenarmen Ländern kritisiert, auf Kinder zu verzichten und stattdessen Haustiere zu umzärteln.
(vatican news)
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