Erzbischof Rino Fisichella Erzbischof Rino Fisichella 

Vatikan: „Kontinuität mit der Lehre“ in Sachen Todesstrafe

Die katholische Kirche ächtet die Todesstrafe fortan kompromisslos. Steht dies im Einklang mit dem Lehramt, das immer gilt? Ja, unterstreicht Erzbischof Rino Fisichella im Gespräch mit Vatican News.

Gudrun Sailer und Fabio Colagrande - Vatikanstadt

Das klare Nein zur Todesstrafe, das Papst Franziskus in den Katechismus schreiben ließ, stehe „in Kontinuität mit dem bisherigen Lehramt“, sagte Fisichella, der als Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Neuevangelisierung für Katechese zuständig ist. Es handle sich um einen tatsächlichen Fortschritt eines Glaubensinhaltes, weil Papst Franziskus die Frage der Todesstrafe mit Blick auf die Würde der Person, in diesem Fall des Straffälligen, betrachte und damit den Blick auf einen „neuen Kontext“ hin weite.

Anders im älteren Katechismus: da war das Anliegen noch, die Gesellschaft vor einem möglicherweise gewalttätigen Angreifer zu schützen, weil hinreichende Instrumente fehlten, diesen Schutz der Gesellschaft anders als durch die Hinrichtung des Straffälligen zu gewährleisten, erklärte Fisichella. „Jetzt aber liegt der Schwerpunkt wegen des Perspektivenwechsels nicht mehr auf dem Schutz des Menschen – nicht etwa deshalb, weil das kein grundlegendes Prinzip der katholischen Morallehre mehr bliebe, sondern deshalb, weil es überwunden wurde auch dank neuer Haftanstalten, die demokratische und andere Staaten heute zur Verfügung haben. Jetzt liegt der Schwerpunkt auf der Würde der Person“ – also des Straftäters.

 

Schwerpunkt verlagert: Würde der Person im Mittelpunkt

 

Auch habe Papst Franziskus eine „beschränkte Sicht“ auf die Entwicklungsmöglichkeit eines Straftäters überwunden. „Er sagt, dass niemandem die Möglichkeit einer Rehabilitierung genommen werden kann, und auch nicht die der Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Das setzt natürlich die Fähigkeit des Staates voraus, diese Dimension zu begünstigen.“ Auch der Verurteilte müsse sich seinerseits anstrengen. Aber: „Niemandem kann die Chance genommen werden, von Grund auf ein neues Leben zu beginnen“, betonte Fisichella. „und wenn es zwar viele Beispiele von Rückfall ins Verbrechen gibt, so gibt es gleichfalls viele Beispiele – für die wir dem Herrn danken! – von Umkehr, Rehabilitation und Versöhnung zwischen dem Schuldigen und den Opfern oder den Angehörigen der Opfer.“

Im „Osservatore Romano“ hatte Fisichella geschrieben, das Glaubensgut zu bewahren, bedeute nicht, es zu „mumifizieren“. „Absolut nicht!“, führte der Vatikan-Erzbischof in unserem Interview aus. Er erinnerte an die Papstrede zum 25. Jahrestag des Erscheinens des Katechismus, bei der Franziskus gesagt hatte, das Wort Gottes könne man „nicht einmotten als wäre es eine alte Wolldecke, die man vor Schädlingen bewahren müsste“. „Die Tradition ist lebendig“, unterstrich Fisichella. „und wenn sie nicht von einem immer lebendigen Lehramt lebendig erhalten wird, dann ist sie nicht mehr die Tradition.“

Die Neuerung in der Frage der Todesstrafe sei „ein wirklich entscheidender Schritt, der auch dem Engagement der Katholiken im sozialen und politischen Leben ihrer Länder helfen“ werde, schloss der Erzbischof.

(Vatican News – gs)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

04. August 2018, 12:01