Papst: Das wahre Glück liegt im rechten Maß
Silvia Kritzenberger - Vatikanstadt
„Wie kommt es, dass alle Menschen nach Glück streben und nur so wenige dieses Ziel erreichen?“ fragte der Papst seine Zuhörer auf einem sonnigen Petersplatz. „Um diese Frage zu beantworten, befasst sich Aristoteles mit den Tugenden, unter denen die enkráteia, die Mäßigung, eine herausragende Stellung einnimmt. Wörtlich bedeutet der griechische Begriff ,Macht über sich selbst'. Diese Tugend ist also die Fähigkeit der Selbstbeherrschung, die Kunst, sich nicht von rebellischen Leidenschaften überwältigen zu lassen, Ordnung in das zu bringen, was Manzoni das ,Durcheinander des menschlichen Herzens' nennt.“
Schon das Wort „Mäßigung“ lasse erkennen, worum es ginge: um Ausgeglichenheit, das „rechte Maß“, so Franziskus weiter.
Nicht einfach alles dahersagen, was einem gerade in den Sinn kommt...
„Man legt in jeder Situation ein weises Verhalten an den Tag, denn Menschen, die immer aus einem Impuls heraus oder im Überschwang handeln, sind letztlich unzuverlässig. Menschen ohne Mäßigung sind unzuverlässig, immer. In einer Welt, in der sich so viele Menschen damit brüsten, zu sagen, was sie denken, zieht es der maßvolle Mensch vor, das was er sagt, auch zu durchdenken. Seht ihr den Unterschied? Nicht einfach das sagen, was mir in gerade so den Sinn kommt, einfach so... Nein, das durchdenken, was ich sage. Der maßvolle Mensch macht keine leeren Versprechungen, sondern geht Verpflichtungen ein in dem Maß, in dem er sie auch erfüllen kann.“
Die Mutter aller Tugenden
Im Mittelalter sah Hildegard von Bingen im rechten Maß die „Mutter aller Tugenden“ – und auch Goethe wusste, dass „aus Mäßigkeit ein reines Glück entspringt“. So helfe diese Tugend auch gerade in unserer schnelllebigen Zeit, die vielfach zur Übertreibung und Zügellosigkeit neigt, die Güter und Freuden des Lebens auch wirklich genießen zu können.
„Wie viele Menschen, die in ihrer Unersättlichkeit alles ausprobieren wollten, haben am Ende den Geschmack an allem verloren!“, stellt das Kirchenoberhaupt fest. „Da ist es doch besser, das rechte Maß zu finden: so kann man ja auch einen guten Wein viel besser genießen, wenn man ihn in kleinen Schlucken trinkt, als wenn man ihn einfach nur in einem Zug hinunterschüttet. Das kennen wir alle...“
Aber auch im Zusammenleben mit anderen spricht Franziskus dieser Tugend eine wichtige Rolle zu, hielte sie uns doch dazu an, unsere Worte stets abzuwägen und klug zu dosieren. Und das könne verhindern, dass man sich in einem Moment des Ärgers dazu hinreißen lasse, Dinge zu sagen, die Freundschaften zerstören können, gab Franziskus zu bedenken.
„Es gibt eine Zeit zum Reden und eine Zeit zum Schweigen, aber beides braucht das rechte Maß. Und das gilt für viele Dinge: auch für das Zusammensein mit anderen und für das Alleinsein,“ so sein Rat.
Die Gabe des maßvollen Menschen sei also die Ausgeglichenheit, eine ebenso wertvolle wie seltene Eigenschaft, spann der Papst den Faden weiter. Doch das hieße bei weitem nicht, dass man sich über nichts empören dürfe. Im Gegenteil: Ein zurechtweisendes Wort sei manchmal „gesünder als ein säuerliches, verbittertes Schweigen“ und oft auch notwendig, wenn man dem „Bösen nicht freien Lauf“ lassen wolle, gab Franziskus zu bedenken.
„Wer maßvoll ist, schätzt die Wertschätzung der anderen, macht sie aber nicht zum alleinigen Kriterium für alles, was er tut und sagt. Der maßvolle Mensch ist sensibel, er kann weinen und er schämt sich nicht dafür; aber er weint nicht über sich selbst. Wenn er eine Niederlage erlitten hat, steht er wieder auf; und so - siegreich - kann er dann in sein früheres verborgenes Leben zurückkehren. Er sucht nicht nach Beifall, sondern weiß, dass er die anderen braucht,“ so der abschließende Denkanstoß des Papstes bei der Generalaudienz am Mittwoch der 3. Osterwoche.
(vaticannews – skr)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.