Papst Franziskus feiert Messe auf dem Gelände Taci Tolu nahe Dili, der Hauptstadt Osttimors Papst Franziskus feiert Messe auf dem Gelände Taci Tolu nahe Dili, der Hauptstadt Osttimors  (Vatican Media)

Papst bei Messe in Osttimor: Sich für andere klein machen

Papst Franziskus hat bei einer Heiligen Messe in Osttimor die Gläubigen zu Selbstlosigkeit aufgerufen. Sie sollten keine Angst davor haben, sich „vor Gott und voreinander klein zu machen“, damit ein Bruder oder eine Schwester glücklicher sein könne, sagte der Papst bei der Messe, an der ein gutes Drittel der Landesbevölkerung teilnahm. Am Ende riet er den Osttimoresen, sich nicht wie von „Krokodilen" ihre Kultur und ihre Geschichte wegschnappen zu lassen, und wünschte ihnen Frieden.


Gudrun Sailer - Vatikanstadt

Es liege etwas Großes und Schönes darin, sich selbst zu verschenken „und die Anderen annehmen, mit all den Unwägbarkeiten, die dies mit sich bringt“, erklärte der Papst unter Verweis auf die Gottesmutter und ihren Sohn Jesus, der am Kreuz sich selbst hingab.

Katholisch sein verträgt sich gut mit indigenen Bräuchen

Osttimor ist zu 98 Prozent katholisch und zugleich von einer Vielzahl alter Stammesriten geprägt. Wie beides ineinanderpasst, konnte der Papst schon bei seiner vorherigen Reiseetappe Papua-Neuguinea sehen, als Indigene mit ihren traditionellen Kostümen aus Federn, Fasern und Muscheln, mit Tätowierungen und leuchtenden Gesichtsbemalungen an den katholischen Feiern teilnahmen. Auch hier in Osttimor vor der Messe begrüßten Gläubige den Gast aus Rom, noch bevor dieser in die Sakristei ging, mit einem indigenen Willkommenstanz.

Hier zum Hören:
Bei der Messe in Osttimor
Bei der Messe in Osttimor

Büffelhörner und Mondschein

Franziskus revanchierte sich in seiner Predigt mit einer Form verbaler Inkulturation: Er sprach über zwei traditionelle Schmuckstücke, die in den Volkskulturen Osttimors weit verbreitet sind, und deutete sie im Licht des Christentums. 

Die Highlights der Messe in unserem Video

Das erste Schmuckstück, Kaibauk genannt, symbolisiert – so der Papst – zwei Büffelhörner, es wird auf der Stirn getragen und hat die landestypische Architektur geprägt: Viele Häuser in Osttimor haben ähnlich geformte Dächer. Der Kaibauk bedeute Energie und Wärme und könne „die lebensspendende Kraft Gottes darstellen“, formulierte Franziskus. Weil das Schmuckstück auf Kopfhöhe getragen werde, zeige es, „dass auch wir mit dem Licht des Wortes Gottes und mit der Kraft seiner Gnade durch unsere Entscheidungen und Handlungen am großen Heilsplan mitwirken können.“

Der Lektor, der die erste Lesung vortrug, mit Kaibauk auf der Stirn und Belak auf der Brust
Der Lektor, der die erste Lesung vortrug, mit Kaibauk auf der Stirn und Belak auf der Brust

Das zweite Schmuckstück, der Belak, wird auf der Brust getragen und ergänzt das erste. Es erinnere an den Mondschein, „der in der Nacht das Licht der Sonne bescheiden reflektiert“, erklärte Franziskus. Der Belak stehe für Frieden, Fruchtbarkeit, Sanftheit und mithin für „die Zärtlichkeit der Mutter, die mit dem zarten Widerschein ihrer Liebe alles, was sie berührt, mit demselben Licht erstrahlen lässt, das sie von Gott empfängt.“ Mit diesen beiden Eigenschaften, „Kraft und Zärtlichkeit von Vater und Mutter“, zeige Gott „sein Königtum, das aus Liebe und Barmherzigkeit besteht“, erläuterte der Papst. Auch die Lektoren und Lektorinnen der Lesung und der Fürbitten trugen die beiden Schmuckstücke, die offensichtlich nicht einem bestimmten Geschlecht zugeordnet sind.

Papst in der Menge bei der Messe
Papst in der Menge bei der Messe

Zweiter Papst auf dem Boden Osttimors

Zur Messe mit Franziskus kamen 600.000 Menschen, was einem guten Drittel der Bevölkerung Osttimors entspricht, viele Teilnehmer waren auch aus dem indonesischen Teil der Insel gekommen. Ort der Zelebration war ein geschütztes Gebiet an der Küste namens Taci Tolu, wörtlich: drei Seen, unweit der Hauptstadt Dili. Eben dort hatte 1989 auch Johannes Paul II. bei seinem Besuch, dem ersten eines Papstes in Osttimor, die Messe gefeiert. Osttimor stand damals noch unter Besatzung Indonesiens, und in Taci Tolu sollen indonesische Soldaten während des Unabhängigkeitskampfes, den Osttimor 1999 gewann, die Leichen vieler junger Menschen versenkt haben. 

Hauptzelebrant bei der Messe war Osttimors erster Kardinal, Virgílio do Carmo da Silva (56), Erzbischof von Dili – hier beim Überreichen des Gastgeschenks an den Papst
Hauptzelebrant bei der Messe war Osttimors erster Kardinal, Virgílio do Carmo da Silva (56), Erzbischof von Dili – hier beim Überreichen des Gastgeschenks an den Papst

Das katholische Glaubensbekenntnis spielte im Freiheitskampf eine große Rolle in der Abgrenzung zu den mehrheitlich muslimischen Besatzern. An Johannes Paul erinnert eine sechs Meter hohe Statue, die das Meer überblickt. 2002, im Jahr der Unabhängigkeitserklärung, erklärte Osttimor das Drei-Seen-Gebiet zum „Friedenspark“.

Franziskus riet den Menschen am Ende in frei gesprochenen Worten, sich vor „Krokodilen" zu hüten, die es hier - wie er gehört habe - an einigen Stränden gebe. „Nehmt euch vor den Krokodilen in Acht, die eure Kultur und eure Geschichte verändern wollen", mahnte der Papst. „Bleibt treu. Und haltet euch von diesen Krokodilen fern, denn sie beißen." Unter dem Applaus der Gläubigen dankte der Papst für die Nächstenliebe und den Glauben der Menschen, lobte sie für ihren Kinderreichtum und wünschte Osttimor Frieden.

(vatican news - gs)

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10. September 2024, 09:40