Der Papst und die Kinder: Für eine geschwisterliche Welt
Christine Seuss - Vatikanstadt
Am Samstagnachmittag bevölkerte sich die Synodenaula in der Audienzhalle mit Kindern, die gemeinsam mit Papst Franziskus über eine Zukunft im Zeichen der Geschwisterlichkeit und ohne Krieg nachdachten – ein Treffen, das nicht nur im Rahmen des zweiten Welttages der Geschwisterlichkeit stattfand, das am Freitag und Samstag in Rom und im Vatikan tagte, sondern auch als Vorbereitung auf den kommenden Welttag der Kinder gedacht war, den Papst Franziskus für das letzte Maiwochenende in Rom einberufen hatte.
Zwei Tage im Zeichen des Weltkindertages
72.000 Kinder aus aller Welt und ihre Begleiter werden sich aus diesem Anlass am Samstag, 25. Mai im römischen Olympiastadion treffen, während eine genaue Teilnehmerzahl für die Papstmesse und das Treffen am Sonntag auf dem Petersplatz noch aussteht. Der „Kindertisch” an diesem Samstag war ein Vorgeschmack – und einer von zwölf thematischen Tischen für eine „menschliche und friedliche Welt“, die im Rahmen des Welttreffens zur Geschwisterlichkeit #BeHuman mit der Teilnahme von rund 30 Friedensnobelpreisträgern, Wissenschaftlern, Wirtschaftsvertretern, Sportlern, Vertretern des Gesundheitswesens, Politikern und engagierten Bürgern zusammenkamen. Sie alle diskutierten unter dem Vorzeichen des päpstlichen Schreibens „Fratelli tutti“ und unter der Leitung von Kardinal Mauro Gambetti, dem päpstlichen Generalvikar für die Vatikanstadt sowie Präsidenten der gleichnamigen Stiftung über Vorschläge für eine geschwisterliche Welt und Alternativen zu Krieg und Armut.
Kindern zuhören
Die Arbeiten, moderiert durch den Airbus-Kapitän und Publizisten Aldo Cagnoli und den Papstabgeordneten für den Welttag der Kinder, P. Enzo Fortunato, waren bereits seit einer knappen Stunde im Gang, als der Papst um kurz vor 17 Uhr in die Aula kam. Es gehe darum, so Cagnoli in seiner Vorstellung der Initiative, die Eingebung des Papstes mit Leben zu füllen, dass man zunächst einmal den Kindern zuhören müsse: „Es ist wichtig, Wege zu beginnen, langsam, wenn wir so wollen, aber unausweichlich“, auf der Linie dessen, was der Lehre des Papstes entspreche, erläuterte der Moderator.
Dabei kamen auch weitere konkrete Initiativen zur Sprache, so berichtete die Friedensnobelpreisträgerin von 1997 für ihren Einsatz gegen Antipersonenminen, Jodi Williams, ebenso wie die ehemalige Bambin-Gesu-Leiterin Mariella Enoc. Sie stellte ein Projekt vor, das als Frucht des aktuellen Treffens Kindern aus aller Welt medizinische Versorgung über ein fernmündliches System zugänglich machen sollte. Ein starker Appell für den Frieden und dazu, sich nicht an den Krieg und das Leiden so vieler Kinder zu gewöhnen, kommt auch von Marco Impagliazzo, dem Präsidenten der Basisgemeinschaft von Sant'Egidio.
Ein munterer Dialog
Doch das Herzstück des Treffens war wie gewohnt bei derartigen Anlässen der direkte Dialog des Papstes mit den Kindern, die ungeordnet und aufgrund ihres zarten Alters teils von ihren Müttern begleitet in die Aula strömten (der erste, „technischere“ Teil des Treffens hatte ohne sie stattgefunden), die Köpfe mit Blätterkronen bekränzt. Ebenfalls wie gewohnt zu diesen Anlässen hatte Franziskus keine vorbereitete Rede im Gepäck, sondern wollte den direkten und unverfälschten Kontakt mit den Kindern, die ihn dann auch ohne viele Umschweife umringten, ihm die Hand schüttelten und selbstgemachte Bilder und kleinere Arbeiten schenkten. Auch das Rednerpult war unversehens bunter, mit den Kindern, die auf den Plätzen der „Großen“ saßen und die gemeinsamen Arbeiten mit einem Lied über Geschwisterlichkeit einläuteten.
