Generalaudienz am 29. Mai 2024: Der Wortlaut
Liebe Brüder und Schwestern, guten Morgen!
Heute beginnen wir mit dieser Katechese einen Zyklus von Betrachtungen zum Thema „Der Heilige Geist und die Braut (die Braut ist die Kirche). Der Heilige Geist führt das Volk Gottes zu Jesus, unserer Hoffnung“. Wir werden diese Reise durch die drei großen Etappen der Heilsgeschichte machen: das Alte Testament, das Neue Testament und die Zeit der Kirche. Unser Blick ist dabei immer auf Jesus, unsere Hoffnung, gerichtet.
In diesen ersten Katechesen über den Geist im Alten Testament werden wir keine „biblische Archäologie“ betreiben. Stattdessen werden wir entdecken, dass das, was im Alten Testament als Verheißung gegeben wird, sich in Christus vollständig verwirklicht hat. Es wird so sein, als würden wir den Weg der Sonne vom Morgengrauen bis zum Mittag verfolgen.
Geist stellt Harmonie her
Beginnen wir mit den ersten beiden Versen der gesamten Bibel: „Im Anfang erschuf Gott Himmel und Erde. Die Erde war wüst und wirr und Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser“ (Gen 1,1-2). Der Geist Gottes erscheint uns hier als die geheimnisvolle Kraft, die die Welt aus ihrem anfänglichen formlosen, verlassenen und düsteren Zustand in ihren geordneten und harmonischen Zustand versetzt. Denn der Heilige Geist stellt Harmonie her, Harmonie im Leben, Harmonie in der Welt.
Mit anderen Worten: Er ist es, der die Welt aus dem Chaos in den Kosmos, d. h. aus der Verwirrung in etwas Schönes und Geordnetes übergehen lässt. Das ist in der Tat die Bedeutung des griechischen Wortes kosmos und auch des lateinischen Wortes mundus, d.h. etwas Schönes, Geordnetes, Reines, Harmonisches. Denn der Geist ist Harmonie.
Das Wort des Herrn
Diese noch vage Andeutung des Wirkens des Geistes in der Schöpfung wird im weiteren Verlauf der Offenbarung präzisiert. In einem Psalm heißt es: „Durch das Wort des HERRN wurden die Himmel geschaffen, ihr ganzes Heer durch den Hauch seines Mundes.“ (Ps 33,6); und weiter: „Du sendest deinen Geist aus: Sie werden erschaffen und du erneuerst das Angesicht der Erde“ (Ps 104,30).
Diese Entwicklungslinie wird im Neuen Testament sehr deutlich, das das Eingreifen des Heiligen Geistes in die neue Schöpfung beschreibt und dabei genau die Bilder verwendet, von denen wir im Zusammenhang mit der Entstehung der Welt lesen: die Taube, die bei der Taufe Jesu über dem Wasser des Jordans schwebt (vgl. Mt 3,16); Jesus, der im Abendmahlssaal die Jünger anhaucht und sagt: „Empfangt den Heiligen Geist“ (Joh 20,22), so wie Gott am Anfang Adam seinen Atem eingehaucht hat (vgl. Gen 2,7).
Sünde der Menschheit
Der Apostel Paulus führt ein neues Element in diese Beziehung zwischen dem Heiligen Geist und der Schöpfung ein. Er spricht von einem Universum, das „seufzt und in Geburtswehen liegt“ (vgl. Röm 8,22). Es leidet wegen des Menschen, der es der „Knechtschaft der Vergänglichkeit“ unterworfen hat (vgl. V. 20-21).
Das ist eine Realität, die uns sehr stark und dramatisch betrifft. Der Apostel sieht die Ursache für das Leiden der Schöpfung in der Verderbnis und der Sünde der Menschheit, die sie in die Entfremdung von Gott hineingezogen hat. Das gilt heute noch genauso wie damals. Wir sehen die Verwüstungen, die der Mensch an der Schöpfung angerichtet hat und immer noch anrichtet, vor allem der Teil der Menschheit, der die größeren Möglichkeiten hat, ihre Ressourcen auszubeuten.
Der heilige Franz von Assisi zeigt uns einen Ausweg, einen schönen Ausweg, einen Ausweg, um zur Harmonie des Geistes zurückzukehren: den Weg der Kontemplation und des Lobpreises. Er wollte, dass ein Lobgesang auf den Schöpfer von den Geschöpfen angestimmt wird: „Laudato si', mi Signore...“, der Sonnengesang des heiligen Franz von Assisi.
Verwandlung
„Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes“ - singt ein Psalm (19,2) - aber sie brauchen Mann und Frau, um diesem stummen Schrei eine Stimme zu geben. Und im „Heiligen“ der Messe wiederholen wir jedes Mal: „Voll sind Himmel und Erde von deiner hohen Herrlichkeit“. Sie sind sozusagen „schwanger“ damit, aber sie brauchen die Hände einer guten Hebamme, um dieses ihr Lob zu gebären. Unsere Berufung in der Welt, so erinnert uns Paulus erneut, besteht darin, „Lob seiner Herrlichkeit“ zu sein (Eph 1,12). Es geht darum, die Freude am Betrachten vor die Freude am Besitzen zu stellen. Und niemand hat sich mehr über die Geschöpfe gefreut als Franz von Assisi, der keine besitzen wollte.
Brüder und Schwestern, der Heilige Geist, der am Anfang das Chaos in den Kosmos verwandelte, ist am Werk, um diese Verwandlung in jedem Menschen zu bewirken. Durch den Propheten Hesekiel verheißt Gott: „Ich gebe euch ein neues Herz und einen neuen Geist gebe ich in euer Inneres. Ich gebe meinen Geist in euer Inneres…“ (Ez 36,26-27).
Das innere und äußere Chaos
Denn unser Herz gleicht jenem verlassenen, dunklen Abgrund aus den ersten Versen der Genesis. In ihm regen sich gegensätzliche Gefühle und Begierden: die des Fleisches und die des Geistes. Wir alle sind in gewisser Weise das „in sich gespaltene Reich“, von dem Jesus im Evangelium spricht (vgl. Mk 3,24). Wir können sagen, das um uns ein äußeres Chaos herrscht - ein soziales Chaos, ein politisches Chaos: denken wir an die Kriege, an die vielen Mädchen und Jungen, die nichts zu essen haben, an die vielen sozialen Ungerechtigkeiten; das ist das äußere Chaos. Aber es gibt auch ein inneres Chaos in jedem von uns. Ersteres kann nicht geheilt werden, wenn wir nicht damit beginnen, letzteres zu heilen! Brüder und Schwestern, bemühen wir uns, unsere innere Verwirrung zu einer Klarheit des Heiligen Geistes zu machen: Es ist die Kraft Gottes, die das tut, und wir öffnen unsere Herzen, damit er es tun kann.
Die Klarheit des Geistes
Möge diese Überlegung in uns den Wunsch wecken, den Schöpfergeist zu erfahren. Seit mehr als einem Jahrtausend legt uns die Kirche den Ruf auf die Lippen: „Veni creator Spiritus“, Komm, Schöpfer Geist! Kehr bei uns ein, besuch das Herz der Kinder dein: Die deine Macht erschaffen hat, erfülle nun mit deiner Gnade. Bitten wir den Heiligen Geist, zu uns zu kommen und uns zu neuen Menschen zu machen, mit der Neuheit des Geistes. Ich danke euch.
(vatican news - cs/pr)
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