Papst in römischer Pfarrei: Liebe und Respekt als Beispiel für die Jugend
Salvatore Cernuzio und Mario Galgano - Rom
Diesmal war die Besuchskulisse kein Pfarrsaal, sondern eine Garageneinfahrt mit Kiesboden, Ziegelmauer, Kletterpflanzen. Hausbewohner schauten von den Balkonen oder gruppierten sich vor dem Papst, der dicht bei ihnen auf einem Sessel Platz nahm. Etwa dreißig Familien waren da, Paare mit Kindern, Jugendliche, Gemeindemitglieder aus der nahen Kirche „Heilige Brigitte von Schweden“.
Einige waren spontan hergelaufen und trugen noch Hausschuhe, um den unangekündigten Gast zu sehen. So wie eine Frau, die die Treppe hinunterlief und versuchte, ihr Haar zu richten: „Oh Gott, was für eine Überraschung, das hätten Sie mir doch früher sagen können!“ Der dritte Termin der „Schule des Gebets“ fand in einem noch nie dagewesenen Szenario statt. Franziskus führt die Reihe im laufenden „Jahr des Gebets" als Vorbereitung auf das Heilige Jahr 2025 durch.
Familien, Kinder und Teenager
Nach den Kindern und Jugendlichen wollte Franziskus am Donnerstagnachmittag, 6. Juni, die Familien im römischen Viertel Palmarola (Stadtteil Borgata Ottavia) im äußersten Westen der Stadt treffen. Da waren frischgebackene Elternpaare, Großeltern, die Jugendgruppe der Pfarrei, Babys und Kinder mit Schnullern, eine Gruppe eingewanderter Frauen aus dem Senegal, ein orthodoxer Mann, der Präsident des XIV. Stadtquartiersgemeinde, Marco Della Porta. Kurzum, eine vielfältige Gruppe, die im letzten Moment auf diese besondere Katechismusstunde am Nachmittag aufmerksam gemacht wurde.
Die Ankunft
Der Papst traf gegen 17 Uhr auf der Rampe des Gebäudes in der Via Palmarola ein, dessen Wände noch im Bau sind. Es herrschte zunächst Stille, einige verwunderte Blicke, Smartphones, die bereit waren, die Szene aufzunehmen, dann grüßte Franziskus mit „Guten Abend allerseits!“ - und von da an begannen Applaus und das übliche „Viva il Papa!“
Der Besuch bei den Leuten war kurz, aber intensiv. Es gab auch Süßigkeiten und ein paar Selfies sowie eine Dame, die den Papst streichelte. Eine weitere trat nach vorn und sagte: „Würden Sie ein Gebet für meine Mutter sprechen?“ - und Franziskus segnet sie. In seinem Stuhl sitzend, leitete der Papst dann die Fragerunde mit den Anwesenden ein. Zuerst schaute er amüsiert auf die ungewöhnliche Szenerie: „Die Mauer... die Pflanzen... die Tomaten...“, dann begrüßte er die Gruppe vor seinen Augen: „Ihr seid die Familien, die Jungen, die Alten, aber ihr seid immer eine Familie“.
Lasst euch von „Stürmen“ nicht entmutigen
Über die Familie, ihre Herausforderungen und Schwierigkeiten, ihre Schönheit und ihr Potenzial für die Kirche und die Gesellschaft sprach der Papst in einer, wie er das scherzhaft nannte, „Predigt“, als auch in dem anschließenden Gespräch, das etwa eine Dreiviertelstunde dauerte. „Wir verteidigen die Familie, die der Sauerstoff für die Kindererziehung ist“, sagte er.
Natürlich gebe es Streitereien, Auseinandersetzungen, manchmal sogar Trennungen. „Stürme“ nannte Franziskus sie, die aber nicht entmutigen sollten. „Wenn Eltern sich streiten, ist das normal, aber sie haben die Chance, sich zu versöhnen, bevor der Tag zu Ende ist, denn der Kalte Krieg am nächsten Tag ist schrecklich“, wiederholte er mehrmals und verwies auf die drei Schlüsselwörter, die so einfach, aber gleichzeitig unerlässlich sind, damit eine Beziehung funktioniert: „Entschuldigung, Bitte und... Danke“. Selbst der einfachste Dank: „Danke, dass du dieses gute Essen gekocht hast...“. Und wo Worte versagen, „reicht eine kleine Geste, um sich zu versöhnen und am nächsten Tag neu anzufangen“.
„Die Kinder schauen uns zu“
Es seien kleine Schritte im Alltag, die für Kinder besonders wichtig seien. „Die Kinder schauen uns zu“, sagte der Papst und zitierte damit den Film von Vittorio De Sica aus dem Jahr 1944. „Kinder beobachten Papa und Mama“ und leiden, wenn sie sehen, dass sie nicht miteinander auskommen. In der Tat riet der Papst getrennten Eltern, nicht schlecht übereinander zu reden, sondern ihre Kinder zu Respekt zu erziehen.
