„Diplomatie der Wahrheit“: Papst fordert gemeinsame Basis für Multilateralismus
Franziskus führte in diesem Redeteil seinen Aufruf zu einer „Diplomatie der Hoffnung“ weiter aus. Eine „Diplomatie der Hoffnung“ sei zuallererst eine „Diplomatie der Wahrheit“, betonte der Papst, der zunächst die Bedeutung einer gemeinsamen Verständnisgrundlage als Basis von Kommunikation und Diplomatie hervorhob.
„Diplomatie der Wahrheit“
„Wo die Verbindung zwischen Realität, Wahrheit und Wissen fehlt, können die Menschen nicht mehr miteinander sprechen und sich verstehen, weil die Grundlagen einer gemeinsamen, in der Realität der Dinge verankerten und damit allgemein verständlichen Sprache fehlen.“ Kommunikation brauche „präzise“ Worte und einen geteilten Bedeutungshorizont, Dialog und gemeinsames Engagement für das Gemeinwohl bräuchten eine „gemeinsame Sprache“ und „guten Willen“, ergänzte er.
In der Diplomatie, vor allem im Multilateralismus, sei dies „besonders wichtig“, so Franziskus, Wirkung und Erfolg allen diplomatischen Wirkens hingen davon ab. Der Papst appellierte, den Multilateralismus solchermaßen auf eine gemeinsame, solide Basis zu stellen: „Es ist eine Tatsache, dass der Multilateralismus nur dann stark und wirksam ist, wenn er sich auf verhandelte Fragen konzentriert und eine einfache, klare und abgestimmte Sprache verwendet.“
Papst warnt vor spalterischen Ideologien
Franziskus führte ebenso aus, was einer „Diplomatie der Wahrheit“ widerspricht. Eindringlich warnte er vor der Instrumentalisierung multilateraler Dokumente, vor der einseitigen Umdeutung von Menschenrechtsverträgen und vor Begriffsveränderungen, „um spalterische Ideologien zu fördern, die die Werte und den Glauben der Völker mit Füßen treten“. Solche Versuche bedeuteten nicht weniger als „eine echte ideologische Kolonisierung, die mit am grünen Tisch erdachten Plänen versucht, die Traditionen, die Geschichte und die religiösen Bindungen der Völker auszulöschen“, kritisierte der Papst.
Kein Recht auf Abtreibung
Es handele sich um eine Mentalität der „Cancel Culture“, die sich fortschrittlich gebe, die aber tatsächlich keine Unterschiede toleriere, sich auf individuelle Rechte konzentriere und vor allem Pflichten gegenüber den Schwächsten und Verletzlichsten vernachlässigte. Als Beispiel hierfür nannte Franziskus das sogenannte „Recht auf Abtreibung“, „das den Menschenrechten, insbesondere dem Recht auf Leben, widerspricht“ und rief erneut zum Schutz des ganzen Lebens in jedem Moment auf – von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod.
Besonders folgenreich seien ideologische Tendenzen im Bereich multilateraler Gremien, fuhr Franziskus fort. Der Papst rief zu einem erneuerten Geist des Dialoges und der Zusammenarbeit der Staaten nach Beispiel der Erklärung von Helsinki 1975 auf. Vertreter von 35 Staaten des Welt- und Ostblocks hatten sich damals auf Prinzipien zur Regelung ihrer Beziehungen und auf Dialog als Mittel der Konfliktlösung geeinigt, was nach weiteren Konferenzen 1995 schließlich in die Gründung der „Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (OSZE) mündete. Der Heilige Stuhl, eines der OSZE Gründungsmitglieder, wirkte damals aktiv an den Verhandlungen mit. Zu diesem „Geist von Helsinki“ gelte es zurückzukehren, appellierte der Papst.
Multilaterale Institutionen müssen sich erneuern
Franziskus räumte gleichwohl eine Krise der multilateralen Institutionen ein, die er als „reformbedürftig“ bezeichnete. Diese Institutionen seien nicht mehr in der Lage, Frieden, Stabilität und Entwicklung zu garantieren und den Hunger zu bekämpfen. Auch reagierten sie „nicht wirklich effizient“ auf aktuelle Herausforderungen im Bereich Umwelt, Gesundheit, Kultur und Gesellschaft sowie Herausforderungen der künstlichen Intelligenz, urteilte der Papst. Franziskus erinnerte daran, dass Reformen dieser Institutionen auf Grundsätzen der Subsidiarität und Solidarität sowie der Achtung der gleichberechtigten Souveränität der Staaten beruhen müssten. Er warnte vor Lobbyismus und einer „Zersplitterung in Clubs von Gleichgesinnten“, die nur eigene Interessen verfolgten.
Als ermutigend bezeichnete der Papst den Friedens- und Freundschaftsvertrag zwischen Argentinien und Chile, der am 29. November 1984 im Vatikan unterzeichnet wurde. Der unter Mitwirkung des Heiligen Stuhls ermöglichte Pakt beendete den Streit um den Beagle-Kanal. Erfreut äußerte sich Franziskus zudem über positive Entwicklungen beim Atomabkommen mit dem Iran: hier kündige sich eine Rückkehr zur vorherigen Vertragsbasis an.
(vatican news - pr)
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