Der Papst macht Luxemburgs Kirche Mut - und reist weiter nach Belgien
Stefan von Kempis - Vatikanstadt
Ein solcher Moment war es, als Frau Christine Bußhardt vom Diözesanpastoralrat den Frust vieler Engagierter auf den Punkt brachte. „Heiliger Vater, es wäre unehrlich zu verschweigen, dass auch Entmutigung Teil unseres kirchlichen Alltags ist. Viele fühlen sich nicht gleichberechtigt behandelt und haben die ihnen anvertrauten Talente vergraben. Manche schreien innerlich: Herr, rette uns!“ Ein zweiter solcher Moment war gekommen, als Kardinal Jean-Claude Hollerich Franziskus als Geschenk einen Scheck für seine karitative Arbeit überreichte. Beide Male konnte man denken: Wirklich, das hätte man bei einer Papstreise nach Deutschland sicher ähnlich gehandhabt.
Es w a r aber keine Papstreise nach Deutschland. Und der Papst ließ das von den Luxemburgern gesammelte Geld - vielleicht angesichts des Caritas-Finanzskandals - umgehend an die Bedürftigen des Großherzogtums zurückfließen. Der Papst vom Ende der Welt kratzte an diesem Donnerstag bewusst an der Peripherie des großen Nachbarlands, indem er das kleine Luxemburg beehrte und sich demonstrativ ein großes gelbes Straßenschild mit der Aufschrift Peripherie überreichen ließ.
Grüße aus Boppard am Rhein
In der (übrigens im 17. Jahrhundert von Jesuiten erbauten) Notre-Dame-Kathedrale des Großherzogtums traf Franziskus Priester, Ordensleute, Seminaristen und engagierte Laien; es war sein zweiter öffentlicher Auftritt seit der Ankunft am Donnerstagmorgen. Unter den Zuhörenden waren das großherzogliche Paar, aber auch ein paar Stuhlreihen dahinter Jean-Claude Juncker. Der Christdemokrat, ein früherer luxemburgischer Ministerpräsident, ist auch ehemaliger Präsident der EU-Kommission.
Aus dem deutschen Nachbarbistum Trier war Bischof Stephan Ackermann gekommen, zusammen mit seinen Weihbischöfen. Einer der beiden richtete dem Papst viele Grüße aus Boppard aus - in dem rheinischen Städtchen hat der heutige Pontifex vor vielen Jahrzehnten, als er noch der Jesuitenpater Jorge Bergoglio war, einmal einen Deutschkurs gemacht.
Zwischen Säkularisierung und Hoffnung
Hollerich, ein enger Vertrauter des Papstes, skizzierte für seinen Gast eine lebendige und vielfältige Ortskirche. „Die Kirche in Luxemburg bewegt sich in einer stark säkularisierten Gesellschaft, mit ihrem Leid und ihren Schwierigkeiten, aber auch mit ihren Wegen der Hoffnung. Es ist eine Kirche aller Nationen… eine Kirche, die nicht an materiellen Werten hängt, … die sich für eine ganzheitliche Entwicklung einsetzt und sich um die Kranken, Armen und Marginalisierten kümmert.“
Ein junger Mann bekam die Gelegenheit, dem Papst etwas von den Weltjugendtagen vorzuschwärmen, und eine Ordensfrau stellte ihm Luxemburgs Kirche als geglückten Migranten-Mix vor.
„Die Kirche ist reich an Sprachgemeinschaften: luxemburgisch, portugiesisch, französischsprachig, kapverdisch, italienisch, englischsprachig, spanischsprachig, polnisch, ukrainisch, vietnamesisch, ungarisch, slowakisch, tschechisch, kroatisch, philippinisch, afrikanische Sprachen et cetera. Auch wenn es stimmt, dass unsere Vielfalt eine tägliche Herausforderung darstellt, erleben wir sie vor allem als Reichtum.“
„Der Geist des Evangeliums ist ein Geist des Annehmens, der Offenheit für alle“
Der Papst ließ seine Ansprache, wie er das gerne tut, um drei Stichworte kreisen: Dienst, Mission und Freude. Das erste Stichwort, Dienst, setzte er mit dem Begriff „Annehmen“ gleich.
„Ja, der Geist des Evangeliums ist ein Geist des Annehmens, der Offenheit für alle, und er lässt keine Form der Ausgrenzung. Ich ermutige euch daher, diesem Erbe treu zu bleiben und euer Land weiterhin zu einem offenen Haus für jeden zu machen, der an eure Tür klopft und um Hilfe und Gastfreundschaft bittet. Es handelt sich dabei um eine Pflicht der Gerechtigkeit, mehr noch als um eine Pflicht der Nächstenliebe, wie schon Johannes Paul II. sagte, als er an die christlichen Wurzeln der europäischen Kultur erinnerte.“
Kirche soll sich nicht in sich selbst zurückziehen
Stichwort Nummer zwei: Mission. Das sei gerade in einem eher gleichgültigen, aufgeklärten Umfeld wichtig.
„Die Kirche entwickelt sich, sie reift und wächst in einer säkularisierten Gesellschaft. Sie zieht sich nicht traurig und resigniert auf sich selbst zurück, sondern sie nimmt vielmehr die Herausforderung an, in Treue zu den Werten aller Zeiten die Möglichkeiten der Evangelisierung neu zu entdecken und zu erschließen…“
Es werde der Kirche helfen, wenn sie synodaler werde und „das Teilen von Verantwortlichkeiten und Diensten“ besser hinbekomme, erklärte der Papst. Mission sei, wenn man sie als Gemeinschaftsaufgabe betrachte, ein „wunderbares vielstimmiges Instrument“. Dabei gehe es nicht darum, die Statistik der Kirchenmitglieder aufzuhübschen, sondern in „die lebendige Dynamik des Heiligen Geistes, der in uns wirkt“, einzutreten.
Stichwort Nummer drei: Freude. „So ist unser Glaube: er ist fröhlich, ‚tanzend‘, weil er uns sagt, dass wir Kinder eines Gottes sind, der ein Freund der Menschen ist, der will, dass wir glücklich und vereint sind, und der sich über nichts mehr freut als über unser Heil.“
In diesem Zusammenhang würdigte Franziskus die populäre Echternacher Springprozession, die jedes Jahr zu Pfingsten stattfindet. „Die ganze Stadt tanzt auf den Straßen und Plätzen, zusammen mit den vielen Pilgern und Besuchern, die dorthin strömen, und die Prozession wird zu einem großen, einzigartigen Tanz. Jung und Alt tanzen gemeinsam zur Kathedrale – dieses Jahr sogar im Regen, wie ich gehört habe – und bezeugen mit Begeisterung, wie schön es ist, … gemeinsam auf dem Weg zu sein...“
Abflug nach Brüssel
Die Luxemburger führten dem Papst an diesem Donnerstagnachmittag dann auch tatsächlich ein Tänzchen vor: nämlich ein kleines und etwas kitschiges Laudato-si‘-Spektakel junger Leute. Und zum Schluss der Feier eröffneten Franziskus und Kardinal Hollerich feierlich das 400-Jahr-Jubiläum der Wallfahrt zu Maria, der „Trösterin der Betrübten“. Eine hölzerne Marienstatue des 16. Jahrhunderts, vor der Franziskus betete, zieht viele Wallfahrer Jahr für Jahr in das beschauliche Großherzogtum.
Nach seinem Termin in der Kathedrale war Franziskus' Luxemburg-Besuch auch schon zu Ende. Um 18.38 Uhr hob sein Flieger vom Rollfeld ab in Richtung Belgien.
(vatican news - sk)
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