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Vater Unser-Kirche in Rebibbia mit Heiliger Pforte Vater Unser-Kirche in Rebibbia mit Heiliger Pforte 

Papst Franziskus und das Gefängnis

Franziskus ist dafür bekannt, dass er an geografische wie existentielle Peripherien geht. Mit der erstmaligen Öffnung einer „Heiligen Pforte“ im Gefängnis macht er der Welt vor, was Barmherzigkeit und das Wagnis der Hoffnung bedeuten.

Radio Vatikan ordnet die erste Öffnung einer Heiligen Pforte im Gefängnis durch Papst Franziskus in einem Kollegengespräch ein.

Eine Premiere 

 

 

„Das ist zum ersten Mal in der jahrhundertelangen Geschichte der regulären Heiligen Jahre geschehen.“

Die erste Heilige Pforte hat der Papst am Petersdom geöffnet, die zweite hat er nun in der italienischen Haftanstalt Rebibbia aufgemacht. Was bedeutet das?

Anne Preckel: Mit der Öffnung der Heiligen Pforte am Petersdom hat der Papst am Heiligen Abend ja offiziell das Heilige Jahr eingeleitet. Nicht minder historisch, wenn auch medial weniger beachtet, war die Öffnung einer Heiligen Pforte in einem Gefängnis an diesem Donnerstag. Das ist zum ersten Mal in der jahrhundertelangen Geschichte der regulären Heiligen Jahre geschehen. Der Papst setzt damit ganz konkret das um, was er sich für das Heilige Jahr wünscht: Gesten der Hoffnung, Gesten des Herzens. Zudem sind diese beiden Heiligen Pforten die einzigen, die Franziskus zum Heiligen Jahr 2025 wirklich persönlich öffnet. Auch das ist bedeutungsvoll: wo Hoffnung am dringlichsten gebraucht wird, wird sie persönlich vorgemacht, sie ist ein Zeugnis.

Franziskus hat frei gesprochen in Rebibbia, mit wachem Blick und einem Lächeln auf den Lippen - übrigens trägt er neuerdings auch ein Hörgerät - und in dem, was er sagte, stand dann, anders als im vorbereiteten Redetext, das „Herz“ sehr stark im Mittelpunkt dieser Botschaft der Hoffnung. Was bedeutet das?

Anne Preckel: Franziskus hat in diesem Jahr bereits eine Enzyklika über das Heiligste Herz Jesu vorgelegt, „Dilexit nos“. Auch spricht er häufig über das Dreigespann Herz, Kopf und Hand, die für ihn beim menschlichen Wirken in der Welt zusammengehören. Zu den Insassen von Rebibbia hat er an diesem Donnerstag, dem Gedenktag des ersten christlichen Märtyrers Stephanus, über das Herz gesprochen, das er mit der Heiligen Pforte des Gefängnisses gleichgesetzt hat. Ein Tor ist ja ein kraftvolles Symbol, umso mehr, wenn es inmitten von Isolation wie im Gefängnis geöffnet wird. Genau das aber bedeutet christliches Hoffen: dort, wo es am schwierigsten ist. Den Häftlingen hat der Papst gesagt: „Macht die Türen eures Herzens weit auf! Jeder von euch weiß, wie er das tut.“ Sie sollten den „Anker der Hoffnung“ auswerfen und sich daran festhalten, nutzte er ein zweites Bild: inmitten schwerster Umstände sollten sie das Hoffen wagen. Hoffnung kommt, wenn man sie sucht, sagt der Papst: „Die Hoffnung enttäuscht nicht“ ist Maxime dieses Heiligen Jahres und Titel seiner Verkündigungsbulle „Spes non confundit“ (die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen).

Hier zum Nachhören

Hoffnung vor allem für die Leidenden

„Hoffnung kein exklusives Gut weniger Auserwählter“

Johannes Paul II. hat am 27. Dezember 1983 im Gefängnis Rebibbia seinen Attentäter Mehmet Ali Agca besucht. Wie ist Franziskus‘ besondere Aufmerksamkeit für Häftlinge einzuordnen?

Anne Preckel: Zunächst einmal ist daran zu erinnern, dass Barmherzigkeit ein Leitmotiv in Franziskus‘ Pontifikat ist. Das zeigt sich immer wieder, etwa in seinen Aufrufen an Beichtväter, Barmherzigkeit walten zu lassen, in seiner Ehe- und Familienpastoral und in seinem Einsatz gegen die Todesstrafe weltweit. Franziskus‘ barmherzige Zuwendung zu Gefangenen ist schlüssig in diesem Bild. Der Papst hat mehrfach zu einer Reform des Strafvollzugs aufgerufen und mit seinen Besuchen in Gefängnissen im In- und Ausland auf menschenunwürdige Zustände dort verwiesen. Inzwischen schon Tradition hat Franziskus‘ Fußwaschung an Häftlingen am Gründonnerstag, unabhängig von deren Geschlecht oder Religion, wie auch dieses Jahr Ostern geschehen in Rebibbia. Im Rahmen des Heiligen Jahres richtet der Papst nun einen zusätzlichen Fokus auf diese Peripherie in unserer Gesellschaft, die das Gefängnis ist. Mit Öffnung einer Heiligen Pforte dort verweist er darauf, dass Hoffnung kein exklusives Gut weniger Auserwählter ist, sondern eine Gnade für alle, die danach suchen, vor allem in schwierigen Umständen. Alle, ob „drinnen oder draußen“, sollten dies verstehen, sagte er heute bei Aufstoßen der Heiligen Pforte in der Haftanstalt. Dass dies am Gedenktag des ersten christlichen Märtyrers Stephanus im Gefängnis stattfand, verweist zudem auf alle geknechteten und verfolgten Christen in der Welt, die ihren Glauben wie in einem Kerker nicht frei leben können. 

Greifbare Zeichen der Hoffnung

„Wenn Franziskus‘ Appelle ernst genommen und umgesetzt werden, wird das Heilige Jahr unsere Welt positiv verändern.“

Und wird diese Botschaft auch „draußen“ verstanden? Was erhofft sich der Papst dazu vom Heiligen Jahr der Hoffnung insgesamt, in der ganzen Welt?

Anne Preckel: Er erhofft sich „greifbare Zeichen“ der Hoffnung, Barmherzigkeit und Erneuerung weltweit und richtet sich damit auch an die Mächtigen, die Entscheider. Es geht auch darum, es „anders“ zu machen in einer Welt, die zunehmend dialogunfähig wird, die in Verhärtung, Spaltung, Gewalt abdriftet, die sich von der Hoffnung immer weiter entfernt. Trotzt dieser Tendenz! Haltet sie auf! - will der Papst uns allen sagen. Konkret ruft Franziskus für 2025 etwa zu einem Schuldenerlass für arme Länder und zur Begnadigung und Wiedereingliederung von Häftlingen auf. In den USA hat das der scheidende US-Präsident Joe Biden schon aufgegriffen und Todesurteile für 37 in den USA Verurteilte in lebenslange Haftstrafen umgewandelt. In Italien will der Justizminister sich verstärkt um Projekte zur Wiedereingliederung von Häftlingen bemühen, war zu hören, um ein weiteres Beispiel zu nenen. Wenn Franziskus‘ Appelle ernst genommen und umgesetzt werden, wird das Heilige Jahr unsere Welt positiv verändern. 

(vatican news)
 

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26. Dezember 2024, 11:38