Papst in Papua-Neuguinea: Ressourcenreichtum bringt Verantwortung
Christine Seuss - Vatikanstadt
Es war eine sehr politische erste Ansprache, die Franziskus an diesem Samstagmorgen (in der Nacht auf Samstag römischer Zeit) in Papua-Neuguineas Hauptstadt Port Moresby vor den rund 300 anwesenden Spitzenvertretern aus Politik und Gesellschaft hielt.
Zuvor hatte er den Generalgouverneur von Papua-Neuguina (das Teil des Commonwealth ist), Sir Robert Bofend Dadae, an dessen Dienstsitz getroffen. Im APEC Haus, dem größten Kongresszentrum der Stadt, dessen Architektur den traditionellen Booten nachempfunden ist, die für den Handel zwischen den Inseln genutzt wurden, wurde Franziskus dann durch Angehörige der Motu Koitabu aus der Region Port Moresbys empfangen, die in ihren bunten und gefederten Kostümen einen Tanz aufführten. Dabei wurde dem Gast aus Rom auch eine kleine hölzerne Nachbildung des traditionellen Bootes mit dem charakteristischen Doppelsegel überreicht.
Ressourcenreichtum für alle bestimmt
In seiner anschließenden Ansprache betonte Franziskus, dass der kulturelle und ökologische Reichtum des Landes eine große Verantwortung für die gerechte Verteilung und eine nachhaltige Entwicklung mit sich bringe. Besonders beeindruckt zeigte er sich von dem kulturellen Reichtum Papua-Neuguineas, einem Archipel mit Hunderten von Inseln, in dem über achthundert Sprachen gesprochen werden, die ebenso vielen ethnischen Gruppen entsprechen:
„Ihr Land ist außer an Inseln und Sprachen auch reich an Boden- und Meeresressourcen. Diese Güter sind von Gott für die ganze Gesellschaft bestimmt, für die ganze Gesellschaft, und auch wenn ihre Nutzung die Einbeziehung breiterer Kenntnisse und großer internationaler Konzerne erfordert, so ist es doch gerecht, dass die Bedürfnisse der einheimischen Bevölkerung bei der Verteilung der Erlöse und der Beschäftigung von Arbeitskräften in angemessener Weise berücksichtigt werden, damit ihre Lebensbedingungen wirksam verbessert werden“, so die Mahnung des Papstes angesichts der weit verbreiteten Armut in dem Land, das auch mit einer hohen Analphabetenrate, Korruption und Kriminalität zu kämpfen hat. Port Moresby, die Hauptstadt, gilt als eine der unsichersten Städte der Welt.
Doch der große „ökologische und kulturelle Reichtum” des Landes stelle zugleich eine „große Verantwortung” dar, alles dafür zu tun, um eine „nachhaltige und gerechte Entwicklung“ zum Wohl aller zu ermöglichen, unterstrich Franziskus weiter. Dazu brauche es „konkret umsetzbare Programme“ und „internationale Zusammenarbeit in gegenseitigem Respekt und mit Vereinbarungen, die für alle Vertragsparteien vorteilhaft sind“, erinnerte der Papst vor den Verantwortungsträgern.
Stabilität der Institutionen
Die noch junge Demokratie, die sich nach der Unabhängigkeit von Australien im Jahr 1975 etabliert hat, ist gekennzeichnet von häufigen Wechseln in der Regierung nach Misstrauensvoten im Parlament. Vielleicht hatte Franziskus das im Sinn, als er die „Stabilität der Institutionen“ als „notwendige Voraussetzung für das Erzielen solcher dauerhaften Ergebnisse“ hervorhob: „Die institutionelle Stabilität zu stärken und einen Konsens über grundlegende Entscheidungen zu schaffen, ist nämlich eine unabdingbare Voraussetzung für eine ganzheitliche und solidarische Entwicklung. Sie erfordert zudem eine langfristige Vision und, bei aller Unterschiedlichkeit der Aufgaben und trotz verschiedener Meinungen, ein Klima der Zusammenarbeit zwischen allen.”
