Karl-Heinz Menke Karl-Heinz Menke 

Ratzingerpreis: Theologie für die Zukunftsfragen der Menschen

Ein Theologe, der lebt was er sagt: So beschreibt Karl-Heinz Menke den Theologen Joseph Ratzinger. Der emeritierte Bonner Theologieprofessor erhält an diesem Samstag in Rom den Joseph-Ratzinger Preis aus der Hand von Papst Franziskus, gemeinsam mit zwei weiteren Preisträgern.

Bernd Hagenkord SJ – Vatikanstadt

Theologie habe auch heute noch Relevanz, für das Leben der Theologie-Treibenden genauso wie für die Gesellschaft und die Wissenschaften: Diese zwei Impulse entnimmt Menke im Gespräch mit Radio Vatikan dem Denken Ratzingers.

Die Theologie des emeritierten Papstes sei keineswegs nur unter historischen Gesichtspunkten interessant, findet Menke: „Zwei Schwerpunkte haben Zukunftspotenzial: Die Wahrheitsfrage und die besondere Hermeneutik der heiligen Schrift“. Letzteres könne man sehr gut etwa in dem mehrbändigen Jesusbuch erkennen, dass Ratzinger zum Teil als Kardinal, zum Teil dann als Papst geschrieben hat. „Bei der Wahrheitsfrage geht er davon aus, dass es eine Wahrheit gibt und dass die theologisch beschrieben werden kann als Logos Gottes, der in Jesus Christus konkret geworden ist.“ Das gehöre dann in die wissenschaftliche Debatte und sorge dafür, dass die Frage nach dem Sinn nicht erlösche, so der emeritierte Professor. Daraus ergäben sich dann wiederum „enorme Konsequenzen für das Menschenbild, für den Umgang mit Gentechnologie oder Sterbehilfe, für die Zukunftsfragen der Menschen.“

 

Zukunftsfragen der Menschen

 

Für Ratzinger sei dabei immer die Einsicht entscheidend gewesen, dass Wahrheit niemals aufgezwungen werden dürfe. „Er hält das für das Gegenteil von totalitär“, sagt Menke.

Er selber sei weder ein Ratzinger-Schüler, noch einer der wichtigen Ratzinger-Interpreten, deswegen habe es ihn überrascht, den Preis verliehen zu bekommen. Es gebe aber Schnittflächen des theologischen Interesses und Themen, die ihn immer an Ratzinger fasziniert hätten, die Frage nach der Wahrheit sei eine davon.

„Angesichts der Tendenzen von Globalisierung und interreligiösem Dialog, die wichtig sind, kommt die Wahrheitsfrage zu kurz. Eine Rückbesinnung auf das, was (Ratzinger) gegen den Mainstream immer wieder eingefordert hat, macht die Theologie zukunftsfähig im Konzert der anderen Wissenschaften.“

„Theologie muss etwas sein, dass das Leben derer, die sie treiben, prägt.“

Dabei dürfe man aber den zweiten Impuls, die Bedeutung für das Leben der Theologie-Treibenden, nicht vergessen, sagt Menke: „Theologie muss etwas sein, dass das Leben derer, die sie treiben, prägt. Ich sagen das auch Theologiestudenten: Ihr müsst euch mal dabei ertappen, dass ihr an einer Ampel oder an einer Einkaufskasse darüber nachdenkt, was hat der denn gerade in der Vorlesung gesagt.“ Nur eine solche Theologie könne überhaupt fruchtbar werden, Theologie sei kein Job und keine Methode.

 

Entweltlichung: kein Plädoyer für den Rückzug ins Private

 

Dieser Gedanke habe auch dem Wort von der „Entweltlichung“ zu Grunde gelegen, das der damalige Papst 2011 bei seinem Deutschlandbesuch verwendet hatte und das für viel Diskussion gesorgt habe. Er selber habe das auch mit dem emeritierten Papst besprechen können. „Er wollte darauf hinweisen, wenn der gelebte Glaube des je einzelnen nicht mehr die Welt und das eigene Leben prägt, sind die Institutionen des Christentums nicht mehr vom Glauben der Gläubigen geprägt, sondern sie verselbstständigen sich.“ In der Geschichte Jesu werde Gott offenbar, das müsse von jedem Gläubigen in das „kleine Einmaleins seines Lebens“ übersetzt werden. Ohne die Prägung durch den Glauben seien auch von der Kirche getragene Institutionen nicht mehr sinnvoll, das sei aber kein Ratzinger-Plädoyer für den Rückzug: „Das Plädoyer zur Entweltlichung ist kein Plädoyer für einen Rückzug ins Private, sondern im Gegenteil für einen Glauben, der als Glaube die Welt prägt.“

„Seine Theologie ist mit einer tiefen Spiritualität gepaart. Man hat gemerkt: Der lebt, was er sagt“

Hier treffen die beiden Impulse aufeinander: die Bedeutung für die Welt und das Prägen des Lebens des Einzelnen, des Theologie-treibenden. „Das hat Papst Benedikt ein Leben lang, Jahrzehnte lang vorgelebt. Seine Theologie ist mit einer tiefen Spiritualität gepaart. Man hat gemerkt: Der lebt, was er sagt.“

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

17. November 2017, 14:07