Franziskus wünscht Bibliotheken statt Waffen
Gudrun Sailer - Vatikanstadt
Franziskus rief dazu auf, dem „Krieg in Stücken“ mit mehr kultureller Bildung und Austausch zu begegnen. Der Schutz von Bibliotheken und kulturellen Institutionen sei essenziell, um die Erinnerung und das Wissen für zukünftige Generationen zu bewahren. Er äußerte sich vor den Teilnehmenden eines Kongresses der Vatikan-Bibliothek, der dieser Tage Fachleute aus 23 renommierten internationalen Bibliotheken in Rom versammelte.
Reiche und arme Länder und ihr Bibliotheken
Der Papst wies auch auf die wachsende Kluft zwischen reichen und armen Ländern hin, wenn es um den Zugang zu Wissen geht. „Die hohen Kosten für die Erhaltung von Bibliotheken, insbesondere historischer Sammlungen, führen dazu, dass nur wenige Länder weltweit solche Dienstleistungen anbieten können“, kritisierte er. Dies trage dazu bei, dass ärmere Nationen nicht nur materielle, sondern auch intellektuelle und kulturelle Armut erleiden. Der Papst forderte daher mehr internationale Solidarität, um Bildung und Kultur für alle zugänglich zu machen.
Franziskus hob zudem hervor, wie sehr sich die Rolle von Bibliotheken derzeit verändere. Technologische Entwicklungen hätten neue Möglichkeiten eröffnet, aber auch Risiken geschaffen. „Die großen Datenbanken sind reichhaltige Minen, doch ihre Qualität ist schwer zu kontrollieren“, erklärte der Papst. Er forderte die Teilnehmenden auf, mit Kreativität und Mut den Herausforderungen zu begegnen und Bibliotheken als Orte langfristiger Reflexion und Forschung zu gestalten.
Zu diesem Zweck legte Franziskus den Bibliothekarinnen und Bibliothekaren vier Grundsätze ans Herz: Zeit solle wichtiger sein als Raum, Einheit solle Konflikte überwiegen, Realität solle über Ideen stehen, und das Ganze solle immer über den Einzelteilen stehen. Mit diesen Prinzipien könnten Bibliotheken weiterhin einen entscheidenden Beitrag für Bildung und Frieden leisten.
Lob von Papst Pius XI.
Ein besonderes Lob sprach Franziskus seinem Vorgänger Pius XI. (1922-1939) aus. Er würdigte ihn als „Papst-Bibliothekar“, der die Bedeutung von Wissen und Wissenschaft in schwierigen Zeiten erkannt habe. Während der Nazifaschismus Europa erschütterte, reformierte Pius XI. die Vatikan-Bibliothek und schuf nicht nur neue Arbeitsplätze, sondern stellte diese auch Verfolgten zur Verfügung. „Die Bibliothek wurde zu einem sicheren Ort für viele Gelehrte, selbst für diejenigen, die von totalitären Regimen verfolgt wurden“, erklärte Franziskus.
Unter anderem fand der von den Faschisten inhaftierte christdemokratische Politiker Alcide de Gasperi nach seiner Haftentlassung 1938 bis Kriegsende eine Anstellung an der Papst-Bibliothek, obwohl ihm die fachlichen Voraussetzungen dafür fehlten. Mehrere dutzend jüdische Forschende, darunter Deutsche wie der Kirchenrechtler Stephan Kuttner, versorgte Pius XI. mit Aufträgen und sicherte ihnen so den Schutz des Vatikans und ein Auskommen. Der gelehrte Papst, der in jüngeren Jahren in Mailand die kirchliche Ambrosiana-Bibliothek geleitet hatte, ließ ab 1929 auch erstmals Frauen als Mitarbeitende in der päpstlichen Bibliothek zu. Pius XI., so Franziskus, „bringt uns zum Nachdenken über den Einfallsreichtum, den Mut und die Konkretheit der von ihm geleisteten Arbeit".
(vatican news – gs)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.