Hans Albert Courtial: Manager, Mäzen, Ideenfabrikant
Sein Motto lautet: „Durch Kunst die Kunst retten“. Hans Albert Courtial schöpft aus der Tradition und überträgt diese in unsere Zeit. Seine mit Meisterhand organisierten Konzerte in den berühmtesten Kirchen Roms – Petersdom, Santa Maria Maggiore, die Lateran-Basilika, Sankt Paul vor den Mauern – und mit den begehrtesten Orchestern, Solisten und Sängern der Welt tragen dazu bei, die sakrale Musik mit ihren großartigen Komponisten in einem kaum zu überbietenden Ambiente wiederaufleben zu lassen. Damit schlüpft der phantasievolle Kunstmanager in die Rolle eines Mäzen, der das Kulturgut der Menschheit in die Gegenwart und weitere Zukunft überträgt.
* Willkommen, Herr Courtial, und vielen Dank, dass Sie zu uns gekommen sind. Erzählen Sie den Hörern doch bitte kurz die Höhepunkte Ihrer Laufbahn.
Hans Albert Courtial: Wenn man von Laufbahn redet, dann habe ich immer Schwierigkeiten, weil ich denke: „Meine Arbeit, die ich bisher machen durfte, war ein Geschenk Gottes.“ Ich war katholischer Jugendführer der Diözese Limburg und habe im Jahr 1967 das erste deutsch-britische Jugendtreffen organisiert, gemeinsam mit katholischen Jugendlichen und anglikanischen Jugendlichen aus England. Aus Dankbarkeit wurden wir zum Empfang beim englischen Botschafter Ivor Roberts eingeladen. Dort habe ich den Nuntius und späteren Kardinal Corrado Bafile kennengelernt. Er hat sich gewundert, dass wir dort auf dem diplomatischen Parkett in Bad Godesberg waren, und hat gefragt: „Warum machen Sie sowas denn nicht auch mal mit der Pax Romana in Rom, mit der römischen Jugendorganisationen?“
Als wir Rom hörten, da gingen die Augen natürlich ganz weit auf – das war damals so weit weg für uns. Also haben wir gesagt: „Das werden wir machen. Wir werden nach Rom gehen.“ Dann sind wir am 25. März 1967 hier eingetroffen, sind dann mit zwei Tickets zu Paul VI. gegangen. Und dann geschah das, was mein ganzes Leben verändert hat, nämlich: Im Rücken die Porta Santa, rechts die Pietà von Michelangelo und vor mir die Sedia gestatoria, auf der Paul VI. saß. Dann zog die Prozession herein und an uns vorbei. Und dann hab‘ ich dem Papst zugerufen, und er hat die Sedia gestatoria anhalten lassen und hat uns drei Mal gesegnet. Das war für mich die Veränderung meines Lebens. Aber eine totale Veränderung! In meinem Herz brannte das Feuer der Liebe für den Papst, für den Vatikan, für Rom.
Anschließend haben wir eine wunderbare Begegnung mit diesem großartigen Papst gehabt, der jetzt Gott sei Dank am 14. Oktober heiliggesprochen wird. Der Papst informierte sich über uns – ich konnte natürlich kein Wort Italienisch, aber mein Präses sprach Französisch. Aber die Wärme und die Liebe eines Vaters, die er ausgestrahlt hat, waren für mich, der keinen Vater hat – denn ich habe ihn mit vier Jahren verloren –einfach großartig. Dann haben wir den Dom verlassen, waren total begeistert und entflammt und haben überlegt: „Was machen wir?“ Und wir haben schon im gleichen Jahr die erste Pilgerreise nach Rom organisiert.
Es geht nicht nur um billig: Die Menschen brauchen das Erlebnis
So habe ich bis zum heutigen Tag 1,5 Millionen Deutsche nach Rom gebracht, so dass wir also wirklich dieses Feuer, das da entstanden ist, auch umgesetzt haben. Für uns war das ganz wichtig. Das Business oder das Geschäft, das damit zusammenhingen, war vollkommen zweitrangig. Erstrangig war es, Menschen glücklich zu machen, sie zum Papst zu führen, sie zur „Sede Apostolica“ zu führen und den Menschen einfach zu vermitteln, wie wichtig es ist, die Universalität der Kirche zu erfahren. Das ist unser Thema. Deswegen lehne ich es immer ab, dass man irgendwelche Billigreisen auflegt, bei denen die Menschen überhaupt kein Erlebnis haben. Die Menschen brauchen das Erlebnis! Es geht nicht nur um billig, sondern wir brauchen es, dass die Menschen, wenn sie zurückkommen, begeistert sind – vom Papst, von der Kirche, und auch, dass sie etwas mitnehmen für ihr Seelenheil. Das ist das, was mich geprägt hat.
