Generalaudienz: Die Katechese im Wortlaut

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Letzte Woche haben wir erklärt, was wir im Glaubensbekenntnis vom Heiligen Geist verkünden. Die Reflexion der Kirche ist aber nicht bei diesem kurzen Glaubensbekenntnis stehen geblieben. Sie hat sich sowohl im Osten als auch im Westen durch das Werk großer Kirchenväter und Kirchenlehrer fortgesetzt. Heute möchten wir vor allem einige Bruchstücke der in der lateinischen Tradition entwickelten Lehre vom Heiligen Geist aufgreifen, um zu sehen, wie sie das gesamte christliche Leben, und insbesondere das Ehesakrament erhellt.

Der wichtigste Begründer dieser Lehre ist Augustinus. Er geht von der Offenbarung aus, dass „Gott Liebe ist“ (1Joh 4,8). Nun setzt die Liebe jemanden voraus, der liebt; einen anderen, der geliebt wird – und die Liebe selbst, die die beiden miteinander verbindet. Der Vater ist in der Dreifaltigkeit Liebender, Quelle und Anfang von allem; der Sohn ist der, der geliebt wird; der Heilige Geist Liebe, die sie verbindet (vgl. Augustinus, De Trinitate, VIII,10,14). Der Gott der Christen ist also ein „einzigartiger“, aber kein einsamer Gott; er ist eine Einheit der Gemeinschaft und der Liebe. In diesem Sinne wurde manchmal vorgeschlagen, den Heiligen Geist nicht, im Singular, „dritte Person“ der Dreifaltigkeit zu nennen, sondern mit der „ersten Person Plural“ zu bezeichnen. Mit anderen Worten: der Heilige Geist ist das göttliche Wir des Vaters und des Sohnes, das Band der Einheit zwischen den verschiedenen Personen (vgl. H. Mühlen, Una mystica persona. Die Kirche als Mysterium des Heiligen Geistes, Città Nuova, 1968), das Prinzip der Einheit der Kirche, die „ein Leib“ ist, der aus vielen Personen besteht.

Wie ich bereits sagte, möchte ich heute mit euch vor allem darüber nachdenken, was der Heilige Geist der Familie zu sagen hat. Was kann der Heilige Geist mit der Ehe zu tun haben? Sehr viel, vielleicht das Wesentliche, und ich versuche nun zu erklären, warum! Die christliche Ehe ist das Sakrament der gegenseitigen Hingabe von Mann und Frau. So war es vom Schöpfer gedacht, als er „den Menschen als sein Bild erschuf, männlich und weiblich schuf er sie“ (Gen 1,27). Das menschliche Paar ist also die erste und grundlegendste Verwirklichung der Gemeinschaft der Liebe, die die Dreifaltigkeit ist.

Auch die Eheleute sollten eine erste Person Plural bilden, ein „Wir“; sie sollten einander als „Ich“ und „Du“ gegenüberstehen und vor dem Rest der Welt, auch vor ihren Kindern, als „Wir“ auftreten. Wie schön ist es, wenn man eine Mutter zu ihrem Kind sagen hört: „Dein Vater und ich...“ – die Wort, die Maria zu Jesus sagte, als sie den Zwölfjährigen im Tempel wiederfanden (vgl. Lk 2,48). Und wie schön ist es, einen Vater sagen zu hören: „Deine Mutter und ich“, als wären sie eins. Wie sehr brauchen Kinder diese Einheit der Eltern und wie sehr leiden sie, wenn sie fehlt!

Um dieser Berufung zu entsprechen, braucht die Ehe jedoch die Unterstützung dessen, der die Gabe, oder besser gesagt, die Hingabe schlechthin ist. Dort, wo der Heilige Geist eintritt, wird die Fähigkeit zum Sich-Verschenken neu geboren. Einige lateinische Kirchenväter haben bekräftigt, dass der Heilige Geist – als gegenseitiges Geschenk des Vaters und des Sohnes in der Dreifaltigkeit – auch der Grund für die Freude ist, die zwischen ihnen herrscht; und so haben sich besagte Kirchenväter auch nicht gescheut, in diesem Zusammenhang das Bild der Gesten zu verwenden, die zum ehelichen Leben gehören, wie Küsse und Umarmungen (vgl. Hilarius von Poitiers, De Trinitate, II, 1; Augustinus, De Trinitate, VI, 10, 11).

Niemand behauptet, dass eine solche Einheit ein leicht zu erreichendes Ziel ist, schon gar nicht in der heutigen Welt. Aber das ist die Wahrheit der Dinge, wie sie der Schöpfer gewollt hat, und liegt daher in ihrer Natur. Natürlich mag es einfacher und schneller erscheinen, auf Sand zu bauen als auf Fels; aber in seinem Gleichnis sagt uns Jesus ja auch, was dabei herauskommt (vgl. Mt 7,24-27). Und in diesem Fall brauchen wir das Gleichnis gar nicht, weil die Folgen von Ehen, die auf Sand gebaut sind, leider für alle sichtbar sind – und dabei vor allem die Kinder immer die Leidtragenden sind. Für viele Eheleute trifft das zu, was Maria in Kana, in Galiläa, zu Jesus sagte: „Sie haben keinen Wein mehr“ (Joh 2,3). Der Heilige Geist aber ist es, der auf geistlicher Ebene das Wunder vollbringt, das Jesus damals vollbracht hat: das Wunder nämlich, das Wasser der Gewohnheit in eine neue Freude am Zusammensein zu verwandeln. Das ist keine fromme Illusion: es ist das, was der Heilige Geist in so vielen Ehen bewirkt hat – nämlich dann, wenn Eheleute beschlossen haben, ihn anzurufen.

Es wäre daher nicht schlecht, zukünftigen Ehepaaren nicht nur rechtliche, psychologische und moralische Informationen zu geben, sondern auch die „geistliche“ Vorbereitung der Verlobten auf die Ehe zu vertiefen. „Zwischen Mann und Frau soll man nicht den Finger legen“, besagt ein italienisches Sprichwort, das vor Einmischung ins Eheleben warnt. Einen „Finger“ aber gibt es, den man zwischen Mann und Frau legen muss, und das ist der „Finger Gottes“: der Heilige Geist!

(vaticannews- skr)
 

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22. Oktober 2024, 17:03