Papst besucht erneut Pfarrei in römischem Problemviertel
Salvatore Cernuzio und Christine Seuss – Rom
„So viele Priester!”, so der spontane Ausruf des Papstes, nachdem er rund eine Stunde lang in seinem kleinen Auto unterwegs war, um vom Vatikan in die östlichste Peripherie der italienischen Hauptstadt zu gelangen. Wer den römischen Verkehr kennt, weiß, dass mit ein wenig Regen der Verkehr sofort blockiert – und wundert sich erst recht darüber, dass Papst Franziskus darauf bestanden hatte, sich geduldig ins Verkehrsgeschehen einzureihen, mit seinem Konvoi brav an den Ampeln wartete und überhaupt wenig Aufhebens um seinen letztlich nicht mehr ganz so kurzen Ausflug machen wollte. Nur wenn sich die flinken Scooter im Verkehrsgeschehen allzu dicht an die päpstliche Karosse heranwagten, schritt die begleitende Polizei ein. Kurz nach 16 Uhr traf der Papst schließlich am Ziel ein, eine Pfarrei in einem sozialen Brennpunkt Roms, der sich über Tor Bella Monaca, Torre Angela, Torre Gaia und andere Viertel erstreckt. Armut, soziale Vernachlässigung und Ausgrenzung sind an der Tagesordnung, während die Kirche mit Initiativen von Solidarität und Zusammenarbeit dicht an der Seite der Menschen steht.
Insbesondere die Pfarrei Santa Maria Madre dell’Ospitalità, 1985 errichtet, trägt die Aufnahme nicht nur im Namen: im so genannten „Villaggio“ („Dörfchen“), das etwas entfernt von den großen Wohnblöcken in einer grünen Umgebung liegt, gibt es zwölf Appartements, in denen Familien in Notlagen leben, Italiener wie Ausländer. Es handelt sich um Arme, Flüchtlinge oder Familien, die gezwungen wurden, aus ihrer Wohnung auszuziehen. „Wenn sie ihre Wohnungen verlieren, nehmen wir die ganze Familie auf: Mutter, Vater, Kinder“, erklärte der Pfarrer, Rocco Massimiliano Caliandro, dem Papst. „Normalerweise, wenn sie die Wohnung verlieren, werden sie getrennt. Wir nehmen sie gemeinsam für ein oder zwei Jahre auf, dann können sie auf eigenen Füßen stehen.“ Einige der Bewohner, darunter auch Flüchtlinge aus Afrika und der Ukraine, durften den Papst auch persönlich begrüßen: am Ende seines Besuches hielt er sich kurz mit ihnen auf.
Doch das Hauptziel des päpstlichen Besuches war die Begegnung mit „seinen“ Priestern, wie bereits bei seinen anderen Besuchen in den verschiedenen römischen Vierteln, wo sich der Bischof von Rom aus erster Hand über die Realitäten in seiner Diözese informieren will. Den Beginn der aktuellen Besuchsreihe hatte Franziskus mit seiner Stippvisite in der Pfarrei Santa Maria della Salute am vergangenen 29. September gemacht, im römischen Viertel Primavalle, das in der römischen Berichterstattung durch den gewaltsamen Tod zweier Frauen zu trauriger Berühmtheit gekommen war. Geschlechterspezifische Gewalt ist nur eines der Probleme, das die sozial schwachen Randbezirke der Hauptstadt umtreibt. An diesem Donnerstag unterhielt sich der Papst mit 35 Priestern, die in den Pfarreien des östlich gelegenen Bezirks aktiv sind.