* Wann hatten Sie zum ersten Mal das sichere Gefühl, den richtigen Lebensweg eingeschlagen zu haben und Förderer der Musik und der Kunst im Allgemeinen zu werden?
Hans Albert Courtial: Ich habe dieses Gefühl eigentlich schon gehabt, als ich in den ersten Jahren diese Romreisen organisiert habe. Denn ich habe gemerkt, dass, wenn Chöre hier nach Rom kamen, die Chorleiter mir anschließend gesagt haben: „Was machen Sie denn mit unseren Chören? Die kommen hierher und singen ja viel besser als zu Hause in der Pfarrei! Was ist denn das?“ Ja, das ist einfach diese Begegnung mit den wunderschönen sakralen Orten und mit den wunderschönen Kunstwerken, christlichen Kunstwerken, und dem ganzen Drumherum. Das hat mich dazu bewogen, mich im Laufe der Jahre ganz stark für die Erhaltung der Kirchenmusik und der kirchlichen Kunst einzusetzen.
* Was und wer hat in Ihrem Elternhaus maßgeblich Einfluss auf Ihren Lebenslauf genommen?
Hans Albert Courtial: Meine Mutter war alleinstehend, wir waren drei Kinder zu Hause. Und wie das damals, in einem katholischen Dorf, so war, gab es da einen Pfarrer, einen Bürgermeister und einen Lehrer. Ich wurde dann ins Pfarrhaus geschickt. Dort habe ich dann meinen Pfarrerdekan Wilhelm Beitdecker erlebt, und der hat mein ganzes Leben geprägt. Bis zu meinem 18. Lebensjahr habe ich also mit ihm gemeinsam täglich im Pfarrhaus verbracht. Er hat mir täglich geholfen bei meinen Schulaufgaben, er stand mir immer zu Seite, denn er wollte unbedingt, dass ich Priester werde. Das war sein Anliegen. Aber der liebe Gott hat es anders gemeint mit mir, er hat mich auf einen anderen Weg geschickt, und dafür bin ich dankbar.
* Herr Courtial, Sie übertragen Kunst und Kultur vergangener Zeiten in die Gegenwart. Wenn wir unsere Blicke nun auf die Zukunft richten, begleiten uns gemischte Gefühle. Hoffnung und Ängste liegen ziemlich nah beieinander. Wer hat sie in der Hand, diese Zukunft?
Hans Albert Courtial: Ich denke, es ist für uns ganz wichtig, dass wir uns auf unseren Glauben konzentrieren. Glaube und Liebe sind die zwei wichtigsten Dinge für mich, die mein Leben prägen. Denn das ist ganz entscheidend. Zwar bin ich kein Theologe – aber ich kann so viel mit Musik und Kunst den Menschen vermitteln! Wenn ich sie hier nach Rom bringe zum Festival der Musiker, und sie erleben den Gottesdient in Sankt Peter, hören die Mozart-Krönungsmesse in Sankt Paul vor den Mauern oder den Chor der Sixtinischen Kapelle in der Sixtina: Das ist ein Erlebnis, das die Menschen prägt, sie dankbar stimmt und ihnen Mut gibt für ein weites gutes Leben.
* Hat die Bibel Ihr privates und berufliches Leben manchmal beeinflusst?
Hans Albert Courtial: Total! Ich lese jeden Morgen das Evangelium. Ich glaube, wir sind das einzige Hotel in Rom, in dem in der jeweiligen Sprache des Gastes das Evangelium jeden Morgen bereitliegt. Das, glaube ich, ist ein Fundament für unser Leben…
*Fünfzig Meter von Ihrer Residenz entfernt liegt im Vatikan die älteste und einzige deutschsprachige Institution Campo Santo Teutonico.– Sie kennen sie gut – auf exterritorialem Gebiet. Was können Sie uns über diese einzigartige, wissenschaftliche Einrichtung sagen?
