Franziskus empfing die ökumenische Delegation am Mittwochmorgen im Vatikan, mit dabei waren viele junge Sänger Franziskus empfing die ökumenische Delegation am Mittwochmorgen im Vatikan, mit dabei waren viele junge Sänger  (Vatican Media)

Papst würdigt „Wunder“ der deutschen Einheit

Papst Franziskus hat das „Wunder der Deutschen Einheit“ und den gemeinsamen Einsatz der Kirchen in Deutschland für einen friedlichen politischen Übergang gewürdigt. Er kam darauf bei einer Audienz für eine ökumenische Pilgergruppe des Bistums Dresden-Meißen und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen zu sprechen.

„Die Bibel ist voll von solchen Beispielen, wo aus etwas Kleinem und Geringen mit Gottes Gnade Großes entsteht, etwas viel Größeres und Schöneres als wir Menschen es von alleine, aus eigener Kraft geschafft hätten. Im Oktober 1989 habt ihr eine Ahnung davon bekommen, als es einigen evangelischen und katholischen Christen in Dresden gelang, der Polizei entgegenzutreten. Es war wie ein Wunder, dass damals kein einziger Schuss fiel, und sich in der Folge ein friedlicher Weg auch in anderen Städten auftat, den niemand für möglich gehalten hätte und der schließlich zum ,Wunder' der Deutschen Einheit führte.“

Angeführt wurde die ökumenische Pilgergruppe vom Dresdner katholischen Bischof Heinrich Timmerevers und dem evangelisch-lutherischen Landesbischof Tobias Bilz, die am Mittwochmorgen mit einer Gruppe der Dresdner Kapellknaben Franziskus im Vatikan besuchten. Dabei trugen die jungen Sänger dem Papst ihre Gesangskünste vor.

Im Gespräch mit den Protagonisten

Viele Stimmen vereint

„Danke für den wunderbaren Einklang, die Harmonie, zu der die vielen Stimmen finden – und die uns an das Wirken des Heiligen Geistes erinnert, der die Vielen eint! Danke für euer Zeugnis!“, würdigte der Papst die Sänger und lobte die erbauliche Wirkung der Musik. Sie sei dazu in der Lage, dass göttliche Geheimnis, dass Denken und Begriff der Menschen weit übersteige, näher zu bringen und erfahrbar zu machen.

Im Leben vieler Menschen fehle es heute „an dem Sinn, der Hoffnung und der Freude, die die Welt nicht geben kann“, formulierte der Papst weiter. Er ermutigte die Pilgergruppe vor diesem Hintergrund, ihre Glaubensfreude „selbstbewusst und zugleich demütig“ zu teilen. Besonders dankte er den ehrenamtlichen Helfern, die Teil der ökumenischen Gruppe sind.

Zum Abschluss sprach die Gruppe gemeinsam mit dem Papst ein Vaterunser – „das Gebet, das alle Christen vereint“, wie der Papst unterstrich. Nach der Audienz nahm die ökumenische Pilgergruppe an der großen Papstmesse auf dem Petersplatz zur Synodeneröffnung teil.

Die Papstansprache im Wortlaut

Hier lesen Sie die Ansprache des Papstes an die ökumenische Pilgergruppe des Bistums Dresden-Meißen und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen vom 2. Oktober 2024 im Wortlaut auf Deutsch:

Guten Morgen!

Lieber Bruder im Bischofsamt, lieber Herr Landesbischof,

Frau Ministerin, Herr Oberbürgermeister,

liebe Brüder und Schwestern!

Von Herzen heiße ich euch willkommen und ich danke dem Chor für seinen schönen Gesang, danke!

