Schlussdokument der Synode: Emmaus, Jugend, Kirche im Aufbruch
P. Bernd Hagenkord – Vatikanstadt
Das Dokument ist das Ergebnis eines Unterscheidungsprozesses: Das Vorbereitungsdokument, die Beiträge von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, Änderungsvorschläge und Wortmeldungen sind in die Formulierungen eingegangen. Die Synode hat nicht nur über den Prozess der Unterscheidung und Entscheidung beraten, sie hat ihn gleichzeitig auch angewandt. Selbstredend finden sich nicht alle in den Debatten und Äußerungen gemachten Punkte wieder, das Dokument bemüht sich sichtbar um eine Beschränkung aufs Thema.
Den Regeln für die Synode gemäß wurde es zunächst vollständig verlesen und anschließend Abschnitt für Abschnitt abgestimmt, als approbiert gilt der Abschnitt, der zwei Drittel der Stimmen der Anwesenden erreicht hat. Tatsächlich übersprangen alle Abschnitte des Textes bei der Abstimmung diese Hürde. Hier finden Sie das Dokument, bislang nur in italienischer Sprache.
Sprache, Struktur und ein biblischer Schlüssel
Die Sprache des Dokuments ist nicht jugendlich. Sie ist kirchlich, was der Natur des Textes geschuldet ist.
Die Struktur des 60 Seiten langen Textes ist aus dem Vorbereitungsdokument, dem Instrumentum Laboris, übernommen: Erkennen - Interpretieren - Wählen, also der Blick auf die Realitäten der Jugend der Welt, die Deutung und dann das Umsetzen. Was hinzugekommen ist, ist ein biblischer Deutungsschlüssel. Die Emmaus-Geschichte (Lk 24) war immer wieder Teil der Debatten; so gibt die Strukturierung anhand dieser Geschichte die Bedeutung wieder, welche der Blick auf Jesus, die Bekehrung der Jünger und das miteinander Gehen auch biblisch in den Debatten hatten.
Der erste Teil: „Er ging mit ihnen“ - das Erkennen
Großer Wert wird auf die kulturelle Verschiedenheit gelegt. Ein weiter Bogen spannt sich im ersten Teil des Dokuments auf: von der Gleichberechtigung der Geschlechter über die Jugendarbeit der Pfarreien, über Formen des wirtschaftlichen und sozialen Ausschlusses, die Säkularisierung, die Bildung bis hin zur Ausbildung von Ordensleuten und Priestern. Das öffnet einen weiten Blick auf die ganz verschiedenen Realitäten der Jugend in der Welt.
Viele Formulierungen beginnen mit „viele Synodenteilnehmer haben unterstrichen“ oder ähnlichen Wendungen – auch das ein Beleg für die Diversität der Welt. Es kommen auch Phänomene vor, die vielleicht nicht von allen geteilt oder überall vorhanden sind.
Drei besondere „Scharniere“ werden ausdrücklich und ausführlich genannt: Zuerst die digitale Umwelt, welche die Welt immer mehr prägt und eine eigene Realität wird, mit den positiven wie mit den negativen Seiten. Zweitens wird die Situation der Migranten und Flüchtlinge erörtert – für viele ein Paradigma, um die Welt heute überhaupt verstehen zu können. Die Kirche könne und müsse hier eine prophetische Rolle einnehmen.
Ein drittes Scharnier wird von der Missbrauchsfrage gebildet. Die verschiedenen Formen des Missbrauchs werden genannt und die Notwendigkeit der Aufarbeitung von der Wurzel an betont. Es braucht „rigorose Mittel der Prävention“, heißt es im Text. Dank geht an diejenigen, welche den Mut hatten und haben, den Missbrauch zu benennen und aufzudecken.
