Viele neue Details: Eine Autobiografie von Papst Franziskus
Die italienische Tageszeitung „Corriere della Sera“ druckt in ihrer Donnerstagsausgabe exklusiv einige Vorab-Auszüge aus dem Text ab, den der Papst zusammen mit dem Journalisten Fabio Marchese Ragona verfasst hat. Darin lässt Franziskus seine 87 Lebensjahre Revue passieren; den Leser erwarten offenbar viele bislang unbekannte Details aus der Vita von Jorge Mario Bergoglio. Er erfährt etwa, dass der heutige Papst als Kind oft im Kino war und den italienischen Ohrwurm „O sole mio“ liebte.
Bei der Hochzeit des Onkels...
Franziskus bestätigt, dass er in seiner Jugend eine Freundin gehabt habe („Sie arbeitete in der Welt des Kinos und hat später geheiratet und Kinder bekommen“). Sogar in seiner Zeit im Priesterseminar von Buenos Aires habe ihm eine junge Frau, die er während der Hochzeit eines Onkels gesehen habe, den Kopf verdreht („Eine Woche lang hatte ich ihr Bild ständig vor Augen und hatte Mühe, zu beten! Zum Glück ging das vorbei, und ich konnte Seele und Leib meiner Berufung widmen“).
„Die Rache einiger Linker“
Ausführlich geht der Papst auf die Zeit der Militärdiktatur in Argentinien ein. Für die Freilassung der zwei vom Militär verschleppten Jesuiten Yorio und Jalics habe er sich sehr eingesetzt, außerdem habe er etwa zwanzig junge Leute, die vom Regime gesucht wurden, versteckt. „Die Anschuldigungen gegen mich hielten bis vor kurzem an. Es war die Rache einiger Linker, die wussten, wie sehr ich mich gegen diese Gräueltaten gewehrt hatte.“ Im November 2010 sei er während eines Prozesses ausführlich zu seiner Haltung in der damaligen Zeit verhört worden. „Danach vertrauten mir einige Leute an, dass die damalige argentinische Regierung mit allen Mitteln versucht hatte, mir die Schlinge um den Hals zu legen, aber dass sie am Ende keine Beweise gefunden hatten, weil ich sauber war.“
Interessant sind die Ausführungen von Franziskus zu seinem Vorgänger, dem Ende 2022 verstorbenen Benedikt XVI. Der deutsche Papst war 2013 nach acht Jahren Pontifikat vom Papstamt zurückgetreten und hatte bis zu seinem Tod in den Vatikanischen Gärten gelebt. „Ich habe mit Bedauern gesehen, wie seine Figur als emeritierter Papst im Laufe der Jahre von skrupellosen Leuten für ideologische und politische Zwecke instrumentalisiert wurde, die, nachdem sie seinen Rücktritt nicht akzeptiert hatten, auf ihren eigenen Vorteil … bedacht waren und die dramatische Möglichkeit eines Bruchs innerhalb der Kirche unterschätzten.“
Franziskus hatte wenige Tage nach seiner Wahl zum Papst 2013 seinen Vorgänger aufgesucht. In dem neuen Buch sagt er dazu: „Wir haben gemeinsam beschlossen, dass es für ihn besser wäre, nicht im Verborgenen zu leben, wie er zunächst angenommen hatte, sondern die Menschen zu sehen und am Leben der Kirche teilzunehmen. Leider hat es wenig genützt, denn die Polemik in den letzten zehn Jahren ist nicht ausgeblieben und hat uns beiden geschadet“.
Auch aus dem Konklave, das ihn zum Nachfolger Petri wählte, verrät Papst Franziskus einige Details. So habe er von Anfang an viele Stimmen bekommen: „Bei der ersten Abstimmung wäre ich fast gewählt worden, da kam der brasilianische Kardinal Claudio Hummes auf mich zu und sagte: Hab keine Angst; das ist es, was der Heilige Geist tut“.
Kein Vorzimmer zum Schisma
Der Papst lässt wissen, dass er zu einer Reise in seine argentinische Heimat noch nicht wirklich entschlossen sei; und er verurteilt Abtreibung und Atomwaffen. Der Europäischen Union wirft er vor, „anscheinend alles vereinheitlichen zu wollen“, statt in den unterschiedlichen Kulturen einen „Reichtum“ zu sehen. Zum innerkirchlichen Widerstand gegen die Segenserlaubnis für homosexuelle Paare erklärt er: „Ich möchte nur sagen, dass Gott alle Menschen liebt, besonders die Sünder. Und wenn Mitbrüder im Bischofsamt beschließen, diesen Weg nicht zu gehen, bedeutet das nicht, dass dies das Vorzimmer zu einem Schisma wäre, denn die Lehre der Kirche wird nicht in Frage gestellt“.
Wenn er all den Dingen nachgegangen wäre, die über ihn gesagt und geschrieben würden, dann müsste er sicher einmal in der Woche zum Psychologen gehen, äußert Franziskus weiter. Verletzt reagiert er auf Kritiken, dass er das Papsttum zerstöre. „Was soll ich sagen? Dass meine Berufung eine priesterliche ist: In erster Linie bin ich Priester, ich bin Hirte, und Hirten müssen mitten unter den Menschen sein... Es stimmt, dass der Vatikan die letzte absolute Monarchie in Europa ist und dass hier oft Argumente und Hofmanöver im Spiel sind, aber diese Schemata müssen endgültig aufgegeben werden.“
„Nie an Rücktritt gedacht“
Auch in „schwierigen Momenten“ hat Papst Franziskus nach eigenen Angaben „nie an Rücktritt gedacht“, wie er in dem neuen Buch bekräftigt. „Ich denke, dass das Petrusamt ad vitam ist, deshalb sehe ich keine Bedingungen für einen Verzicht.“ Anders sähe das jedoch aus, „wenn eine schwerwiegende körperliche Behinderung eintreten würde“, so der Papst: „Für diesen Fall habe ich bereits zu Beginn meines Pontifikats den Brief mit dem Verzicht unterzeichnet, der im Staatssekretariat hinterlegt ist. In diesem Fall würde ich mich nicht Papst Emeritus nennen, sondern einfach Bischof Emeritus von Rom, und ich würde nach Santa Maria Maggiore ziehen, um wieder Beichtvater zu sein und Kranken die Kommunion zu bringen.“
Aber das sei „eine weit hergeholte Hypothese“, so der Papst bündig. „Vielleicht hat jemand im Laufe der Jahre gehofft, dass ich früher oder später, vielleicht nach einem Krankenhausaufenthalt, eine solche Ankündigung machen würde, aber dieses Risiko besteht nicht: Gott sei Dank erfreue ich mich guter Gesundheit, und so Gott will, gibt es noch viele Projekte zu verwirklichen.“
(vatican news – sk)
Die in diesem Artikel angeführten Zitate wurden auf Grundlage des Artikels des Corriere della Sera von diesem Donnerstag aus dem Italienischen ins Deutsche übersetzt.
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.