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Clemens Blattert S.J. - unser Blogautor bei der Synode Clemens Blattert S.J. - unser Blogautor bei der Synode  

Synodenblog: Tag 15

Dreieinhalb Wochen debattieren Bischöfe, Fachleute und auch einige Jugendliche aus der ganzen Welt im Vatikan über Jugend, Glaube und Erkenntnis der Berufung. Mit dabei als eingeladener Experte aus Deutschland: Clemens Blattert SJ. Er schreibt für Vatikan News einen Blog. Heute: Tag 15.

Liebe Leserinnen und Leser,

manche der Bischöfe haben schon an mehreren Synoden teilgenommen. Dass sich vieles verändert und verbessert hat, wurde schon mehrfach festgestellt: Etwa die Beschränkung der Redezeit auf vier Minuten oder die Einbeziehung eines erweiterten Personenkreises im Vorfeld, man denke nur an die weltweite Online-Umfrage und die Vorsynode.

Seit gestern Nachmittag setzen wir die Beratungen zum dritten Teil des Arbeitsdokuments wieder in den Sprachzirkeln fort. Am Beginn der Sitzung gab es einen spontanen und spürbar nachdenklichen Austausch darüber, wie sehr weitere Veränderungen im Zuge dieser Synode sichtbar werden. Europa und die deutschsprachigen Länder sind nicht mehr von zentraler Bedeutung. Ja, manche sprachen sogar davon, dass wir nur noch ein „Appendix“ der Weltkirche sind. Hier geht es um einen „Bedeutungsverlust“, der von den Bischöfen erlebt und auch verarbeitet werden muss.

„Dementsprechend sind viele „junge“ Bischöfe, also Bischöfe zwischen 45 und 55 Jahren, anwesend. Auch das verändert die Stimmung bei dieser Synode.“

 

Gerade zum dritten Teil ergriffen viele afrikanische Bischöfe selbstbewusst das Wort. Aber auch aus vielen asiatischen Ländern wie Kambodscha, Korea und Indonesien wurde berichtet... Sie einte das Sprechen von einer Kirche, die zwar unter vielen wirtschaftlichen und humanitären Schwierigkeiten zu leiden hat, aber voller Hoffnung und Kraft ist. Außerdem stellten die „Synodenveteranen“ fest, dass noch nie so viele Weihbischöfe anwesend waren. Das liegt am Thema der Synode, denn in vielen Bischofskonferenzen sind Weihbischöfe für die Jugend zuständig. Dementsprechend sind viele „junge“ Bischöfe, also Bischöfe zwischen 45 und 55 Jahren, anwesend. Auch das verändert die Stimmung bei dieser Synode.

„Die sogenannten jungen Bischöfe wissen bereits, dass es so nicht weitergehen kann.“

Mir selbst fällt ein Generationenunterschied zwischen den Bischöfen auf. Die sogenannten jungen Bischöfe wissen bereits, dass es so nicht weitergehen kann. Die drängenden Themen der Jugend sind längst bei ihnen angekommen und sie spüren Handlungsbedarf, wissen aber nicht richtig, wie und wo anzupacken ist – vielleicht auch, weil konkrete Vorbilder fehlen. Unter dem starken Eindruck des Missbrauchsskandals, der steten Anklage des verkrusteten, auf die eigene Macht bedachten Klerikalismus durch Papst Franziskus und der Beschäftigung mit der Jugend geben Bischöfe der älteren Generation zu, dass es in ihnen arbeitet. Es ist von einer Conversio, einer Umwandlung in den Herzen der einzelnen die Rede. Gerade sie ist notwendig, denn daraus folgen echte Anfragen an das bisherige und zukünftige eigene Handeln.

„Eine Delegation von 12 Amtsträgern hatte zu einer Sitzung im Vatikan auch eine Delegation von 12 Frauen mitgebracht...“

Der Prozess dieser inneren Bekehrung ist angestoßen, er ist spürbar und ich würde tatsächlich auch unter dem Eindruck von dem, was ich gestern geschrieben habe, meinen, dass sich hier bereits erste Früchte dieser Synode zeigen. Beeindruckend war auch, dass viel über einen hochrangigen Kardinal gesprochen wurde, der selbst von einer solchen Bekehrung gesprochen hat, die er im Blick auf die Fragen der Frauen erst vor wenigen Wochen erlebt hat. Eine Delegation von 12 Amtsträgern hatte zu einer Sitzung im Vatikan auch eine Delegation von 12 Frauen mitgebracht. Das konkrete Erleben dieses Miteinanders habe viel in den Ansichten dieses Kardinals verändert. Die Bischöfe geben auch offen zu, dass die beeindruckenden Zeugnisse der jungen Menschen in der Aula sie deutlich spüren lässt, wie sehr all diesen Menschen die Kirche am Herzen liegt – nicht nur ihnen selbst. Das wiederum erleichtert und öffnet für das aufmerksame Zuhören.