Eingeführt durch den römischen Weihbischof Riccardo Lamba, war es dem Papst ein Aliegen, jedem der Priester die Hand zu geben und dabei auch päpstliche Rosenkränze zu verteilen, ein Geschenk, das Papstaudienzen gerne begleitet. Im Inneren der Pfarrei wurde er durch Rosario und Anna erwartet, ein Paar, das auf 50 gemeinsame Ehejahre zurückblickt. „Wer hatte denn mehr Geduld?“, so die launige Begrüßung durch das Kirchenoberhaupt. „Ich“, antwortete Anna ohne zu zögern, um ihm dann den jüngsten Sohn von insgesamt vier Kindern vorzustellen, den Vater eines ihrer acht Enkel. Auch sie bekamen vom Papst einen Rosenkranz in die Hand gedrückt: „Betet für mich“, so die gewohnte Bitte des Papstes. Danach begab er sich in die Kapelle, wo er auf seinem Rollstuhl sitzend im Gebet verharrte.
Nach einem starken Espresso („Danke, so schlafe ich nicht ein“, der scherzhafte Kommentar) dann die Begegnung mit den Priestern, eingeleitet mit dem gemeinsamen Gebet zum Heiligen Geist, das für das Pastoraljahr 2023/24 ausgewählt worden war. An einem Schreibtisch sitzend nahm Franziskus dann die Fragen der Priester entgegen, machte sich einige Notizen und antwortete auf jede von ihnen. Insgesamt eine Stunde lang dauerte der Austausch, bei dem es vor allem um pastorale Themen ging: Arbeit, Erstkommunion, Sakramente, Armut, Aufnahme, Hilfestellung für sozial schwächer gestellte Menschen, Evangelisierung. „Ein sehr offener, herzlicher und familiärer Dialog”, beschrieb Bischof Lamba. „Der Papst hat alle ermutigt, mit dem Werk des Guten weiterzumachen, das sie schon tun, angefangen dabei, mitten unter den Menschen zu sein und das Evangelium anzubieten, auch wenn es Schwierigkeiten gibt. Er hat gesagt, weiter diesen synodalen Stil in den Pfarreien zu haben, was eine ständige Zusammenarbeit zwischen Priestern und Laien erfordert.“
Dann ein herzlicher Gruß mit anderen Pfarreimitgliedern – die beim Austausch unter den Priestern nicht dabei waren – und die herzlich gemeinte Einladung: „Kommen Sie, wann Sie wollen! Sicher… das ist nicht einfach” durch einen Anwesenden. Auch bei dieser Gelegeneheit wollte der Papst jeden grüßen, machte geduldig bei Selfies mit, nahm Gebetsanliegen auf und unterschrieb auch kleine Erinnerungszettel.
Letzte Etappe des Besuchs, die Begegnung mit den Familien, die in der Pfarrei Aufnahme gefunden haben. Unter ihnen ein Paar mit zwei Kindern, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen und vor einem Monat in Rom eingetroffen sind. In einem Halbkreis aufgestellt, begrüßten die Schützlinge der Pfarrei den Papst mit einem Applaus. „Da ist er!“, so der Ausruf eines kleinen afrikanischen Mädchens, in der Hand ein Foto, das sie selbst mit Papst Franziskus auf dem Petersplatz zeigt. „Da warst du noch klein, jetzt bist du groß“, so die Mama mit einem Lächeln. Berührend auch der Handschlag zwischen dem Papst – im Rollstuhl – und einem zwanzigjährigen Asiaten, der wegen seiner amputierten Beine ebenfalls auf den Rollstuhl angewiesen ist. Beide wechselten kein Wort, nur einen Blick und ein Lächeln. „Danke für den Empfang“, wandte sich Franziskus abschließend an die Gemeinschaft. Auch die Journalisten, die geduldig vor der Pfarrei auf das Ende des Besuchs warteten, wurden durch einen Gruß und einen Dank für ihre Arbeit durch das Kirchenoberhaupt belohnt. Auf dem Rückweg ging es dann schneller: der Verkehr hatte nachgelassen, und diesmal schaltete die Polizei das Blaulicht an, um den Bischof von Rom schneller wieder in den Vatikan zu bringen.
(vatican news)
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