Ein eigenes Kapitel gehört der Frage nach der Identität. Hier werden Familie, Kultur und Freundschaft debattiert. Hierher gehört auch das Thema Sexualität und die Bedeutung der „Logik des Evangeliums“ für das eigene Gefühlsleben. Es wird auch deutlich betont, dass viele Jugendliche Probleme und Unverständnis für die Morallehre der Kirche zeigen.
Zur Identitäts-Frage gehört auch die „Wegwerf-Kultur“: Junge Menschen seien von ihr geprägt, gehörten aber auch zu ihren ersten Opfern. Die Kirche müsse hier zur Bekehrung aufrufen.
Zum Abschluss des ersten Teils wird dann ein Blick auf das „Jung-Sein heute“ geworfen, auch das geprägt von der Unterschiedlichkeit der Situationen und Kulturen. Spiritualitäten kommen hier vor, Liturgie und die ganz verschiedenen Zugangsweisen zu Jesus. Was aber allen jungen Menschen gemeinsam eigen sei, das sei der Wunsch, die eigene Kreativität einzubringen und Verantwortung zu übernehmen. Das gelte auch für den Glauben und die Kirche.
Ein eigener Punkt wird der Überzeugung der jungen Menschen gewidmet, dass Frauen eine größere Rolle und größere Wertschätzung zustehe. Der Text spricht von einem „unausweichlichen Wandel“, vor dem die Kirche hier stehe.
Zweiter Teil: „Ihre Augen wurden aufgetan“ - das Deuten
Was bedeutet dieser weitgespannte Bogen der Lebenswelten junger Menschen heute? Dieser Frage widmet sich der zweite Teil des Dokuments. Die jungen Menschen fühlten eine „gesunde Unruhe“, die es zu respektieren und zu begleiten gelte. „Junge Menschen sind den Hirten oft voraus“, hier liege eine wichtige Quelle für die Erneuerung der Kirche.
Autorität wird zum Beispiel gesehen als „wachsen lassen“ – eine Sichtweise, die ganz dem Handeln Jesu entspreche. Es brauche Freiheit, damit authentische Lebensentscheidungen getroffen werden könnten, es brauche Anleitung zur Verantwortlichkeit, es brauche Raum, um sich für den Glauben entscheiden zu können. Christen und damit auch die jungen Christen seien zur Freiheit berufen, so der Text.
Ein Schwerpunkt liegt auf der Frage der Berufung: Berufung sei kein Schicksal, dem man sich unterwerfen müsse, sie sei ein „Angebot aus Liebe“. Es brauche als ersten Schritt eine „Reinigung“ der kirchlichen Sprache, wenn es um Berufung gehe. „Alles Leben ist Berufung“ hatte Papst Paul VI. formuliert, das gelte es auch heute in eine „Kultur der Berufung“ umzusetzen.
Ausführlich werden die verschiedenen Dimensionen von Berufung besprochen – mündend in der Einsicht, dass in einer pluralistischen Welt voller Optionen und in Lebenswegen voller Brüche Berufungen schwierig zu leben und zu halten sind. Deswegen nimmt der Text-Teil zur Begleitung einen breiten Raum ein. Der ganze Reichtum und die verschiedenen Dimensionen des Begleitens werden aufgeblättert. „Die Synode erkennt die Notwendigkeit der Förderung einer integralen Begleitung an, in der geistliche gut mit den menschlichen und sozialen Aspekten integriert sind“, so der Text.
Den Abschluss dieses Teils bildet das Sprechen über den Begriff, der vielleicht wie kein zweiter das Pontifikat von Papst Franziskus prägt: Unterscheidung. Diese sei „konstitutiv für die Kirche“. Die Gemeinschaft als Horizont, das Gewissen als zentraler Ort und die Vertrautheit mit Jesus als Voraussetzung werden besprochen. Den Abschluss einer jeden Unter-scheidung müsse dann eine Ent-scheidung bilden, eine Wahl. Und damit geht das Dokument den Schritt zum dritten Teil.