Hoffnung auf Ende der Stammesgewalt
Insbesondere hoffe er, „dass die Gewalt zwischen den Stämmen endet, die leider viele Opfer fordert, ein friedliches Zusammenleben verunmöglicht und die Entwicklung behindert”: „Ich appelliere daher an das Verantwortungsbewusstsein aller, auf dass die Spirale der Gewalt unterbrochen und stattdessen entschlossen der Weg eingeschlagen wird, der zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit zum Wohle des ganzen Volkes in diesem Land führt.”
In dem „durch diese Haltungen“ entstandenen Klima werde es auch möglich sein, die „Frage nach dem Status der Insel Bougainville endgültig zu klären und dabei das Wiederaufflammen alter Spannungen zu verhindern“, so die Hoffnung des Papstes mit Blick auf das Eiland, das zusammen mit einigen kleineren Inseln die einzige autonome Region Papua-Neuguineas darstellt und deren Bewohner nach langen blutigen Konflikten 2019 für die Unabhängigkeit votiert haben. Der aktuelle Präsident der Region möchte diese bis 2025 umsetzen.
Jeder muss etwas abtreten
Wenn jeder einzelne bereit sei, „etwas von der eigenen Position zum Wohle aller aufzugeben, können die Kräfte in Bewegung gesetzt werden, die erforderlich sind, um die Infrastruktur zu verbessern, den Bedürfnissen der Bevölkerung in den Bereichen Gesundheit und Bildung entgegenzukommen und menschenwürdigere Arbeitsbedingungen zu schaffen”, so die Ermunterung des Kirchenoberhauptes in einem Land, das durch soziale Ungleichheit geprägt ist.
Zukunft durch Gebet
Im zweiten Teil seiner Ansprache, deren Übertragung teils durch Aussetzer gestört war, teilte Franziskus seine Überlegungen dazu, dass der Mensch mehr als nur die reinen materiellen Güter die „große Hoffnung in seinem Herzen“ und eine Ausrichtung auf „größere Wirklichkeiten“ benötige, um voranzukommen. Dies wolle er auch durch das Motto des Besuchs in Papua-Neuguinea, schlicht und einfach „Pray“ – „Beten“, ausdrücken: „Vielleicht mag sich jemand, der zu sehr auf ,politische Korrektheit‘ bedacht ist, über diese Wahl wundern; tatsächlich aber liegt er falsch, denn ein Volk, das betet, hat eine Zukunft, weil es Kraft und Hoffnung von oben bezieht“, erläuterte Franziskus, der in diesem Zusammenhang auch auf das Logo der Reise verwies, in dem ein Paradiesvogel zu finden ist - wie übrigens auch in der Landesflagge. Bei ihrer Begegnung am Morgen hatte der Gouverneur dem Papst die Abbildung eines feingliedrigen goldenen Paradiesvogels geschenkt. Auch dieser sei ein „Symbol der Freiheit“, so Franziskus, „jener Freiheit, die nichts und niemand unterdrücken kann, weil sie eine innere ist und von Gott behütet wird, der Liebe ist und der will, dass seine Kinder frei sind.“
Der Glauben als gelebte Kultur
Deshalb hoffe er, dass für alle Christen in Papua-Neuguinea - die 95 Prozent der Bevölkerung ausmachen - „der Glaube niemals auf die Einhaltung von Ritualen und Vorschriften reduziert“ werde, sondern dass er darin bestehe, „Jesus Christus zu lieben und ihm zu folgen“, fuhr Franziskus fort:
„Und dass er zu einer gelebten Kultur werden kann, die das Denken und Handeln inspiriert und zu einem Leuchtturm wird, der den Weg erhellt. Auf diese Weise kann der Glaube auch der Gesellschaft als Ganzes helfen, zu wachsen und gute und wirksame Lösungen für ihre großen Herausforderungen zu finden.“
Einsatz der Kirche für das Gemeinwohl
Er sei nach Papua-Neuguinea gekommen, „um die katholischen Gläubigen zu ermutigen, ihren Weg fortzusetzen“ und sie „im Bekenntnis ihres Glaubens“ zu bestärken; aber auch, um sich „mit ihnen über die Fortschritte zu freuen, die sie machen, und um ihre Sorgen mit ihnen zu teilen”, erinnerte der Papst gegen Ende seiner Ansprache nochmals. Er wolle sie beglückwünschen zu den „wohltätigen Werken, die sie im Lande vollbringen“ und in diesem Zusammenhang nicht nur zur Zusammenarbeit mit den Behörden, sondern auch den Menschen, die anderen Konfessionen und Religionen angehören, zu ermutigen. Dabei könnten ihnen der selige Peter To Rot – der erste Selige Papua-Neuguineas, dessen Seligsprechung der heilige Papst Johannes Paul II. 1995 selbst in Port Moresby angekündigt hatte – und der selige PIME-Missionar Giovanni Mazzucconi Beispiel sein und Kraft geben, so der Wunsch des Papstes.
