Papst-Interview: „Wir erleben einen Weltkrieg auf Raten“
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Einmal mehr bekräftigte der argentinische Pontifex auch seine Ansicht, dass die Welt derzeit „einen Weltkrieg auf Raten“ durchmache. Das Interview wurde schon Ende September geführt, also vor dem neuen Krieg in Nahost, und erst jetzt veröffentlicht.
„Ausbeutung ist einer der Ursprünge von Kriegen“, so der Papst. „Der andere Ursprung ist der geopolitische Wunsch, Territorien zu beherrschen.“ Um weltweit ein System der Sicherheit herzustellen, brauche es „universellen Dialog, universelle Harmonie, universelle Begegnung“. Allerdings könne man keinen Dialog mit einem anderen führen, wenn man sich seiner eigenen Identität nicht bewusst sei. Wichtig sei daher auch „ein Bewusstsein für die eigene Identität“ – und dass man schon jungen Menschen beibringe, wie man aus Krisen herauskomme. „Krisen sind wie Stimmen, die uns zeigen, wohin wir gehen müssen.“
Ausführlich äußerte sich der Papst in dem Interview zu sozialen Fragen. Er erinnerte an die Würde der Arbeit und bezeichnete Ausbeutung als Sünde. „Es ist die Arbeit, die euch Würde gibt. Der größte Verrat an diesem Weg der Würde ist die Ausbeutung.“ Arbeitnehmer hätten Rechte, die zu respektieren seien. Wenn er darauf hinweise, tue er nichts anderes als das, was schon das Evangelium anmahne.
„Der Papst nimmt das Evangelium und sagt, was das Evangelium sagt. Schon im Alten Testament forderte das jüdische Gesetz, sich um die Witwe, die Waise und den Fremden zu kümmern. Wenn sich eine Gesellschaft an diese drei Dinge hält, geht es ihr gut!“ Er wolle „klarstellen, dass ich kein Kommunist bin, wie manche sagen“, fuhr Franziskus fort. „Der Papst folgt dem Evangelium.“
Zum technologischen Fortschritt äußerte Papst Franziskus, Richtschnur dabei sei „die Fähigkeit von Männern und Frauen, ihn zu beherrschen, ihn sich anzueignen und zu kontrollieren“. Das gelte auch für den Bereich der künstlichen Intelligenz. „Männer und Frauen sind die Herren der Schöpfung, das dürfen wir nicht aufgeben.“
Mit Blick auf die von ihm auf den Weg gebrachte Weltsynode erklärte der Papst, die Kirche müsse sich organisch weiterentwickeln. Mit dieser Einsicht liege er auf einer Linie mit seinen Amtsvorgängern. „Seit Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils hatte Johannes XXIII. eine sehr klare Vorstellung: Die Kirche muss sich ändern. Paul VI. stimmte dem zu und machte weiter, ebenso wie die Päpste, die auf sie folgten. Es geht nicht nur um einen modischen Wandel, sondern um einen Wandel zugunsten der Würde der Menschen.“
Der Glaube des Köhlers
Auf die Frage, wie seine Beziehung zu Gott sei, versetzte Franziskus launig: „Fragen Sie doch ihn!“ Dann fährt er, ernst geworden, fort, er habe sich „viel von meinem Kindheitsglauben bewahrt“. „Meine Großmutter hat mir das Beten beigebracht, und ich habe immer noch diese einfache Frömmigkeit des Betens und des Bittens – wir in Argentinien sagen, den Glauben des Köhlers. Wenn ich bete, bin ich nicht kompliziert. Manche könnten sogar sagen, dass ich eine altmodische Spiritualität habe. Das mag sein…“ Sein „religiöses Bewusstsein“ sei sehr „gewachsen“, „aber die Art und Weise, wie ich mich mit Gott ausdrücke, ist immer einfach. Ich mag es nicht, kompliziert zu sein.“
Auf mögliche künftige Reisen angesprochen räumt Franziskus ein, dass er eigentlich auch seine argentinische Heimat noch besuchen müsste. „Ich würde gerne hinreisen… Wenn wir von noch entfernteren Zielen sprechen, da gäbe es noch Papua-Neuguinea.“
(vatican news)
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