Franziskus wünscht sich in der Frauenfrage einen weiten Blick
Gudrun Sailer - Vatikanstadt
Die Jesuitenzeitschrift „La Civiltà Cattolica” veröffentlichte an diesem Dienstag die Mitschrift der gesamten Unterhaltung. Einer der Mitbrüder befragte demnach den Papst zu „der Schwierigkeit, den Frauen einen gerechteren und angemesseneren Platz in der Kirche einzuräumen“. Franziskus bedauerte eine Verengung der Debatte auf die Frage der Frauenweihe und erklärte, Machismo wie auch Feminismus seien „im Allgemeinen eine Logik des ,Marktes´“.
An einer anderen Stelle des Gesprächs würdigte Franziskus das priesterliche Wirken von Frauen allerdings ausdrücklich. Er kenne Situationen „in verschiedenen Teilen der Welt“, wo katholische Gemeinden ohne Priester nach geeigneten Personen in den eigenen Reihen suchten, die „eine führende Rolle spielen“ könnten. „Aber es gibt zum Beispiel auch Ordensfrauen, die diese Aufgabe übernehmen“, sagte der Papst. „Ich denke da an eine peruanische Frauenkongregation, die ihren eigenen Auftrag hat: Sie geht dorthin, wo es keinen Priester gibt. Sie tun alles: Sie predigen, sie taufen... Wenn schließlich ein Priester geschickt wird, dann gehen sie woanders hin.“ Die Gemeinschaft sei „wichtiger als der Priester“.
Frauen im Vatikan
In seinem eigenen Staat fördere er Frauen gezielt, erklärte der Papst. „In dieser Zeit versuche ich mehr und mehr, Frauen mit immer verantwortungsvolleren Aufgaben in den Vatikan zu bringen. Und die Dinge ändern sich: Man kann es sehen und spüren.“ Es funktioniere alles „besser als früher“, weil die Frauen dabei seien. Franziskus verwies namentlich auf die drei Frauen, die er zu Mitgliedern und damit stimmberechtigten Angehörigen der Bischofsbehörde gemacht habe. „Seit sie bei der Auswahl der (Bischofs-)Kandidaten dabei sind, läuft es viel besser: Sie sind scharfsinnig in ihren Urteilen.“
Der Papst erinnert daran, dass der Generalsekretär des Governatorats eine Frau ist (Schwester Raffaella Petrini). In den Dikasterien für die ganzheitliche menschliche Entwicklung und für das geweihte Leben wirke je eine Frau als „Vize“ (Schwester Alessandra Smerilli und Schwester Simona Brambilla), und im päpstlichen Wirtschaftsrat sei die stellvertretende Koordinatorin ebenfalls eine Frau, die Deutsche Charlotte Kreuter-Kirchhoff. Franziskus kündigte an, auf diesem Weg fortzufahren: „Die Dinge funktionieren besser als früher“, versichert der Papst. In diesem Zusammenhang erinnert er auch an eine Anekdote mit der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen: „Wir sprachen über ein bestimmtes Problem, und ich fragte sie: ‚Wie gehen Sie mit solchen Problemen um?‘. Sie antwortete mir: ‚So wie wir Mütter es alle tun‘. Ihre Antwort hat mich zum Nachdenken gebracht.“
Migranten, die integriert werden müssen
Im Gespräch mit den 150 Mitbrüdern des Jesuitenordens aus Belgien, Luxemburg und den Niederlanden, die der Papst im Collège Saint-Michel in Brüssel getroffen hatte, ging Franziskus auch auf das Thema Migration ein. Zwingend notwendig sei eine gute Integration aller, die in die europäischen Gesellschaften einwanderten. „Ein Migrant, der nicht integriert wird, nimmt ein böses Ende, aber auch die Gesellschaft, in der er sich befindet, nimmt ein böses Ende“, warnte der Papst und verwies auf den Anschlag, bei dem 2016 zwei IS-Terroristen auf dem Flughafen Zaventem 16 Menschen ermordeten. Auch die Kirche müsse „die Arbeit mit Migranten ernst nehmen.“ Zum anderen sei das alternde Europa zwingend auf Einwanderung angewiesen. „Es braucht Migranten, um das Leben zu erneuern. Es ist zu einer Frage des Überlebens geworden.“
In Bezug auf die Mission ermutigte Franziskus seine Mitbrüder in den drei stark säkularisierten Benelux-Staaten, keine Angst zu haben: „Der Jesuit darf sich vor nichts fürchten. Er ist ein Mann in Spannung zwischen zwei Formen des Mutes: dem Mut, Gott im Gebet zu suchen, und dem Mut, an die Grenzen zu gehen.“ Das Gebet des Jesuiten „entwickelt sich in Grenzsituationen, in schwierigen Situationen. Das ist das Schöne an unserer Spiritualität: zu riskieren.“
Säkularisierung bezeichnete der Papst als „ein komplexes Phänomen“. In Gesellschaften, in denen Gott kaum noch wahrgenommen wird, sollten die Jesuiten „mit Zeugnis, Dienst und Glauben predigen“, genährt von einem inneren Gebet. „Wir müssen offen sein, einen Dialog führen, und im Dialog mit Einfachheit helfen.“
Doch auch „das intellektuelle Apostolat ist wichtig und gehört zu unserer Berufung als Jesuiten“, fuhr der Papst fort. Jesuiten müssten „in der akademischen Welt, in der Forschung und auch in der Kommunikation präsent sein“. Franziskus zeigte sich besonders interessiert an moraltheologischer Forschung. „In diesem Bereich gibt es heute viele Jesuiten, die studieren, Wege der Interpretation eröffnen und neue Herausforderungen stellen. Das ist nicht einfach, ich weiß. Aber ich fordere die Jesuiten auf, vorwärts zu gehen.“ Er verfolge die Arbeit einer Gruppe von „moralischen Jesuiten“, so der Papst in einer offensichtlich scherzhaften Formulierung, „und ich sehe, dass sie sehr gut arbeiten.“ Ausdrücklich empfahl der Jesuitenpapst die Zeitschriften seines Ordens, darunter nannte er ausdrücklich die Publikation der deutschen Jesuiten „Stimmen der Zeit“.
(vatican news – gs)
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