Dritter Teil: „Noch in derselben Stunde brachen sie auf“ - das Wählen
Die vorherigen Überlegungen machen es bereits deutlich: Es ist schwierig, in einem für die ganze Kirche gedachten Text konkrete Überlegungen anzustellen. Der Text beginnt mit der gemeinsam getroffenen Entscheidung, junge Menschen als Priorität des Handelns der Kirche zu sehen. Das bedeutet, Zeit, Energie und Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Eine zweite Entscheidung gleich zu Beginn: Das soll alles mit den jungen Menschen geschehen, nicht nur für sie.
Gleich im folgenden Abschnitt wird aber festgestellt, dass die Umsetzung bei den Ortskirchen liegen muss, die Diversität der Kirche lässt gar nichts anderes zu. Damit spiegelt das Dokument die neuen Regeln der Synode wieder, die Papst Franziskus im August erlassen hatte.
Viel Wert gelegt wird auf den „synodalen Prozess“ gelegt und darauf, dass Synodalität die Kirche selbst wie auch ihr verkündendes Handeln charakterisiert. Der Text skizziert im Folgenden, was das bedeuten kann.
Unter den Vorschlägen für die Konkretion vor Ort finden sich etwa Überlegungen zu einer erneuerten Weise, den Glauben weiter zu geben: nicht als Lehrstruktur, sondern in einem Miteinander. Die Zentralität der Liturgie wird genauso betont wie der diakonale Einsatz.
Weil es in den Synoden-Beratungen immer auch um Berufung und Berufungen ging, findet diese Dimension des kirchlichen Lebens ebenfalls ihren Niederschlag. Vor allem wendet man sich gegen das Fragmentieren des kirchlichen Lebens: hier für Jugend, da für Universität, dort für Kultur. Die Dinge müssten wieder zusammengeführt werden.
Neben diesen noch eher abstrakt bleibenden Überlegungen werden sieben Bereiche angeführt, die als „drängende Herausforderungen“ bezeichnet werden. Die digitale Umwelt gehört dazu, genauso wie die Migration: Hier gelte es „Mauern nieder zu reißen und Brücken zu bauen“. Die Beteiligung von Frauen auch in der Leitung der Kirche sei eine Frage der Gerechtigkeit, so Punkt drei. Viertens geht es um klare und offene Worte auf dem Gebiet der Sexualität; gleichzeitig müsse die Kirche sich klar gegen Diskriminierung wenden. Homosexuellen Menschen müsse geholfen werden, in „Freiheit und Verantwortung ihre Tauf-Berufung zu leben“.
Ein fünfter Punkt in diesem Abschnitt ist der Einsatz für Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung; das müsse sich auch in der Leitung und Gestaltung des kirchlichen Lebens wiederfinden. Sechstens geht es um interkulturelle und interreligiösen Dialog und siebtens um die Ökumene.
Abschließend dringt der Text darauf, für all diese Bereiche die richtige Aus- und Weiterbildung anzubieten. Hier macht die Synode drei konkrete Vorschläge: Zum einen sollten Laien, Ordensleute und Priester gemeinsam ausgebildet werden. Zweitens müsse die Seelsorge mit jungen Menschen fester Bestandteil der Ausbildung von Priestern und Ordensleuten werden. Und drittens solle die Erfahrungsdimension fest in der Ausbildungsordnung für Priester verankert werden.
Nach der Synode: Ab in die Ortskirche
Von der Synode und ihrem Dokument gewollt ist eine kreative Umsetzung der Ideen und Vorschläge vor Ort, kulturell verschieden und nicht an einem vorgegebenen Raster ausgerichtet. Damit geht das, was hier in Rom vor zwei Jahren begonnen und mit der Versammlung der Bischofssynode seinen Höhepunkt gefunden hat, nun vor Ort weiter. Da, wo Jugendliche, Glauben und Berufung wirklich sind und leben.
(vatican news)
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