Die erste Frage des Papstes an die Kinder hatte es bereits in sich: „Was bedeutet für dich Glück?“, fragte er, worauf er spontane Antworten erhielt, von „Frieden“ über „Einheit“ bis hin zu einem zutraulichen „Ich habe dich lieb“. Einigkeit bestand darüber, dass man Glück nicht kaufen könne, ebenso wie darüber, dass die Beleidigungen eines anderen sicher kein Glück verheiße. Eine weitere Antwort, nämlich in Kontakt mit Gott zu sein, animierte den Papst zu einer Gegenfrage, nämlich, wie es einem denn gelingen könnte, in Kontakt mit Gott zu stehen: „Indem man jeden Tag betet“, so eine Antwort eines kleinen Teilnehmers, ein anderer: „Indem man liebt“. Doch im „Streit, im Krieg liegt Glück?“, so die nächste Frage des Papstes, auf die die gemeinsame Antwort der Kinder keinen Zweifel lässt: „Nein!“
In der Tat, so der Papst weiter, liege das Glück im Frieden: „Es gibt Kinder, die im Krieg leben. Manchmal haben die Kinder nichts zu essen, die Kinder haben Angst vor den Bomben, vor den hässlichen Dingen…“ Doch haben die Kinder Schuld daran, auf verschiedenen Seiten der Frontlinie zu leben? Keinesfalls, auch darüber herrscht Einigkeit, denn „es ist nicht ihre Schuld, wenn Krieg herrscht“, so die Überzeugung eines kleinen Teilnehmers. Glück, auch das unter den Antworten, komme von innen, liege darin, gemeinsam im Frieden zu leben.
Ein anderes Mädchen bittet dann den Papst, für seine Oma zu beten, eine Bitte, der der Papst gemeinsam mit den anderen Kindern – und für alle Großeltern - gerne nachkommt. „Es leben die Großeltern", so der spontane Ausruf des Papstes.
Gegen Ende der Begegnung ein weiterer Höhepunkt: Gemeinsam verlesen ausgewählte Kinder eine Erklärung zur Geschwisterlichkeit, die die Organisatoren gemeinsam „mit den Kindern der Welt“, entstanden aus deren Eingaben und Beiträgen, verfasst haben. Darin werden auch die Erwachsenen dazu aufgefordert, ihren Beitrag zu einer geschwisterlichen Welt zu leisten. Darin wird der große Wunsch der Kinder, in der Welt als Geschwister zu leben, mit ihren unterschiedlichen Eigenschaften, aber als Menschheitsfamilie vereint, deutlich: „Unsere Wurzeln erinnern uns daran, dass wir trotz der Vielfalt der Zweige das gleiche Leben, den gleichen Traum von einer Welt teilen, in der die Liebe die einzige Frucht ist, die uns wirklich glücklich machen kann“, heißt es darin.
Die Kinder unterstreichen die Wichtigkeit und Bedeutung dessen, Träume zu verwirklichen und fordern auch die Erwachsenen auf, „Samen der Hoffnung zu säen und Taten der Zärtlichkeit zum Sprießen zu bringen“, denn dies ist ihnen allein nicht möglich: „Helft uns, diese unsere Träume in einer besseren Welt zu verwirklichen, in der wir die Möglichkeit einer Zukunft haben, ohne dass die Zukunft all unsere Träume nach und nach zerstört. Lasst uns gemeinsam mit euch Erwachsenen, die ihr uns begleitet, diesen Weg des Friedens und des Verständnisses, der Geschwisterlichkeit und des Wachstums, der Aufnahme und der Hoffnung gehen“, so die eindringliche Bitte der Kinder, der sich auch der Papst mit seiner Unterschrift unter das Dokument gerne anschließt.
Die Zukunft liegt in den Händen der Kinder
Doch das Treffen ist danach noch nicht zu Ende: So fragte der Moderator abschließend den Papst, warum er trotz aller wichtiger Themen, die in der Welt anstehen, ausgerechnet auf einem Welttag der Kinder beharrt habe: „Man denkt, dass die Zukunft der Menschheit in den Händen der Erwachsenen liegt, stattdessen liegt die Zukunft in den beiden Polen: in den Kindern und den alten Menschen, und wir müssen uns um die alten Menschen und die Kinder kümmern“, so die Antwort des Kirchenoberhauptes. Und weiter: „Sie (die älteren Menschen, Anm.) geben Weisheit und die Kinder lernen, eine ganze Vergangenheit, die gegeben ist, und eine Zukunft, die verwirklicht werden muss.“ Er habe einmal einen spirituellen Autor gelesen, der sich seine Beziehung mit Gott wie die eines Kindes in den Armen seiner Mutter wünsche, so Franziskus mit Blick auf ein Kleinkind, das in den Armen seiner Mutter eingeschlafen war: „So müssen auch wir bei Gott sein. Wie ein Kind in den Armen seiner Mutter“, unterstrich der Papst.
Abschließend dann der lange Abschied: Bevor Franziskus die Aula verlassen kann, eine erneute Welle an Kindern, die ihm ein vertrauliches Wort sagen, ein selbst gemaltes Bild oder eine gebastelte Erinnerung überreichen wollen, oder ein Lächeln des Kirchenoberhauptes erhaschen wollen. Ein Lächeln, mit dem der Papst nicht spart, bevor er schließlich den Saal verlässt.
(vatican news)
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