Papst: Kunst überwindet Gewalt und Diskriminierung
Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt
Der Heilige Stuhl beteiligt sich schon seit einiger Zeit mit einem eigenen Pavillon bei der internationalen Kunstausstellung. Dieses Jahr ist der Beitrag aus dem Vatikan dem Thema Menschenrechte gewidmet und im örtlichen Frauengefängnis auf der Giudecca-Insel angesiedelt. Die beteiligten Künstlerinnen und Künstler, Kuratoren sowie auch Vertreter der Behörden traf der Papst in der Gefängniskappelle. Auch sie ist Teil des Vatikan-Beitrags für die Biennale: Die Künstlerin Sonia Gomes hat aus Häftlingskleidung eine skulpturale Installation geschaffen, die von der Decke hängt. In der entweihten Kapelle hat die brasilianische Künstlerin Kleidungsstücke der Insassinnen zu farbenfrohen Strängen gemacht: Bunte Farbtupfer in der ansonsten eher von grauem und weißem Marmor dominierten kleinen Kapelle. Das verdeutlichte bildlich ein wenig das, was Papst Franziskus in seiner Rede zum Thema Kunst hier ausführte:
„Die Kunst hat schließlich in jeder Hinsicht den Status einer ,Stadt der Zuflucht`, einer Stadt, die sich dem Regime der Gewalt und der Diskriminierung widersetzt, um Formen menschlicher Zugehörigkeit zu schaffen, die in der Lage sind, alle anzuerkennen, einzubeziehen, zu schützen und alle zu umarmen. Alle, angefangen bei den Letzten."
Menschenrechte gewährleisten
Franziskus würdigte Kunst also als Raum, der alle aufnimmt und für alle da ist. Der Papst zog hier eine Parallele zu den Zufluchtsstädten, die in der Bibel, im Buch Deuteronomium als Zufluchtsorte beschrieben werden, um „das Vergießen von unschuldigem Blut zu verhindern und blinde Rachegelüste zu zügeln, den Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten und Formen der Versöhnung zu suchen", wie der Papst es selbst beschrieb.
Dazu führte das katholische Kirchenoberhaupt weiter aus:
Schreckliche Wortschöpfung: Feindseligkeit gegenüber Armen
„Es wäre wichtig, dass sich die verschiedenen künstlerischen Ausdruckformen überall als eine Art Netz von Zufluchtsstädten etablieren, die gemeinsam daran arbeiten, die Welt von sinnlosen und leeren Antinomien zu befreien, die im Rassismus, in der Fremdenfeindlichkeit, in Ungleichheit, ökologischem Ungleichgewicht und Aporophobie – diesem schrecklichen Neologismus, der ,Feindseligkeit gegenüber den Armen`bedeutet –, die Oberhand gewinnen wollen."
Frauen würdigen
In der Kapelle des Frauengefängnisses, in dem der Vatikan Beitrag zur Biennale dieses Jahr angesiedelt ist, würdigte Papst Franziskus zudem auch explizit einige weibliche Künstlerinnen - konkret nannte er hier die mexikanische Malerin Frida Kahlo (1907-1954), die französisch-US-amerikanische Künstlerin Louise Bourgeois (19011-2010) und die US-amerikanische Ordensfrau und Künstlerin Corita Kent (1918-1986), von der auch Werke im Pavillon des Heiligen Stuhls bei der Biennale zu sehen sind: In der Cafeteria sind Werke Künstlerin, die wegen ihrer Vergangenheit als Ordensfrau verschiedentlich als „Pop-Art-Nonne" bezeichnet wird, ausgestellt. Das katholische Kirchenoberhaupt rief dazu auf, Frauen mehr Gehör zu schenken - auch dazu können die Kunst einen Beitrag leisten:
„Ich hoffe von ganzem Herzen, dass die zeitgenössische Kunst uns die Augen öffnen und helfen kann, den Beitrag, den Frauen als Co-Protagonisten zum menschlichen Abenteuer leisten, entsprechend zu würdigen.
Kommerzialisierung der Kunst
Der Beitrag des Heiligen Stuhls im Frauengefängnis steht unter dem Motto „Mit meinen Augen“. Dazu führte Franziskus aus:
„Wir alle haben das Bedürfnis, angesehen zu werden und es zu wagen, uns selbst anzusehen. Darin ist Jesus der ewige Lehrmeister: Er sieht jeden mit der Intensität einer Liebe an, die nicht urteilt, sondern Nähe und Ermutigung zu schenken weiß. Und ich würde sagen, dass uns die Kunst zu dieser Art des Blicks erzieht: nicht besitzergreifend, nicht objektivierend, aber auch nicht gleichgültig und oberflächlich."
In diesem Zusammenhang brachte das Kirchenoberhaupt auch eine Kritik an der Kommerzialisierung von Kunst an: Heute sei es „dringlicher denn je", zwischen Kunst und Markt zu unterscheiden. „Gewiss, der Markt fördert und ehrt, aber es besteht immer auch die Gefahr, dass er die Kreativität ,vampirisiert`, ihr die Unschuld raubt und schließlich kalt vorschreibt, was zu tun ist."
Neue Ära für Kunst und Kirche
Kardinal José Tolentino de Mendonça, der Präfekt des vatikanischen Kultur-Dikasteriums, sagte bei der Begegnung mit den Künstlerinnen und Künstlern, Papst Franziskus wolle durch den ersten Besuch eines Papstes bei der Biennale eine „neue Ära in den Beziehungen der Kirche zur Welt der Kunst" einleiten. In der Beziehung von Kirche und Kunst habe es auch „Zweideutigkeiten und Spannungen gegeben", die auch durch die Schwierigkeit der Kirche verursacht würden, „die Autonomie der Kunst zu verstehen und zu akzeptieren, die zu Recht nicht akzeptiert, als bloßer Resonanzboden für die Worte anderer zu dienen", so der Kardinal. Der Besuch von Papst Franziskus bei der Biennale und der Vatikan-Beitrag zur Kunstschau belegten dies:
„Dieser Pavillon legt Zeugnis davon ab. Wir haben uns nicht die bequemsten Künstler ausgesucht. Wir wollten keinen Graben bauen oder uns in einer Vision isolieren. Im Gegenteil, wir laden jeden ein, mit eigenen Augen zu sehen. In diesem Sinne haben wir uns entschieden, eher Mieter und Nachbarn als Gastgeber zu sein."
Das Frauengefängnis ist dementsprechend nicht bloß der Rahmen der Kunst, die der Vatikan dort zeigt: Die Werke sind im Dialog mit den gefangenen Frauen entstanden und einige der Insassinnen führen die Besucher persönlich durch die Ausstellung.
Interessenten melden sich über eine Webseite an, jeden Tag werden vier Gruppen von 25 Personen eingelassen, und zwar um 11 Uhr, um 12 Uhr, um 15 Uhr und um 16 Uhr. Der Vatikan-Pavillon ist täglich außer mittwochs geöffnet.
(vatican news - sst)
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