Unser Synodenblog - Tag 2
Liebe Leserinnen und Leser,
gestern Nachmittag konnte ich den Papst hautnah erleben. Während wir vor der Aula standen und alle sich noch orientierten, kam der Papst ganz allein mit Akten unter dem Arm und einer Tasche in der Hand um die Ecke. Am Eingang begrüßte er die Schweizer Gardisten per Handschlag, stellte sich in den Eingangsbereich und schüttelte ganz selbstverständlich die Hände der Teilnehmenden. Unkompliziertheit und Herzlichkeit, das prägte die Stimmung des ersten Synodentags.
Bei der Eröffnungsansprache spürte man: Der Papst hat ein Anliegen. Er will, dass sich die Kirche aufmacht, verändert und lebendiger wird. Seine Rede war motivierend, sie war ernst, aber doch auch immer mit humorvollen Passagen gewürzt. So sagte er: „Von dieser Synode soll nicht nur ein Dokument erscheinen, das normalerweise von wenigen gelesen, aber von vielen kritisiert wird, sondern vor allem konkrete pastorale Initiativen erarbeitet werden.“
Durch diese Ansprache, seine Art und sein Auftreten wurde mir wieder vor Augen geführt, dass dieser Papst ein echter Lehrender ist, weil eindeutig klar wird, dass er aus tiefster innerer Überzeugung auch ein Lernender sein will.
Anschließend lag das Wort bei zwei Kardinälen, die von den Vorbereitungen für die Synode erzählten. Ich musste schon aufpassen, dass mir der vom Papst ausgehende Schwung nicht schon wenige Minuten später wieder genommen wurde. Doch auch das scheint mir nicht ungewöhnlich.
Speziell bei einer so großen Gruppe, die so noch nie zusammengekommen ist, ging es gestern und heute vor allem um das Kennenlernen. Es ging dabei um die Abläufe im Allgemeinen, es ging um Technikfragen bezüglich der Abstimmungen und es ging darum, ein Gefühl für die Versammlung zu bekommen: Wer ist da und wen kenne ich? Welche Gruppen sind überhaupt da? Mit wem komme ich ins Gespräch und kann mich austauschen? Es fühlt sich ein wenig an wie beim Sport: Wir wärmen uns erst einmal auf.
Gestern trafen wir uns auch als deutsche Delegation im Gästehaus der Bischofskonferenz und konnten uns dort näher kennenlernen sowie erste Eindrücke teilen. Ziemlich wichtig, damit unsere Zusammenarbeit in den nächsten Wochen auf einem soliden Fundament steht.
Mich selbst beschäftige – nicht nur gestern bei den ersten Gesprächen, sondern auch in den Wochen davor – die Frage: Kommen die Jugendlichen bei dieser Synode zu Wort? Oder hören sich die Bischöfe doch nur gegenseitig zu? Bei den doch etwas trockenen Eröffnungsreden wurde mir aber das Vorgehen klar: Durch die weltweite Online-Umfrage, durch die Vorsynode und vielen Eingaben im Vatikan wurde das Instrumentum laboris erstellt. Das ist ein Abbild der Lebenswelt, der Wünsche und Hoffnungen der Jugendlichen. Jetzt ist die Aufgabe bei den Bischöfen auf diese Intervention der jungen Leute zu reagieren. Die Jugendlichen haben gesprochen – die Bischöfe müssen jetzt ihr Sichtweise zu den Themenkomplexen darlegen und dabei zeigen, ob sie die Jugend wirklich verstanden haben oder ob sie über ein „weiter wie bisher“ nicht hinauskommen.
Aber dass die Kirchenführung es ernst meint, wird in der Zusammensetzung der Synode mehr als deutlich: Alle Kardinäle, die ein Dikasterium (Ministerium) leiten, sitzen in der Aula und hören zu. Über 250 Bischöfe beraten, man könnte fast sagen, verschwenden viel Zeit, indem sie sich mit den Fragen und Anliegen der Jugend befassen. Ich aber leite für mich daraus ab: Die Kirche meint es mit ihrem Versuch wirklich ernst, sie will als Lehrende erst eine Lernende sein.
Heute war ich überrascht, wie offen und wie vielfältig geredet wurde. Der Tag war geprägt von vierminütigen „Interventiones“ von Bischöfen. Letztere reagieren mit diesen auf das Instrumentum laboris. Der eine gestaltete den Beitrag wie eine kleine theologische Vorlesung, der nächste wie eine soziologische Analyse. Wieder ein anderer machte daraus einen spirituellen Vortrag. Andere gaben einfach ein persönliches Zeugnis, manche auch ein politisches Statement. Es war sehr spannend, diese Vielfalt an entstehenden Emotionen zu sehen. Die Bischöfe hörten auf den Papst, er ermutigte sie immer wieder, offen zu reden. Und das tun sie.
Und obwohl nur 30 Jugendliche hier in der Aula sitzen – gerade sie zeigen mit begeisterten Rufen und Applaus sehr deutlich, was sie anspricht!
Nur eine Sache wundert mich sehr: Wir Teilnehmer haben selbstverständlich alle unsere Laptops dabei, dennoch wird unzähliges Papier ausgeteilt, was man einfach als pdf-Dokumente hätte zur Verfügung stellen können. Was ist mit Laudato si? Ein lobendes Gegenbeispiel kann ich mir hier an dieser Stelle nicht verkneifen: Die Versammlung der Jesuiten vor zwei Jahren. Da gab es kein Papier mehr, sondern alles lief elektronisch.
Zum Schluss ein Zitat, das mir gestern besonders aufgefallen ist und das mich sehr anspricht. Denn das ist es, was ich mir sehr wünsche, sowohl für mich selbst als auch für die Kirche:
„Ein Glaube, der uns nicht in eine Krise führt, ist ein Glaube in der Krise; ein Glaube, der uns nicht wachsen lässt, ist ein Glaube, der wachsen muss; ein Glaube, der nicht Fragen aufwirft, ist ein Glaube, über den wir uns Fragen stellen müssen; ein Glaube, der uns nicht belebt, ist ein Glaube, der belebt werden muss; ein Glaube, der uns nicht erschüttert, ist ein Glaube, der erschüttert werden muss.“ (Instrumentum Laboris 73, ein Zitat von Franziskus aus der Weihnachtsansprache vor der Kurie 2017)
Bis Morgen!
Clemens Blattert SJ
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