„Papst Franziskus gibt mit seinem Stil Luft und Freiraum, um über manche Themen überhaupt erst reden zu dürfen. Eine Gesprächsatmosphäre, die in den vorangegangenen Pontifikaten vielleicht nicht im gleichen Ausmaß gegeben war.“

Sie werden jetzt vielleicht sagen: Warum so spät? Warum erst jetzt? Die Themen sind doch schon Jahrzehnte präsent? Ich weiß nicht warum. Aber ich kann persönliche Deutungsversuche anbieten: Papst Franziskus gibt mit seinem Stil Luft und Freiraum, um über manche Themen überhaupt erst reden zu dürfen. Eine Gesprächsatmosphäre, die in den vorangegangenen Pontifikaten vielleicht nicht im gleichen Ausmaß gegeben war. Ein anderer Grund könnte auch ein schlicht psychologischer sein.

Ein Bischof meinte mal in der Pause, jetzt nach zwei Wochen sei er auf „Betriebstemperatur“ für die Synode. Ich habe das so verstanden: weg von alltäglichen Amtsgeschäften. Viel Zeit und Freiraum für Gespräch und innerer Auseinandersetzung bedeutet Entlastung und neue innere Aufnahmebereitschaft. Ist vielleicht auch vieles an Strukturen, Verpflichtungen und (institutioneller) Verantwortung schlichtweg erdrückend für das Herz von Bischöfen, so dass es gar nicht wirklich offen, aufnahmefähig und bekehrungsfähig ist? Viele Bischöfe beklagen die lange Zeit des Herumsitzens in Rom – vier Wochen sind es insgesamt. Aber ich glaube, dass es diese Zeit braucht. Wenn man sich keine Zeit nimmt, sind Conversio und eine echte Veränderung weder in den Herzen noch in der Kirche möglich.

„Wenn man sich keine Zeit nimmt, sind Conversio und eine echte Veränderung weder in den Herzen noch in der Kirche möglich.“

Ein Geheimnis meiner Arbeit mit jungen Menschen ist das Anbieten von „Freiraum“. Freiraum in Gestalt von Stille, von Gebetszeiten, die als Gegenstand „nur“ eine biblische Geschichte haben, die sogar mehrmals betrachtet wird, von verschwenderisch viel Zeit von Leuten, die einem zuhören, von Zeit zum Spazierengehen und die Seele baumeln lassen. Ganz ohne Druck, dass etwas herauskommen müsste. Dieser Freiraum wirkt Wunder – verändert Menschen zu denen, die sie wirklich sind. Im tiefsten glaube ich fest daran, dass der eigentliche „Freiraum“ die Gegenwart Gottes ist. Wo sie zugelassen wird – in sich selbst und in Gemeinschaft – dort ist viel Veränderung möglich.

„Ganz ohne Druck, dass etwas herauskommen müsste“

Zeit zum Feiern ist eine besondere Form von Freiraum. Gestern Abend lud uns Kardinal Marx und 40 weitere Synodenteilnehmer zu einem bayrischen Abend in das Haus der Begegnung der Erzdiözese München ein. Was auf der Einladungskarte zuerst wie ein Oktoberfest in Rom anmutete, entpuppte sich als ein wunderbarer Abend bei leckeren bayrischen Spezialitäten und angenehmer Volksmusik: Ein Sextett aus Kontrabass, Ziehharmonika, Klarinette und Gesang musizierte. Und auch hier kam es zu schönen persönlichen Gesprächen als mir z. B. ein Bischof von seiner monatelangen tiefen Glaubenskrise erzählte oder ein anderer Jesuit, der bei der Synode mitarbeitet, frei erzählte, was ihn beschäftigt und was ihm Sorgen macht. Wir tauschten uns auch darüber aus, wie wir als Jesuiten die Synode wahrnehmen. Fehlen darf bei aller Ernsthaftigkeit eines nicht: Das gemeinsame, freie Lachen. So war der gestrige Abend ein richtig schöner und gelungener Freiraum.

Clemens Blattert SJ

(vatican news)

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19. Oktober 2018, 16:01