Hans Albert Courtial: Großen Respekt, große Anerkennung für diese Institution; sei es für die Bruderschaft, das Priesterkolleg oder die Görres-Kolleg. Diese drei Einrichtungen müssen uns erhalten bleiben. Ich habe von Spekulationen gehört, wonach etwas anderes daraus werden soll – das darf nicht sein! Es muss bleiben, wie es ist. Es ist ein historischer Ort, und was ich von meiner Seite aus tun kann, das tue ich gerne.
* Führen Sie ein Tagebuch, Herr Courtial? Wenn ja, wird es unter Verschluss stehen oder werden Sie es einmal veröffentlichen und die Welt in Staunen versetzen?
Hans Albert Courtial: Nein, besser nicht. Ich glaube, im täglichen Gebet kann man das Tagebuch besser schreiben, indem man dem lieben Gott immer für jeden Tag dankt, dem er einen schenkt. Und in meinem Tagebuch stehen natürlich Dinge, die ich mir immer wieder in Erinnerung rufe. Ich habe in den 15 Jahren, die ich jetzt hier bin, nicht nur gute Erfahrungen gemacht, ich habe auch sehr viele schlechte Erfahrungen gemacht. Ich habe sehr viel Neid von anderen empfinden müssen. Aber das hat mich nicht traurig gestimmt, weil ich immer den Fokus im Kopf hatte, den Menschen etwas Gutes zu tun und ihnen zu dienen.
* Herr Courtial, Sie haben viele Auszeichnungen erhalten. Gibt es eine, die Ihnen besonders wichtig ist?
Hans Albert Courtial: Ich denke, die beste Auszeichnung, die ich bekommen habe, ist, dass der liebe Gott es mir möglich gemacht hat, diese tolle Arbeit zu tun. Ich komme aus einer armen Familie und habe so viel im Leben erreicht, dass ich mir gedacht habe, als ich 50 Jahre alt war: „Das war es jetzt. Jetzt muss ich mich um ganz wichtige Dinge kümmern, nämlich um die Erhaltung der Kirchenmusik und der kirchlichen Kunst.“ Und das mache ich, und davon bin ich begeistert, das prägt mein Leben.
* Herr Courtial, Sie sind kürzlich zum Botschafter der Wiener Philharmonie ernannt worden. Würden Sie uns diese Auszeichnung kurz beschreiben?
Hans Albert Courtial: Es ist so, dass ich seit 1985 mit den Wiener Philharmonikern arbeite. Sie waren ja 1985 schon hier mit Herbert von Karajan, und seit 2004 sind die Wiener Philharmoniker in Residenz bei unserem Festival, und wir arbeiten sehr eng zusammen, jedes Jahr mit schönen Musikprojekten. Aber im letzten Jahr haben die Wiener Philharmoniker eine Sitzung in Salzburg einberufen und haben drei Personen zu ihren Botschaftern, ihren „Patrons“ gemacht; nämlich den früheren Bundespräsidenten Dr. Fischer aus Österreich, den damaligen UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon und mich.
* Sie haben in der ewigen Stadt Rom großartige Biotope der Kunst und der Musik geschaffen, die ihresgleichen suchen. Was war für dieses Unternehmen besonders wichtig? War es der Mut, die Phantasie, die Diplomatie, die Energie, der Fleiß, Ihre Liebe zur Kunst – was war es?
Hans Albert Courtial: Alles. Alles. Aber immer wieder – ich muss es immer wieder betonen - dem lieben Gott dankbar sein, dafür, dass ich das alles schaffen konnte, und ich hoffe, dass er mir noch weiter die Kraft gibt, damit ich das alles schaffen kann.
* Wie würden Sie sich nun zum guten Schluss selbst beschreiben? Was muss aus Ihrem Steckbrief besonders hervorgehoben werden?
Hans Albert Courtial: Ich bin ein „Selfmade Man“, das ist die Nummer eins. Und Nummer zwei: Ich kann kreieren, ich kann versuchen, Dinge aufzubauen, die mir meistens gelingen. Aber auch da ist wie ein roter Faden durch das ganze Leben und auch in dieser Angelegenheit die Begegnung mit Paul VI. der ausschlaggebende Moment gewesen, der mir die Kraft gegeben hat – bis zum heutigen Tag.
Wir danken für dieses Gespräch.
Aldo Parmeggiani
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