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Papst mahnt beim G7-Gipfel: Künstliche Intelligenz braucht mehr Ethik

Keine Maschine soll jemals die Entscheidung treffen können, einen Menschen zu töten. Das hat Papst Franziskus an diesem Freitag vor den Regierungschefs der reichsten Industrienationen der Welt beim G7-Gipfel in Italien gesagt. Seine mahnende Rede galt ganz den Chancen und Risiken der Künstlichen Intelligenz, davor und danach waren Einzelbegegnungen unter anderem mit den Präsidenten der USA, der Ukraine, Indiens und der Türkei anberaumt.

Gudrun Sailer - Vatikanstadt

Franziskus ist der erste Papst bei einem G7-Gipfel in der 50-jährigen Geschichte dieses Formats. Er appellierte an das Gewissen der Regierenden, im Krieg den Gebrauch von tödlichen autonomen Waffen zu überdenken und ihren Einsatz mittelfristig zu verbieten. Ohne derzeitige Kriegsschauplätze zu benennen, schlug der Papst vor, mit einer „proaktiven und konkreten Verpflichtung zur Einführung einer immer größeren und bedeutenden menschlichen Kontrolle“ solcher KI-gesteuerten Drohnen und ähnlicher Waffensysteme zu beginnen, um schließlich zu einem Verbot zu gelangen. „Keine Maschine darf jemals die Wahl treffen können, einem Menschen das Leben zu nehmen“, sagte der Papst bei dem Weltpolitik-Gipfel in Borgo Egnazia in Apulien.

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Nach seiner Ankunft im Hubschrauber gegen 12:30 sprach Franziskus zunächst in Vieraugen-Gesprächen mit Kristalina Georgiewa, der Leiterin des Internationalen Währungsfonds, dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, dem französischen Regierungschef Emmanuel Macron und dem kanadischen Regierungschef Justin Trudeau. Diese Unterredungen dauerten länger als vorgesehen. Mit deutlicher Verspätung begab sich der Papst dann im Rollstuhl zusammen mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die ihn eingeladen hatte, in die Arena-Halle, wo die Staats- und Regierungschefs in gemeinsamer Sitzung den Gast aus Rom herzlich begrüßten.

„Eine wahrhaft kognitiv-industrielle Revolution“

Eines der Hauptthemen bei diesem G7-Gipfel ist Künstliche Intelligenz, „ein faszinierendes und unheimliches Instrument“, wie es in der Papstrede eingangs hieß. Franziskus hatte bereits seine Botschaft zum 58. Weltkommunikationstag diesem Thema gewidmet, und von 20. bis 22. Juni findet dazu im Vatikan eine Konferenz statt. An diesem Freitag analysierte der Papst vor den Regierenden der reichsten Industrienationen der Welt die Chancen und Risiken dieser Technologie, besonders ihre Auswirkungen auf die Zukunft der Menschheit. „Denn man kann heute davon ausgehen“, so der Papst, dass KI „die Art und Weise, wie wir leben, unsere sozialen Beziehungen und in Zukunft sogar die Art und Weise, wie wir unsere Identität als menschliche Wesen begreifen, zunehmend beeinflussen wird.“ Künstliche Intelligenz und ihre Folgen seien „eine wahrhaft kognitiv-industrielle Revolution“.

Diese Entwicklung hat Licht und Schatten, erläuterte der Papst. KI könne zum einen den Zugang zu Wissen demokratisieren, Forschung erleichtern, die Last mühsamer Arbeit schultern. Auf der anderen Seite aber bestehe das Risiko, dass KI noch mehr Ungleichheit „zwischen fortgeschrittenen und sich entwickelnden Nationen“ schaffe und noch mehr Ungerechtigkeit „zwischen herrschenden und unterdrückten sozialen Schichten“. Dann hätte die „Kultur der Begegnung“ das Nachsehen und die „Kultur des Wegwerfens“ Oberwasser.

Die G7-Sitzung mit Papst Franziskus
Die G7-Sitzung mit Papst Franziskus

„Keine Maschine darf jemals die Wahl treffen können, einem Menschen das Leben zu nehmen“

Ausdrücklich warnte der Papst vor einem Abdriften in Gefahren der KI, die zwar gesehen, aber aus Vatikansicht nicht hinreichend bekämpft werden. Der Mensch, weil er Herz, Vernunft und Augenmaß hat, müsse immer über der intelligenten Maschine stehen und immer die letzte Entscheidung haben. „Wir würden die Menschheit zu einer hoffnungslosen Zukunft verdammen, wenn wir den Menschen die Fähigkeit nehmen würden, über sich selbst und ihr Leben zu entscheiden, und sie dazu verdammen würden, von der Wahl von Maschinen abhängig zu sein“, erklärte Franziskus in seiner Rede: „Die menschliche Würde selbst steht dabei auf dem Spiel.“

Die G7-Sitzung mit Papst Franziskus
Die G7-Sitzung mit Papst Franziskus

„Menschliche Würde selbst steht auf dem Spiel“

Infolgedessen braucht die KI eine ethische Ausrichtung, damit sie zu einem Instrument des Guten für alle werde, betonte der Papst. Er verwies auf eine diesbezügliche Initiative aus dem Vatikan, die weite Kreise gezogen hat: den „Rome Call for AI Ethics“ der Päpstlichen Akademie für das Leben aus dem Jahr 2020, dabei geht es um eine Selbstverpflichtung großer Tech-Konzerne und anderer Interessensträger wie Regierungen zur gemeinsamen ethischen Moderation von Algorithmen und Programmen der KI; „Algor-Ethik“ brauche es da, wiederholte der Papst einen Begriff, den er 2019 geprägt hatte. Nur so sei der Gefahr zu begegnen, dass die neue, umwälzende Technologie der Menschheit „einheitliche anthropologische, sozioökonomische und kulturelle Modelle aufzwingt“, nämlich die des Westens.

Papst: Es braucht gute, regulierende Politik

An die versammelten Staats- und Regierungschefs richtete der Papst daher den eindringlichen Appell, gemeinsam dem letztlich menschenfeindlichen „technokratischen Paradigma“ entgegenzutreten, das KI verkörpert. „Wir dürfen nicht zulassen, dass ein so mächtiges und unentbehrliches Werkzeug wie die künstliche Intelligenz ein solches Paradigma verstärkt; vielmehr müssen wir gerade die künstliche Intelligenz zu einem Schutzwall gegen seine Ausbreitung machen. Und genau hier besteht dringender politischer Handlungsbedarf.“

Ohne eine gute Politik könne die Welt keinen „effektiven Weg zur allgemeinen Geschwisterlichkeit und zum gesellschaftlichen Frieden finden“, zitierte der Papst aus seiner Enzyklika „Fratelli tutti“. Es gehe nicht darum, „die Kreativität des Menschen und seinen Sinn für Fortschritt zu bremsen“, sondern die Energie, die in einer findigen und kreativen Wirtschaft und Industrie stecke, „auf neue Anliegen hin auszurichten“ – Anliegen, die das Gemeinwohl betreffen. Politik müsse die Bedingungen dafür schaffen, dass eine solche Nutzung der KI „möglich und fruchtbar ist“, schloss der Papst seine Rede an die Staats- und Regierungschefs.

(vatican news – gs)

 

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14. Juni 2024, 15:29