Pilgern heißt sich auf den Weg machen, meist zu einem besonderen Gnadenort. Dieser Weg wird dabei zu einem Symbol des eigenen Lebensweges mit dem großen und endgültigen Ziel, das Gott selber ist, wie es in dem Vers aus der deutschen Fassung des Te Deum, den ihr zum Motto eurer Reise gewählt habt, schön zum Ausdruck kommt: „Auf dich hoffen wir allein!“

Mit eurer Pilgerfahrt wollt ihr – wie Sie geschrieben haben – „gemeinsam und für die Menschen unserer Zeit die geistlichen Schätze der Pilgerschaft neu entdecken“. Ja, alles, der ganze Reichtum unseres Glaubens, ist ein Geschenk, ein Geschenk Gottes, das wir nicht nur für uns selber bekommen, sondern immer auch für die anderen, für die Menschen um uns herum – auch für diejenigen, die glaubensmäßig weit weg erscheinen, die noch nichts von Christus gehört haben, oder die meinen, er hätte ihnen nichts Wichtiges zu sagen. Mir scheint, dass es im Leben vieler Menschen heute an dem Sinn, der Hoffnung und der Freude fehlt, die die Welt nicht geben kann. Daher lade ich euch ein, mit allen den Sinn, die Hoffnung und die Freude aus dem Glauben zu teilen – selbstbewusst und demütig zugleich!

Auf das persönliche und glaubwürdige Zeugnis kommt es an bei der Weitergabe des Glaubens. Und als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit nennt der Herr selbst die Einheit seiner Jünger und so bittet er den Vater: „Alle sollen eins sein, damit die Welt glauben kann“ (vgl. Joh 17,21). Im Namen der Kirche danke ich euch, dass ihr diesen ökumenischen Auftrag Jesu ernst nehmt und danach strebt, ihn zu verwirklichen – mit dieser gemeinsamen Pilgerfahrt und, ebenso wichtig, auch im Alltag.

Ich habe gehört, dass ein großer Teil eurer Gruppe Ehrenamtliche sind. Euch gilt mein besonderer Dank, denn mit eurem unentgeltlichen Dienst gebt ein besonders glaubwürdiges Zeugnis!

Und auch euch, den „Dresdner Kapellknaben“, möchte ich für euer besonderes Zeugnis danken. Die Kunst im Allgemeinen, aber insbesondere auch die Musik, ist eine Sprache, die von allen verstanden wird und die in der Lage ist, die Menschen anzusprechen, zu inspirieren und aufzurichten. Manche Dinge kann man schwer in Worte fassen und das gilt natürlich ganz besonders für das göttliche Geheimnis, dass unser Denken und unsere Begriffe weit übersteigt. Deswegen haben wir in den Kirchen diese reiche Symbolik, die uns das Unsagbare, dennoch ahnbar und erfahrbar macht: die Kerzen, den Weihrauch, die Kunst, und eben die Musik! Danke für den wunderbaren Einklang, die Harmonie, zu der die vielen Stimmen finden – und die uns an das Wirken des Heiligen Geistes erinnert, der die Vielen eint! Danke für euer Zeugnis!

Liebe Brüder und Schwestern, macht weiter so und gebt gemeinsam Zeugnis von der Hoffnung, die euch erfüllt (vgl. 1 Petr 3,15). Denkt an die Bilder vom Salz der Erde und vom Licht der Welt, von dem kleinen Samenkorn. Die Bibel ist voll von solchen Beispielen, wo aus etwas Kleinem und Geringen mit Gottes Gnade Großes entsteht, etwas viel Größeres und Schöneres als wir Menschen es von alleine, aus eigener Kraft geschafft hätten. Im Oktober 1989 habt ihr eine Ahnung davon bekommen, als es einigen evangelischen und katholischen Christen in Dresden gelang, der Polizei entgegenzutreten. Es war wie ein Wunder, dass damals kein einziger Schuss fiel, und sich in der Folge ein friedlicher Weg auch in anderen Städten auftat, den niemand für möglich gehalten hätte und der schließlich zum „Wunder“ der Deutschen Einheit führte. Morgen werdet ihr dieses Ereignis ja auch hier in Rom begehen.

So wollen wir uns jetzt gemeinsam an unseren Vater im Himmel wenden, mit dem Gebet, das alle Christen vereint. Mit dem Vaterunser bitten wir um alles, was wir zum Leben brauchen, für unseren Pilgerweg, an dessen Ziel sich unsere große Hoffnung erfüllt: die vollendete Einheit in der Gemeinschaft mit Gott und den Brüdern und Schwestern. Lasset uns beten.

Vaterunser-Gebet

Gott segne Sie alle, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Und beten Sie für mich, diese Arbeit ist nicht einfach. Aber beten Sie für mich, nicht gegen mich.

(vatican news - pr)

 

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02. Oktober 2024, 11:15