missio in Rom: Am Rand der Synode Begegnung ermöglichen
Christine Seuss - Vatikanstadt
Gut 60 der Teilnehmenden an der Synode sind Projektpartner von missio, dem Päpstlichen Hilfswerk, das weltweit bis in die kleinsten Gemeinden hinein aktiv ist und die Arbeit der Kirche vor Ort in vielfältiger Form unterstützt. Um ihnen zu begegnen, aber auch, um anderen Menschen im Umfeld der Synode einen Raum für das Gespräch zu bieten, hat sich missio Aachen über die kommenden Wochen im Campo Santo Teutonico eingemietet - nur einen Steinwurf von der Audienzhalle entfernt, in der die Synoden-Teilnehmer an großen runden Tischen miteinander beraten.
„Ja, wir sind, würde ich sagen, gute Nachbarn der Synode“, zeigt sich im Gespräch mit Radio Vatikan Pfarrer Dirk Bingener, Präsident von missio Aachen und des Kinderhilfswerkes Die Sternsinger, zufrieden darüber, in direkter Nachbarschaft der Versammlung zu sitzen.
„Wir von missio machen durch unsere weltkirchliche Arbeit natürlich die Erfahrung, dass es unterschiedliche Erfahrungen von Kirche und verschiedene Problemstellungen gibt und das ist etwas, was wir von missio aufgrund unserer täglichen Arbeit spüren. Uns war es also im Grunde genommen wichtig, unsere Partner, auch viele Projektpartner aus der einen Welt, aus der Weltkirche, mit verschiedenen Personen zusammenzubringen, in besonderer Weise natürlich auch aus Deutschland, um hier einen Raum zu schaffen, um miteinander zu sprechen und um mehr voneinander zu verstehen.“
Dafür hat das Hilfswerk auch einen Kalender von Diskussions-Runden zusammengestellt, die jeweils verschiedene Themen beleuchten. Den Beginn machte an diesem Donnerstagabend, zum Ende des ersten vollen Arbeitstages in der Synode, eine Begegnung zu den Erwartungen an die Synode.
Erwartungen an die Synode
Teilgenommen haben stimmberechtigte Mitglieder wie der Synoden-Veteran Kardinal Oswald Gracias von Bombay, Erzbischof Ignatius Kaigama von Abuja in Nigeria und Estella Padilla vom Bukal Ng Tipan Mission Center auf den Philippinen, aber auch der als Experte geladene Bibelwissenschaftler Paul Béré S.J. aus Burkina Faso. Von außerhalb der Synode kamen Birgit Mock, ihres Zeichens Vize-Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ihr „Kollege“ Thomas Söding sitzt als Mitglied der Synode in der Aula) und der Pastoraltheologe Christian Bauer hinzu. Letzterer hielt sich diese Tage zu einem weltweiten Netzwerktreffen von Pastoralarbeitern in Rom auf, das mit einem Brief an die Synodenmitglieder endete.
„Deutlich wurde, glaube ich, dass es zunächst einmal auch sehr stark um die Form des Zusammenseins geht“, analysiert Pfarrer Bingener am Ende der Gesprächsrunde, bei der jeder seine Erwartungen und Hoffnungen an das Synoden-Geschehen formulieren konnte. Eine Synode, auch das wurde deutlich, die sich merklich von bereits stattgefundenen Synoden unterscheidet:
„Also wenn Sie jetzt in die Synodenaula hineinschauen, dann ist auf einmal mehr Platz, weil man den Raum gewechselt hat. Es stehen auf einmal runde Tische dort und es sitzen beispielsweise die Deutschen nicht in einer deutschen Sprachgruppe zusammen, sondern man spricht Englisch und sitzt damit mit ganz unterschiedlichen Nationen zusammen. Und damit hat sich natürlich schon eine Menge geändert. Es spricht sich einfach anders. Oder auch, dass eben nicht nur Bischöfe untereinander sprechen, sondern es sprechen auch Laien und Laien, und Laien und Bischöfe miteinander. Das ist neu, ebenso wie die Tatsache, dass sie auch Stimmrecht haben. Und das ist natürlich schon ein sehr, sehr großer Unterschied“, meint Bingener, den es besonders beeindruckt, dass die Redebeiträge nicht frontal auf den Papst und die Synodenleitung hin zugeschnitten sind:
„Und das finde ich, ist heute Abend auch deutlich geworden, dass natürlich jeder eine Menge Erwartungen mitbringt, auch, weil er im Grunde genommen nicht für sich alleine dort sitzt, sondern große Gruppen hinter sich hat, die einem Dinge mit auf den Weg gegeben haben - und dass diese Inhalte sicherlich auch besprochen werden; dass es jetzt aber erst einmal darum geht, zu hören, was das Anliegen des anderen ist, und dass offensichtlich ein Setting gefunden worden ist, damit das zum Ausdruck kommen kann.“
Ein Setting, um einander zuzuhören
Wie unterschiedlich die Anliegen sind, die formuliert werden, wurde auch an diesem Abend deutlich. So gebe es Ortskirchen, die in einer „Frühlingssituation“ steckten, viele Gläubige anzögen und angesichts desolater äußerer Zustände den Gläubigen intensiven Trost böten – ebenso wie Gemeinschaften, die sich angesichts leerer Kirchen, abnehmenden Interesses und des scheinbar nicht enden wollenden Missbrauchsskandals in einer Art „Herbst“ wähnten. Eine große Vielfalt, die auch Missio mit seiner Arbeit abbildet:
