Vatikan plant politischen Einsatz für Flüchtlinge auf Weltebene
Gudrun Sailer - Vatikanstadt
Zum ersten Mal galt eine päpstliche Friedensbotschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar dem Thema Flüchtlinge und Migranten – und das ist der Beginn eines neuen Einsatzes der katholischen Kirche für die betroffenen Menschen und Nationen auch auf internationaler politischer Ebene. Darauf verweist der Chef der Abteilung Flucht und Migration am päpstlichen Dikasterium für die ganzheitliche menschliche Entwicklung, Michael Czerny. Der kanadische Jesuit leitet das Büro stellvertretend für Papst Franziskus selbst, der sich bei der Einrichtung des Dikasteriums vorbehalten hatte, persönlich für die Agenden des Heiligen Stuhles in der Frage von Flucht und Migration zuständig zu sein.
„Es ist die 51. Friedensbotschaft der Päpste, und die erste, die sich dem Thema Flüchtlinge und Migranten widmet. Es ist also ein traditionelles Format, das Papst Franziskus für diesen Bereich öffnet, der eine tiefe Sorge der ganzen Welt ist. Er sagte in der Botschaft, Migranten und Flüchtlinge sind nicht bloß Menschen, die Hilfe brauchen, sondern sie tragen auch selber zum Frieden bei, sind Handwerker des Friedens, Friedensbauer, und das ist, wie ich glaube, eine erfrischende und positive Botschaft.“
Die päpstlichen Friedensbotschaften werden jeweils schon einige Wochen vorab veröffentlicht, doch die Regierungen – an die sie sich grundsätzlich auch richten – nehmen erst zum Neuen Jahr davon Notiz, sagte Czerny. Franziskus werde auch in seiner traditionellen Neujahrsrede für die am Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomaten aus aller Welt über Flüchtlinge und Migranten als Friedensstifter sprechen. Der Dialog mit Regierungen über dieses Thema fange also gerade erst an, doch zeichne sich bereits ab, dass die Haltung des Heiligen Stuhles in diesem Punkt von vielen Staaten hoch geschätzt werde, „sowohl in der globalen Flüchtlingsfrage als auch in der ganz neuen Frage der sicheren Migration“.
Für 2018 laden die Vereinten Nationen zu zwei großen Konferenzen über Flucht und Migration. Der Heilige Stuhl werde dabei groß vertreten sein, bestätige Czerny. Viele Nationen suchten in diesen Fragen nach Leadership und schauten dabei auf den Heiligen Stuhl. Dieser habe einen Aktionsplan in 20 Punkten entwickelt und zur Vorbereitung der Konferenzen bereits an die Vereinten Nationen geschickt. Das Ziel dieser vatikanischen Eingaben zur internationalen Politik umreißt Czerny so:
„Migranten und Flüchtlinge: das ist zwar ein globales Phänomen, aber in Wirklichkeit eine Vielzahl von besonderen Situationen, die nicht auf der globalen Ebene behandelt werden können. Gruppen von Menschen fliehen von einem bestimmten Land, durchqueren andere Länder und landen schließlich in wieder anderen Ländern. Wenn man alle diese Länder dazu bringen kann, zusammenzuarbeiten, dann wären wir einer Besserung der Situation schon näher.“
Die große Hoffnung des Heiligen Stuhles für die betroffenen Menschen und Nationen ist die Hoffnung auf bessere Abkommen.
„Lasst uns bessere Abkommen erarbeiten, die zu besserer Politik führen und besseren Praktiken. Sobald wir die haben, werden wir sie auch überwachen und bewerten. Und darauf aufbauend können wir noch bessere Vereinbarungen in der Zukunft treffen.“
In Polemiken sieht Czerny keinen zielführenden Weg aus der drängenden Frage, wie Staaten mit Flüchtlingen und Migranten umgehen sollen. „Streit ist da nicht hilfreich“, so der Jesuit, „wohl aber ist es hilfreich, die Wahrheit zu wiederholen“. Die Sicht, wonach Migranten Staaten belasten, mögliche Terroristen seien und Leuten die Jobs wegnehmen, entspreche nicht der Wahrheit.
„Ein solches Bild wird benutzt und weitergegeben für kurzfristige politische Zwecke. Viele Leute, die ruhig nachdenken, werden realisieren, dass ihre Vorfahren genau das waren: Menschen, die vor nicht zu bewältigenden Situationen flüchteten und dann an anderen Orten neue Chancen fanden. Unser Ziel ist es, ruhig und gelassen die positiven Erfahrungen vorzutragen, und davon gibt es Abertausende! Wir müssen sicherstellen, dass Regierungen die positiven Beispiele kennen, die sogar in ihren eigenen Ländern vorfallen, oder in Nachbarländern, und dass sie sehen, dass man mit weniger Investment und mehr gutem Willen viel weiter kommen kann als mit der Vorstellung, man könne sich von dem Problem loskaufen.“
Und Pater Czerny verweist auf Beispiele gelungener Integration und Neubelebung durch Flüchtlinge und Migranten, die er aus eigener Anschauung kennt.
„In Italien gibt es uralte Dörfer auf Hügeln, in denen nur noch eine Handvoll alter kranker Leute wohnten, und keine Zukunft. Da kamen Migranten und bauten die Landwirtschaft wieder auf, was dann zu Handel führte, zu mehr Tourismus, Familien kamen zurück, die Schule wurde wieder geöffnet, in der Kirche waren wieder Messen. Es ist herzerwärmend und treibt einem fast die Tränen in die Augen zu sehen, dass neues Leben wirklich möglich ist, wenn man dazu bereit ist, zu teilen und das Leben und die Herzen zu öffnen für einen Neubeginn. Und so haben Migranten und Flüchtlinge an vielen Orten auch zur Erneuerung nicht bloß praktischer Probleme beigetragen, sondern auch zur Erneuerung der menschlichen Situation. Genau darin ist Papst Franziskus so überzeugend und prophetisch, wenn er sagt, unser Lebensstil, unsere Städte brauchen neues Leben, eine neue Ausrichtung. Wir sollen uns nicht einschließen und meinen, wenn wir bei dem bleiben, was wir haben, dann können wir es bewahren. Nein. Das Leben wird besser, wenn man es lebt und teilt. Und das ist, was der Fluss der Menschen uns lehrt und was für unsere Erfahrungen zugänglich ist.“
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