Der Auftrag an die jungen Leute: die Geschichte weiterführen
Vier Jugendliche aus der Pfarrei fragten den Papst anschließend, wie man heute den Glauben stärken könne: „Der einzige Weg ist das Zeugnis“, antwortete er. Und gerade den Jugendlichen gab er einen präzisen Auftrag mit auf den Weg: „Ihr habt die Verantwortung, die Geschichte weiterzutragen“. Und zwar, indem „ihr niemals am Boden liegen bleibt“, so der Papst: „Eines der schönsten Dinge an jungen Menschen ist, dass sie wieder aufstehen. Wir alle fallen im Leben, aber das Wichtigste ist, nicht zu fallen, wenn wir ausrutschen.“
„Ein Vater, der dazugehört...“
Ein Mann äußerte den Wunsch, eine größere Kirche in der Gegend zu haben, die ein Treffpunkt für alle Bewohner des Viertels sein könnte. Es wurde auch von der Kirche als Gemeinschaft von Menschen gesprochen und nicht nur von Gotteshäusern, die in diesem Teil Roms viel weniger präsent sind als in anderen Teilen der Stadt. Eine Frau drückte ihre Dankbarkeit gegenüber dem Papst aus: „Vom Weltkindertag, aus Ihren Reden, kommt uns ein Vater entgegen, der eine große Gemeinschaft in kleinen Dingen, in realen Dingen führt. Sie hier vor einer Backsteinmauer zu sehen, ist das Bewegendste... Morgen feiern wir das Pfarrfest, es regnet immer hinein, wir haben nicht einmal Asphalt, aber was soll's, wir machen es trotzdem. Und Ihre Anwesenheit gibt uns das Gefühl, dass Sie zu unserer Gemeinschaft gehören.“
Die Älteren und die Weisheit
Unter Gelächter und Beifall griff Papst Franziskus daraufhin seinen letzten Punkt auf: „Die Kirche beginnt, sich in der Gemeinschaft zu bilden“. Noch einmal appellierte er, die Alten nicht zu vernachlässigen und sich um die Kinder zu kümmern: „Eine Pfarrei, in der die Kinder nicht gehört und die Alten abgeschrieben werden, ist keine echte christliche Gemeinschaft. Vergesst nicht - die Alten sind die Erinnerung und die Kinder die Verheißung.“
„Vergesst die Alten nicht, die das Gedächtnis des Volkes Gottes sind“, betonte der Papst: „Es ist wahr, dass die Alten manchmal langweilig sind, ja. Sie reden immer über das Gleiche: über den Krieg usw... aber wir haben eine sehr große Zärtlichkeit.“ Und Kinder „verstehen die Sprache der Zärtlichkeit“.
Liebe der Eltern
Apropos Kinder: Zwei Väter, einer von Zwillingen, fragten den Papst, wie sie in diesen schwierigen Zeiten den Glauben bewahren und wie sie ihre Kinder auch nach der Firmung, dem „Sakrament des Abschieds“, an die Kirche binden können. Das Zeugnis sei immer die Antwort darauf, so der Papst. An erster Stelle stehe das, was in der Familie geboren werde: „Der erste Ratschlag ist die Liebe zwischen den Eltern“, sagte der Papst, „denn die Kinder müssen spüren können, dass Mama und Papa sich lieben. Wenn ihr euch streiten müsst, tut es nicht vor den Kindern, schickt sie ins Bett und streitet so viel ihr wollt.“
Zur Freiheit erziehen
Genauso wichtig sei der Dialog mit den Kindern. „Hört niemals auf, mit ihnen zu sprechen. Erziehung geschieht im Dialog, ohne sie ‚allein zu lassen‘, ohne sie zu schockieren oder unter Druck zu setzen, aber auch ohne sie irgendwann in die Freiheit zu entlassen. So erzieht man zur Freiheit.“
„Man muss ihnen zu verstehen geben, dass sie über alles reden können. Über alles“, betonte der Papst dann: „Die Dinge des Lebens lernt man zu Hause, nicht von anderen, die wissen, was sie lehren.“
Grüße und Geschenke
Der Papst verteilte Umarmungen und Rosenkränze an die Anwesenden, ging auf die verschiedenen Bitten um Fotos ein und sprach sogar mit „Nonna Maria“, die über Skype mit dem Telefon ihres Enkels verbunden war: „Hallo, bete für mich. Herzlichen Dank!“
Als Geschenk für diese Familien hinterließ Franziskus ein Bild der Jungfrau Maria mit dem Jesuskind: „Damit ihr es in eurer Pfarrei aufbewahren könnt“: eine greifbare Erinnerung an eine Begegnung, die sich wahrscheinlich keiner der Bewohner dieses Vorstadtviertels von Rom je hätte vorstellen können.
(vatican news)
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