Der Beitrag der Frauen
Dem Gouverneur, der in seiner Ansprache den Einsatz der Regierung für die Gleichberechtigung der Frauen hervorgehoben hatte, pflichtete der Papst spontan bei, dass nicht vergessen werden dürfe, „dass sie es sind, die ein Land voranbringen“. Sie hätten die Kraft und die Fähigkeit, Leben zu schenken und ein Land aufzubauen, seien „an erster Stelle“ der menschlichen und spirituellen Entwicklung, betonte Franziskus, von Applaus unterbrochen.
Abschließend dankte er für den Empfang in „Ihrem schönen Land, das so weit von Rom entfernt und dem Herzen der katholischen Kirche doch so nahe“ sei. Denn das Evangelium Christi, dessen Liebe im Herzen der Kirche sei, sei „für alle Völker bestimmt“ und „an keine irdische Macht gebunden“, vielmehr „frei, jede Kultur zu befruchten“: „Das Evangelium wird inkulturiert und die Kulturen evangelisiert“, fügte er in freier Rede hinzu. „Möge dieses Reich Gottes in diesem Land volle Aufnahme finden, damit alle Bevölkerungsgruppen Papua-Neuguineas in der Vielfalt ihrer Traditionen in Harmonie zusammenleben und für die Welt ein Zeichen der Geschwisterlichkeit sind“, wünschte Franziskus zum Schluss seiner Ansprache.
Viele Themen angesprochen
Den Klimawandel, unter dem der Pazifikstaat mit seinen vielen Inseln besonders leidet, hatte Franziskus nicht explizit angesprochen, doch tauchte dieser in der zuvor gehaltenen Ansprache des Generalgouverneurs auf. Dabei erinnerte Bob Dadae daran, dass der Meeresspiegel immer weiter ansteige und zahlreiche Inseln bedrohe; außerdem verlieh er seiner Hoffnung auf Gebet und konkrete Unterstützung der katholischen Kirche für „globale Maßnahmen“ Ausdruck. Auch auf die Gewalt in seinem Land ging er ein und nutzte die Gelegenheit für einen Appell an seine Landsleute, „die moralischen Werte und ethischen Grundsätze zu beachten, die uns als Christen auszeichnen“.
Die Kirche würdigte der Gouverneur als „einen der wichtigsten Entwicklungspartner der Regierung bei der Bereitstellung von Dienstleistungen im Land“, wobei er auch darauf hinwies, dass die Regierung den Einsatz der Kirche für Kinder und Gemeinschaften durch Bildung, Gesundheit und geistliche Betreuung finanziell unterstütze. Besondere Anerkennung zollte Dadae der Kirche für ihren Einsatz für die Ausgegrenzten, etwa im Kampf gegen Gewalt und Menschenrechtsverletzungen auch in seinem Land; dankbar erinnerte er an die beiden Besuche von Johannes Paul II. in Papua-Neuguinea.
Die Begrüßung der Indigenen und der Regierungsvertreter
Zum Ende des Treffens, um 11 Uhr Ortszeit (3 Uhr MESZ), begrüßte der Papst noch einige Kinder und Vertreter der Eingeborenenvölker in traditioneller Kleidung sowie alle Mitglieder des Orchesters. Anschließend begab er sich in den Bi Lateral Room 1, um dort die Regierungschefs mehrerer Pazifikstaaten zu treffen, darunter den Premierminister von Vanuatu, den Präsidenten von Nauru, den Premierminister des Königreichs Tonga und den Generalsekretär des Sekretariats des Pazifik-Insel-Forums. Anschließend fuhr Franziskus wieder in die Nuntiatur, wo er bis zum nächsten Programmpunkt am Nachmittag bleiben wird.
(vatican news)
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