„Das Faszinierende an unserer Arbeit von missio ist ja, dass wir zum einen weltweit mit Projektpartnern zusammenarbeiten und dass es andererseits eigentlich keine Organisation gibt, die so weit hinein in die Gesellschaften reicht. Dort, wo kein Staat mehr eine Zuständigkeit für sich spürt, da ist die Kirche. Das heißt, wir haben hier das Phänomen, dass die Menschen auf der einen Seite tief verwurzelt sind in ihrer Gesellschaft und wir aber gleichzeitig über die großen globalen Themen sprechen. Wir haben jetzt über sehr konkrete Fragestellungen, beispielsweise in Nigeria und darüber hinaus gesprochen, auch über die Frage von Klimawandel, über die großen Friedensfragen, die auch Nigeria betreffen, ebenso wie viele andere Länder der Welt. Und ich glaube, das kommt hier zum Ausdruck: auf der einen Seite diese Graswurzelarbeit. Also die Menschen, die hierherkommen, wissen, worüber sie sprechen, weil sie tief verästelt sind in ihren Gemeinden. Und gleichzeitig haben sie den großen Blick. Unsere Projektpartner sind keine abgehobenen Personen, sondern sie gehen zurück in die pastorale Wirklichkeit der Menschen und wissen um die Nöte. Dass das hier zum Ausdruck kommen kann, und zwar auf diesem internationalen Level, das ist, glaube ich, eine Stärke der Synode“, meint Bingener.
Konkrete Ergebnisse?
Allerdings schien unter den Teilnehmern selbst noch ein wenig Verwirrung darüber zu herrschen, ob das aktuelle Synodentreffen nun zu konkreten Ergebnissen und Entscheidungen führen werde oder nicht. Zwar sei eine Synode eigentlich ein „Prozess der Entscheidungsfindung“, doch andererseits sei die Fragestellung bewusst offengehalten, auch sei das Treffen mit dem aktuellen Synodengeschehen nicht abgeschlossen, komme man doch im kommenden Oktober im gleichen Rahmen wieder zusammen, so die angeregte Diskussion im Kreis. Doch davon abgesehen sei es wichtig, sich in der Begegnung mit dem anderen berühren – und vielleicht auch ein Stück weit verändern - zu lassen, merkten die Teilnehmer an:
„Ich glaube Ihnen das“, unterstreicht Bingener mit Überzeugung. „Und ich vertraue darauf, dass die Synodenteilnehmerinnen und -teilnehmer wirklich den Willen zu dieser Offenheit haben und auch dazu, ein Stück zurückzutreten von den eigenen Meinungen und wirklich von den anderen zu hören. Denn wie sollen sich sonst Positionen annähern? Wie soll man sonst einen gemeinsamen Weg gehen, wenn nicht jeder auch bereit ist, einen Schritt zurückzugehen und erst mal zu hören? Und die Frage ist ja letztlich: Meinen die das ehrlich? Und ich habe am heutigen Tag von denen, die hier waren - und ich gehe auch davon aus, dass das für die Synodenteilnehmerinnen und -teilnehmer insgesamt gilt - den Eindruck gewonnen, dass sie zu diesem Weg bereit sind, weil nur so wird ja Veränderung entstehen.“
Bereit zur Veränderung
Einig zeigten sich die Synoden-Teilnehmer bei ihrer positiven Bewertung des päpstlichen Wunsches nach Stille und Zurückhaltung, um die Synoden-Beratungen zu einem geschützten Raum zu machen – eine Methodik, die jesuitischen Exerzitien entlehnt ist und Unterscheidung mithilfe des Heiligen Geistes ermöglichen soll. Dass dies angesichts der Teilnehmerzahl und des erhöhten Medieninteresse schwierig umzusetzen sei, räumten die Teilnehmer unumwunden ein.
Doch vielleicht, so die am Rand des Treffens ausgedrückte Hoffnung, könnte ja die Tatsache, dass aufgrund der päpstlichen Weisung zur Stille mehr über das „Wie“ als über das „Was“ gesprochen werde, auch dazu beitragen, dass außerhalb der „Synoden-Blase“ ein Denk- und Aufnahmeprozess in Gang gesetzt werde, der die Delegierten letztlich bei ihrer Unterscheidung unterstütze. Ein Ergebnis, zu dem auch die missio-Begegnungen im Campo Santo Santo beitragen wollen, bestätigt Pfarrer Bingener.
„Und sicherlich wird es nachher auch darum gehen zu fragen: Was bleibt jetzt von diesen Tagen? Und meine Hoffnung ist wirklich, dass man einen Weg findet, in der Form stärker zusammenzufinden, um dann auch die Fragestellungen, die alle mitbringen, in einer guten Art und Weise zu bearbeiten. Für mich ist wirklich das Bild dieser runden Tische, um die viel Raum ist, also dass man auch nicht an einem Tisch festsitzt, sondern dass man sich begegnet, wirklich ein gutes Bild für die Synode und deswegen bin ich ganz hoffnungsvoll.“
(vatican news)
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